Schritte im Weltraum

Moderator: Prof. Claude Nicollier kommt aus der Schweiz, wobei man erst einmal nicht erwartet, daß dort Astronauten herkommen. Aber seine Geschichte beweist, daß die persönliche Entscheidung und ein optimistisches Umfeld den Menschen in die Lage versetzt, alle Grenzen zu überwinden. Herr Nicollier war Pilot der Schweizer Luftwaffe. Ostern 1969 hatte er einen schweren Autounfall, wonach die Ärzte ihm sagten, daß er wahrscheinlich nie mehr in der Pilotenkanzel eines Flugzeugs sitzen könne. Drei Monate später sah er im Fernsehen die erste Mondlandung, und er schwor sich, alles daran zu setzen, um wieder fliegen zu können. Dies gelang ihm. Er begann auch noch ein Studium der Astrophysik, und arbeitete seit 1976 als Wissenschaftler bei der ESA. So flog er viermal mit dem Space Shuttle in den 90er Jahren ins All und hatte 1999 seinen ersten Außeneinsatz, als er bei einem Weltraumspaziergang neue Instrumente am Hubble-Teleskop installierte. Ich freue mich auf den Vortrag.


Ich bin zu dieser Konferenz gekommen, da ich etwas über Krafft Ehrickes Lebenswerk und seine Vision erfahren wollte, und ich habe wertvolle Einsichten erhalten.

Mein Vortrag hat den Titel „Schritte im Weltraum“, und ich möchte Ihnen einige der Errungenschaften vorstellen, die die Menschheit in den letzten 50 Jahren seit dem Apollo-Programm vollbracht hat. Ich hatte das Privileg, ein sehr kleiner Teil davon gewesen zu sein. Wenn ich von „Schritten im Weltraum“ spreche, so habe ich einige wenige Schritte selbst getan, darunter einen Weltraumspaziergang für Reparaturarbeiten am Hubble-Teleskop im Dezember 1999. Aber das waren sehr bescheidene Schritte.

Die Vision Krafft Ehrickes muß auf das gegründet werden, was bisher im Weltraum erreicht wurde, und wir haben gerade erst damit begonnen, wobei das Apollo-Programm und die ISS großartige Leistungen waren. Ich teile sehr die Vision Krafft Ehrickes, vor allem in dem Sinn, daß unsere Errungenschaften im Weltraum der Beginn einer neuen Evolution des Lebens sind – nicht auf der Erde, sondern in dieser Ecke unserer Galaxie, wenn ich so sagen darf. Tatsache ist, daß wir uns von der Erde weg bewegen, und ich teile diese Vision sehr.

Es war einer der Hauptgründe für meine Entscheidung, hierher zu kommen, mehr über die großen Errungenschaften und die Vision Krafft Ehrickes zu erfahren. Wir sollten uns darüber bewußt sein, daß wir hier sind, um sein Andenken in Ehren zu halten, und ich halte seine Errungenschaften in sehr hohen Ehren.

Warum Weltraumforschung?

Vor etwa 300 Mio. Jahren haben einige Lebewesen ihre flüssige Umwelt verlassen und sind auf die harte Erdoberfläche gewechselt. Jene, die im Wasser blieben, sagten: „Warum geht ihr auf das Festland? Wir können Probleme hier im Wasser bekommen.“ Noch heute sagen ja viele Leute: „Warum gehen wir in den Weltraum? Wir haben doch genügend Probleme hier auf der Erde.“ Andere sagen allerdings, wenn dieser frühe Schritt nicht gegangen worden wäre, wären wir nicht hier, um darüber zu sprechen. Ich bin davon überzeugt, daß der Schritt in den Weltraum ein großer Schritt in der Evolution des Lebens in dieser Ecke unserer Galaxie ist. Im Darwinschen Sinn verschaffen wir uns damit eine viel höhere Überlebenswahrscheinlichkeit in der fernen Zukunft. Dem können wir uns nicht entziehen, und sollten es noch nicht einmal versuchen. Das ist ein biologischer Imperativ.

Vieles, was wir im Weltraum tun, entspringt unserer Neugier – Neugier über das Universum, über die Sonne, über die Erde, über uns selbst. Ich mag diese Radierung aus der Renaissance (Abbildung 1), denn die Menschen damals dachten, der Himmel sei eine große Kuppel. Andere Leute dachten, es wäre doch interessant, festzustellen, was hinter der Kuppel ist. Das entspricht sehr dem Geist, der heute in vielen Bereiche der Weltraumforschung vorherrscht.

Abbildung 1. Flammarions Holzstich, auch „Wanderer am Weltenrand“, veranschulicht die Neugier des Menschen, etwas über die Welt außerhalb der Erde zu erfahren.

Der Weltraum ist eine wunderbare Plattform für die Wissenschaft. Dieses Bild zeigt einen Galaxienhaufen (Abbildung 2); man sieht darin mehrere große Galaxien und andere, weit entfernte Galaxien – die kleinen blauen Streifen, die infolge des Gravitationslinseneffekts durch den Cluster massereicher Galaxien zu sehen sind.

Dank der Weltraumforschung gibt es wunderbare technologische Entwicklungen, etwa den Rover Curiosity, der seit 2012 auf dem Mars herumfährt. Es sind riesige technologische Schritte erforderlich, um solche Dinge zu erreichen.

Als ich zehn Jahre alt war, erschien [1954] gerade das siebzehnte Tim-und-Struppi-Album „Schritte auf dem Mond“, wobei mich die tolle Rakete mit den weißen und roten Quadraten faszinierte, die gerade vom Mond in den schwarzen Himmel voller Sterne abhob. Das hat mich sehr inspiriert. Das war noch vor dem Sputnik-Start und geraume Zeit, bevor Jurij Gagarin am 12. April 1961 als erster Mensch in den Weltraum flog. Als kleiner Junge erinnere ich mich auch noch an Captain Haddock und den verschütteten Whiskey, der als Kugel im Raum schwebte (Abbildung 3), wobei ich mich fragte, warum das so ist. Heute ist mir das natürlich klar, denn in der Schwerelosigkeit sind alle Richtungen gleich, und die einzige Form, die eine Flüssigkeit annehmen kann, ist die Kugel.

Abbildung 2. Mehrere große Galaxien (gelb). Die blauen Streifen sind Hintergrundgalaxien, die mehr als 12 Mrd. Lichtjahre entfernt sein können.

Der Weltraum war zweifellos auch ein Feld der Politik, ein Instrument, um politische Macht zu demonstrieren. Die Antwort der Amerikaner auf den ersten Weltraumflug von Jurij Gagarin war das Apollo-Programm, das von Präsident Kennedy im Weißen Haus nur wenige Wochen danach in Gang gesetzt wurde. Das war im Mai 1961. Damals gab es noch Befürchtungen, ob ein Mensch im Weltraum, besonders in der Schwerelosigkeit, überleben könne. Aber dann fiel die Entscheidung, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond und zurück zu bringen.

In seiner wunderbaren Rede an der Rice University in Houston etwas über ein Jahr später sagte Kennedy: „Wir haben uns entschlossen, zum Mond zu fliegen. Wir haben uns entschlossen, in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen und noch andere Dinge zu unternehmen, nicht weil es leicht ist, sondern weil es schwer ist, weil das Ziel dazu dient, das Beste aus unseren Energien und Fähigkeiten zu organisieren.“

Abbildung 3. Captain Haddock und der verschüttete Whiskey aus „Tim und Struppi“.

Die Tatsache, daß es so schwer, aber politisch so wichtig war, hatte zur Folge, daß die Energien und Talente, die in den USA verfügbar waren, wirklich gebündelt wurden. Dahinter standen natürlich auch unglaublich viele technische, industrielle wissenschaftliche Talente und innovative Ideen. Und nur sechs bzw. sieben Jahre später, um genau zu sein, kam es zum Start von Apollo 11 (zeigt Video vom Start von Apollo 11 mit der Saturn-V).

Das Apollo-Programm war nicht nur ein gewaltiger politischer Erfolg, sondern auch eine technische Leistung unglaublicher Größenordnung sowie eine Errungenschaft auf wissenschaftlichem Gebiet. Heute wissen wir über den Mond sehr viel mehr als damals. Die größte Lehre des Apollo-Programms ist für mich aber immer noch: Wenn man etwas wirklich will, schafft man es auch. Auch in der Vision von Krafft Ehricke ist dies wichtig: Wenn man etwas wirklich will, schafft man es auch.

Die Geschichte des Space Shuttle

Noch vor dem Ende des Apollo-Programms dachte man in Amerika über den nächsten Schritt in der Weltraumforschung nach und begann das Space Shuttle zu entwickeln. Vom Umfang und der Reiseentfernung her war das Space Shuttle weitaus bescheidener als Apollo, aber dahinter stand ein gewaltiges technisches Können, denn technisch war es sehr schwierig, ein wiederverwendbares Raumschiff zu bauen, im Gegensatz zu all den damaligen und heutigen Raketen, die alle verloren gehen.

Zwischen dem ersten Flug im April 1981 – genau 20 Jahre nach Gagarins Flug – und 2011 nach Fertigstellung der Internationalen Raumstation hat es insgesamt 135 Missionen des Space Shuttle gegeben. Es war leistungsfähig und hatte außerordentliche Kapazitäten, wenn alles gut lief. Leider war das Shuttle aber sehr teuer und gefährlich. Bei den 135 Flügen gab es zwei schwere Unfälle, was nicht sehr beruhigend ist zu wissen. Deswegen wurde das Programm wohl auch etwas frühzeitig abgebrochen, kurz nachdem der Zusammenbau der Raumstation abgeschlossen war, denn die NASA fürchtete einen weiteren Unfall.

Einer der Gründe dafür, warum das Shuttle so unfallträchtig war, war die große und empfindliche Hitzeschutzverkleidung, die beim Wiedereintritt voll funktionsfähig sein mußte. Beim Aufstieg war sie völlig exponiert, und das war die Ursache für das Columbia-Unglück im Februar 2003.

Eine der größten positiven Aspekte des Shuttle-Programms war jedoch der Bau der Internationalen Raumstation. Ohne das Shuttle wäre das nicht gegangen, genauso wenig wie der Transport des Hubble-Weltraumteleskops ins All. Ein weiteres großes Plus des Shuttle waren die Flügel. Es gab im Vorfeld ein großes Fragezeichen, ob das machbar wäre oder nicht. Läßt sich die Raumfahrt überhaupt mit einem wiederverwendbaren Fahrzeug bewältigen? Heute wissen wir, daß es geht, und wir kennen die Kehrseite. Wenn wir es nicht gebaut hätten, wüßte man es bis heute nicht. Wir würden uns heute noch den Kopf darüber zerbrechen, ob ein wiederverwendbares Raumschiff mit Flügeln machbar ist oder nicht. Die Amerikaner hatten den Mut dazu, ein Raumschiff mit Flügeln zu bauen. Es funktionierte gut, es ist sehr flexibel, aber es ist nicht weniger kostspielig als eine nichtwiederverwendbare Rakete, um ein Kilogramm Ladung in einen niedrigen Erdorbit zu bringen. Und schließlich ist es relativ gefährlich, solange es mit einem empfindlichen Hitzeschutzschild ausgerüstet ist.

Vom Start des Space Shuttle gibt es wunderschöne Bilder (Abbildung 4): Riesige Flammen schießen aus den Feststoffraketen. Drei Wasserstoffmotoren sind in Betrieb, in denen flüssiger Wasserstoff mit flüssigem Sauerstoff verbrannt wird. Sie erzeugen etwa eineinhalb Tonnen Wasser pro Sekunde und etwa 1000 Tonnen Schub.

Abbildung 4. Start der Raumfähre Atlantis.

Der Aufstieg zum Weltraum mit dem Space Shuttle dauert nur achteinhalb Minuten. Jede Mission hatte ein klar umschriebenes Ziel. Im Laderaum befand sich immer alles, was für die Durchführung der Missionsziele erforderlich war. Alle Missionen waren relativ kurz, gewöhnlich 10, 12 oder höchstens 15 Tage. Für die Crew waren die Einsätze jedesmal sehr, sehr arbeitsreich, denn man wollte die Zeit mit einem 13stündigen Arbeitstag optimal nutzen. Der Flugplan war in 24-Stunden-Abschnitte unterteilt, wobei diese 24 Stunden aus 13 Stunden Arbeit und etwa 6–7 Stunden Schlaf bestand. Der Rest war Freizeit.

Ich selbst hatte das Privileg, an vier Shuttle-Missionen teilzunehmen, darunter zwei Flüge zum Hubble-Teleskop. Ich mag es, wenn man klare Ziele hat: Man fliegt los, arbeitet wie ein Irrer 10, 12, 14 Tage lang und kommt zurück. Wenn alles erfolgreich verlaufen ist – was bei allen Wartungsmissionen zum Hubble der Fall war –, dann ist das eine große Befriedigung für einen selbst und das ganze Team.

In der nächsten Abbildung (Abbildung 5) sieht man die Ladebucht des Shuttle, aufgenommen durch ein Fenster auf der Rückseite des Cockpits. Die Türen der Ladebucht sind geöffnet, man sieht das Heck und die Flügel – die Erde befindet sich 300 oder 400 km unter einem. Man sieht auch den sogenannten „Terminator“, die Tag/Nacht-Grenze auf der Erde. Hier ist Tag, und auf der anderen Seite ist Nacht. Und alle 45 Minuten überquert man den Terminator; man sieht also eine Menge Sonnenaufgänge und eine Menge Sonnenuntergänge. Wer das mag, sollte sich um diesen Job bemühen!

Abbildung 5. Blick vom Cockpit auf die Ladebucht des Space Shuttle mit geöffneter Ladebucht.

Hier ist ein schönes Bild des Space Shuttle, aufgenommen von dem deutschen SPAS-Satelliten während des 7. Shuttle-Fluges 1984 (Abbildung 6). Der Satellit war von der Ladebucht ausgesetzt worden und folgte dem Shuttle. Der Geschwindigkeitsvektor ist im Bild, so daß es so aussieht, als wenn ein Flugzeug mit einem Anstellwinkel von 90 % fliegt, gefolgt vondem kleinen Satelliten. Ein schönes Bild, das auch die visuelle Umgebung zeigt: Der Himmel ist tiefschwarz, solange die Sonne über dem Horizont steht, denn die Augen befinden sich im Tagesmodus und sind nicht empfindlich genug, um die Sterne und Planeten am Himmel zu sehen. Die Erde erscheint in den Hauptfarben Blau und Weiß.

Für alle, die Flugzeuge und Cockpits mögen, ist das ein traumhaftes Bild (Abbildung 7). Auch bei mir kommen da die Emotionen hoch. Das ist der Arbeitsplatz im Cockpit des Space Shuttle – auch eine Demonstration der bemerkenswerten technischen Leistung, welche das Space Shuttle gewesen ist. Es sieht dem Cockpit eines modernen Airliners wie einer Boeing 777 oder eines Airbus 380 sehr ähnlich. In dem Glascockpit ist der Platz des Kommandanten links und der des Kopiloten rechts. Im Vergleich zum Cockpit eines modernen Airliners, das inzwischen ziemlich optimiert ist, ist dieses Cockpit sehr, sehr komplex, mit einer Menge von Schaltern und Unterbrechern an den Seitenwänden und sogar an der Decke des Cockpits. Aber an einem solchen Ort mit so vielen technischen Möglichkeiten läßt es sich wunderbar arbeiten.

Abbildung 6. Das Space Shuttle, aufgenommen von dem deutschen SPAS-Satelliten 1984.

Lassen Sie mich kurz etwas über die ISS sagen, die ebenfalls eine wichtige Errungenschaft ist, denn sie hat Menschen und Nationen zusammengebracht: 16 Nationen arbeiten an dem Programm, die USA, Rußland, Kanada, Japan, 12 Mitgliedsstaaten der ESA, darunter Deutschland und auch die Schweiz. Die ISS hat ein Cluster-Modul in der Mitte und riesige Sonnensegel; die Gesamtgröße entspricht etwa der Fläche eines Fußballfeldes, etwa 100 m für die Träger und 60 m für die Sonnensegel.

Auf der ISS werden Nationen und Menschen zusammengeführt. Bei einem Besuch des Space Shuttle waren einmal 13 Astronauten zusammen: Sechs von der normalen Besatzung der Station, und sieben kamen mit dem Shuttle. Das waren hauptsächlich Amerikaner und Russen, aber auch eine Japanerin und ein Japaner. Derzeit ist ein französischer Astronaut in der Station, Thomas Pesquet, der die ESA vertritt. Und zuvor war Alexander Gerst etwa sechs Monate lang dort. Es gibt also eine Rotation von Leuten aus diesen verschiedenen Nationen, Männer und Frauen. Und das ist ein großer Vorteil der ISS.

Abbildung 7. Das Cockpit des Space Shuttle – ein hochkomplexer Arbeitsplatz.

Die Raumstation hat nicht nur gezeigt, daß der Mensch in der Lage ist, große Strukturen im Weltraum zusammenzubauen und wissenschaftliche Forschung im Weltraum zu betreiben, sondern sie bringt Nationen zusammen, die sich auf der Erde nicht unbedingt verstehen, wie die USA und Rußland. Das ist eine großartige Leistung. Wir vermissen lediglich China, doch ich hoffe, daß auch China eines Tages dabei sein wird, und ich bin sicher, daß dies im nächsten Jahrzehnt passieren wird.

Meine Schritte im Weltraum

Meine eigenen bescheidenen Schritte, die mich in den Weltraum führten, sind diese: Ich habe als Astronom gearbeitet, nachdem ich in Lausanne Physik und in Genf Astrophysik studiert hatte. Ich war außerdem Kampfpilot der Luftwaffe bei der Miliz – eine Teilzeitbeschäftigung neben meiner Tätigkeit als Wissenschaftler. Ich war an interessanten Übungseinsätzen beteiligt, bei denen wir mit einem Hawker Hunter, einem Kampfbomber, von Autobahnen in der Nähe von Brückenüberführungen abhoben – keine ganz gewöhnliche Aufgabe. Bei den Brücken mußte man in der Start- und Landephase natürlich aufpassen. Für mich war das eine wunderbare Lehrstunde in Risikomanagement mit einer Maschine, die nicht ganz einfach zu handhaben ist. Noch heute fliege ich in der Schweiz mit einem zivilen Hawker Hunter. Nachdem dieses Flugzeug 1994 von der [schweizerischen] Luftwaffe außer Dienst gestellt wurde, baute eine Gruppe von Geschwaderpiloten einen zweisitzigen Hunter zu einem Zivilflugzeug um, und wir fliegen heute damit mit Passagieren und beteiligen uns an Flugshows (Abbildung 8). Wir wollen diese Flugzeuge, die über drei Jahrzehnte im Dienst waren, einfach erhalten – und außerdem ist es meiner Ansicht nach ein sehr schönes Flugzeug.

Abbildung 8. Ein privat umgebauter Hawker Hunter der Schweizer Luftwaffe, der heute noch fliegt.

Ich wurde 1978 für die erste Gruppe von ESA-Astronauten ausgewählt, zusammen mit Ulf Merbold aus Deutschland und Wubbo Ockels aus den Niederlanden (Abbildung 9). Die ESA wollte Wissenschaftsastronauten zu dem SpaceLab-Programm beisteuern, das ein europäischer Beitrag für das Shuttle-Programm war. 1980 wurden wir zum Training nach Houston geschickt. Ich selbst blieb am längsten dort, während meine Kollegen nach Europa zurückkehrten, um die erste SpaceLab-Mission vorzubereiten.

Die Hubble-Mission

Abbildung 9. Die drei ersten Astronauten der ESA (v. r. n. l.): Ulf Merbold, Wubbo Ockels und Claude Nicollier.

Ich blieb zurück, um als Missionsspezialist ausgebildet zu werden, wodurch ich das Privileg bekam, an zwei Flügen zur Wartung des Hubble-Weltraumteleskops teilzunehmen – eine Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und Europa. Das Hubble-Weltraumteleskop sollte eine höhere Auflösung haben und schärfere Bilder liefern, als es mit Teleskopen auf der Erde möglich war, die durch die Atmosphäre zwischen dem Instrument und dem Beobachtungsobjekt behindert sind.

Hubble wurde im April 1990 vom Space Shuttle ausgesetzt – hier eine schöne Aufnahme mit dem Roboterarm, der gerade das Teleskop losgelassen hat (Abbildung 10). Man muß sich das so vorstellen: Das Shuttle und Hubble umkreisen die Erde mit 28.000 km/h, wobei sie sich sehr, sehr nahe sind. Man muß also sehr vorsichtig sein mit dem, was man tut, aber alles ging gut. Wir haben ja auch sehr viel am Simulator trainiert, damit Fehler vermieden werden.

Abbildung 10. Aussetzung des Hubble-Weltraumteleskops im April 1990.

Das Teleskop hatte von Anfang an ein Problem, denn der Hauptspiegel hatte einen Fehler, so daß die Bilder nicht ganz scharf und damit unbrauchbar waren. Deswegen wurde es dreieinhalb Jahre nach seiner Aussetzung erforderlich, im Orbit eine Reparatur durchzuführen, um das Problem zu beheben und auch die Solarflügel auszutauschen. Nach meinem ersten Shuttleflug im Sommer 1992 hatte ich die Ehre, als Crewmitglied für den ersten Wartungsflug für Hubble im Dezember 1993 ausgewählt zu werden.

Das war eine großartige Mission. Von meinen vier Einsätzen habe ich diese am meisten in Erinnerung, denn es ging um viel: Die NASA hatte uns zu verstehen gegeben, daß diese Mission unbedingt erfolgreich sein müsse – Scheitern war keine Option. Es war der NASA nämlich sehr peinlich, zusammen mit den Europäern ein 2 Mrd.$ teures Teleskop in den Orbit gebracht zu haben, dessen Primärspiegel Unebenheiten aufwies. Die erste Wartungsmission mußte also das Problem abstellen.

Dieses Bild (Abbildung 11) zeigt den fünften Weltraumspaziergang dieser Mission, als wir uns gerade über Australien befanden. Das Teleskop befindet sich in der Ladebucht, und Story Musgrave hängt am Ende des Roboterarms – und das in einer Höhe von 600 km über der Erde! Zu der Crew dieser Wartungsmission gehörten Story Musgrave, der damals erfahrenste Astronaut der NASA, Kommandeur Dick Covey, Jeff Hoffman, Ken Bowersox, Tom Akers, Katie Thornton und ich. Das sind wunderbare Erinnerungen, und der Einsatz war ein voller Erfolg.

Abbildung 11. Mission zur Reparatur des Hubble-Weltraumteleskops. Story Musgrave, der damals erfahrenste Astronaut der NASA, hängt am Ende des Roboterarms – und das in einer Höhe von 600 km über der Erde!

Wir installierten eine Korrekturoptik, von der wir allerdings erst einige Wochen später erfuhren, ob sie überhaupt funktionierte, denn in der Zeit, wo sich das Teleskop im Shuttle befand, konnten wir keine Aufnahmen von Sternen machen. Wir mußten warten, bis es wieder freigesetzt war und die Abdeckung vom Boden aus geöffnet wurde. Dann mußten vom Bodenteam sämtliche Korrekturen vorgenommen werden, bevor man die ersten Bilder zu sehen bekam. Im Januar 1994 schließlich erfuhren wir, daß das Teleskop tatsächlich repariert war, was für uns natürlich eine große Genugtuung war.

Sechs Jahre später wurde ich zu einer weiteren Wartungsmission eingeteilt; dieses Mal gab es Probleme mit den Gyroskopen, so daß das Teleskop nicht seine richtige Orientierung im Weltraum beibehalten konnte. Wir mußten alle sechs Gyroskope austauschen, den Hauptcomputer und eine Richtkamera ersetzen.

Dieses Mal war ich mit dem Weltraumspaziergang dran. Hierfür haben wir in einem großen Wassertank im Johnson Space Center in Houston trainiert, denn auf diese Weise kann man sehr gut die Schwerelosigkeit simulieren (Abbildung 12). Unter Wasser hat man wegen des Raumanzugs gleichzeitig eine eingeschränkte Beweglichkeit und Sichtweite, und man bewegt sich in Schwerelosigkeit, wo man vor allem auf Aktion und Reaktion achten muß. Sobald man Kraft aufwendet oder ein Drehmoment erzeugt, muß man mit der Hand oder dem Fuß einen festen Halt haben, denn ansonsten dreht man sich selbst mit der festsitzenden Schraube, die man mit seinem Werkzeug lösen will. Das verhält sich im Wasser und im Weltraum ganz genauso, und deshalb ist der Wassertank eine sehr gute Gelegenheit, in einer Umgebung zu trainieren, die der Schwerelosigkeit sehr nahe kommt.

Abbildung 12. Training für die Hubble-Wartungsmission in einem großen Wassertank im Johnson Space Center in Houston, wo sämtliche Handgriffe unter simulierten Weltraumbedingungen geübt werden konnten.

Im Wassertank befand sich ein sehr wirklichkeitsgetreues Modell des Hubble-Teleskops. Wir konnten sogar ins Innere gelangen, um den Austausch der Gyroskope zu üben. Auch die Ladebucht des Shuttle und die Schleuse waren sehr realistisch nachgebaut.

Weltraumspaziergänge sind harte Arbeit. Viele sind der Meinung, bei einem Weltraumspaziergang würde man lediglich die Luke der Luftschleuse öffnen, herausschweben und den Blick auf die Sterne und die Erde genießen. Aber alle Aktivitäten im Weltraum sind wirklich Schwerstarbeit. Es gibt einen genauen Zeitplan, und der muß haargenau eingehalten werden. Wenn man dann aber erreicht, was man wollte, ist das eine große Befriedigung.

Der Weltraumspaziergang [zur Reparatur von Hubble] dauerte immerhin acht Stunden – eine sehr lange Zeit –, wobei sich einige Probleme ergaben: es gelang uns nicht, die Richtkamera im Teleskop zu ersetzen, so daß wir uns mit Hilfe der Bodenkontrolle ein anderes Verfahren ausdenken mußten, um das Ziel zu erreichen. Wir hatten in den Lebenserhaltungssystemen Sauerstoff und Energie für insgesamt etwa achteinhalb Stunden zur Verfügung. Die Außenarbeiten dauerten etwas mehr als acht Stunden; es war also ziemlich knapp, aber es hat funktioniert.

Alle Werkzeuge und Geräte aus der „Werkzeugkiste“ und natürlich auch der Astronaut sind bei jedem Außeneinsatz mit einer Sicherheitsleine verbunden, denn alles, was nicht mit einer solchen Leine gesichert ist, könnte sonst verloren gehen. Deswegen sind vor allem die Astronauten immer mit einem dünnen Stahlseil von etwa 3 mm Durchmesser gesichert. Wenn man somit einmal den Halt verliert und in einen eigenen Orbit gerät, kann man zumindest wieder zum Raumschiff zurückkehren und geht nicht im Weltraum verloren, wo man völlig nutzlos ist.

Atemberaubende Bilder

Einige Bilder, die vom Hubble-Teleskop aufgenommen wurden, zeigen, wie wertvoll dieses Instrument für die Wissenschaft, aber auch für die Öffentlichkeit ist, denn mit diesen Bildern haben wir viel über die Himmelskörper gelernt und auch deren Schönheit bewundert. Der Adler-Nebel in unserer Galaxie (Abbildung 13) besteht aus drei Säulen von Gas und Staub, woraus sich Sterne bilden – das Kinderzimmer für Sterne. Der Pferdekopf-Nebel im Sternbild des Orion (Abbildung 14) ist ein besonders schönes Objekt, das mit Hubble sehr viel detaillierter dargestellt wurde als mit Teleskopen am Boden.

Abbildung 13. Der Adler-Nebel.

Das Hubble Ultra-Deep Field ist ein kleiner Ausschnitt des Himmels ganz groß (Abbildung 15). Dieses Bild ist innerhalb von zehn Tagen entstanden, wobei das Teleskop immer auf die gleiche Stelle im Himmel gerichtet war und so die Sterne und Galaxien eines sehr kleinen Fensters von etwa zwei Bogenminuten erfaßt wurden – das ist 1/15tel des Durchmessers des Vollmondes, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie klein der Ausschnitt ist. Von der Erde aus hat man in diesem Fenster außer ein paar Sternen nichts gesehen. Das Bild ist also extrem aufschlußreich darüber, welch riesige Anzahl von Galaxien es im Universum gibt. Heute schätzt man sie auf über 100 Milliarden! Nach zehn Tagen Belichtung sah man Galaxien, die bis zu mehreren Milliarden Lichtjahre entfernt sind. Man blickt also in die Tiefe des Universums, gleichzeitig aber auch in die Vergangenheit des Universums – ein unglaubliches Ergebnis von Hubble Ultra-Deep Field.

Abbildung 14. Der Pferdekopf-Nebel im Sternbild Orion

Noch einige Worte über die Zukunft: Wir müssen zurück zum Mond. Nach allem, was heute hier gesagt wurde, gibt es keinen Zweifel daran, daß wir entsprechend der Vision von Krafft Ehricke zum Mond zurückkehren werden. Das Apollo-Programm war nur der Beginn eines großen Abenteuers der Menschheit – zum Mond oder auch zum Mars? Wir werden mit menschlichen Raumschiffen mit Sicherheit zu beiden Himmelskörpern fahren. Wahrscheinlich zum Mond vor dem Mars, wo wir auch bleiben werden. Vielleicht bleiben wir auch auf dem Mond, aber in gewisser Hinsicht hat der Mars eine viel angenehmere Umgebung als der Mond. Er hat eine Atmosphäre, und er hat CO2, so daß man das C vom O2 abspalten und viel Sauerstoff erzeugen kann. Wir sind sicher, daß es auf dem Mars Wasser in Eisform gibt; auf dem Mond ist man sich da nicht so sicher. Sicherlich werden wir aber im nächsten Jahrzehnt beide Himmelskörper erforschen und besiedeln.

Abbildung 15. Das Hubble Ultra-Deep Field ist ein kleiner Ausschnitt des Himmels, wobei das Hubble-Teleskop zehn Tage lang immer auf die gleiche Stelle im Himmel gerichtet war und so die Sterne und Galaxien eines sehr kleinen Fensters erfaßt hat.

Gleichzeitig müssen wir uns aber auch um den Planeten Erde kümmern. Zweifellos werden die meisten von uns hier auf unserem Planeten bleiben, und deswegen müssen wir auf ihn aufpassen. Tatsächlich hat ein Großteil der Weltraumprogramme der USA, Rußlands, Chinas oder Europas oder auch anderer Länder wie Indien das Ziel, die Erde zu beobachten, d. h. die Wettersysteme zu verfolgen und die Ressourcen auf der Erde zu lokalisieren. Die Weltraumprogramme helfen uns also dabei, auf den Planeten Erde aufzupassen, wo die meisten von uns weiter leben werden.

Nach 60 Jahren Weltraumforschung lassen sich einige Lehren ziehen: Wir wissen jetzt, daß wir im Weltraum sehr lange Zeit leben und arbeiten können. Als Gagarin damals die Erde einmal umrundete, fürchteten wir um sein Leben, doch jetzt wissen wir, daß wir sehr lange dort oben bleiben können. Es gibt einige physiologische Effekte, aber inzwischen kennen wir Möglichkeiten, ihnen zu begegnen, darunter der Verlust an Knochenmasse und der Abbau des Muskelsystems.

Um erfolgreich zu sein und Risiken zu minimieren, brauchen wir unbedingt klare Ziele, Disziplin und Teamarbeit. Das ist einer der wichtigsten Aspekte der menschlichen Raumfahrt.

Um es noch einmal zu wiederholen: Die Weltraumforschung bringt Nationen und Völker zusammen. Darin liegt ein ungeheures Potential für die technologische und wissenschaftliche Entwicklung, und Hubble ist ein sehr gutes Beispiel hierfür. Und auch das sei noch einmal gesagt: Eine der großen Lehren des Apollo-Programms war, daß man etwas erreichen kann, wenn man es wirklich, wirklich will. Einige Wochen nach Gagarins Weltraumflug schien es unmöglich, innerhalb weniger Jahre zum Mond und zurück zu fliegen, aber es hat geklappt, weil der Wille so stark war!

Die Weltraumforschung und die Besiedelung des Weltraums werden weitergehen. Das war Krafft Ehrickes Vision, und ich teile seinen Traum vollkommen und ehre sein Andenken.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.