Paul Höß: „Würde in diese Technologie mehr investiert, könnte man in etwa fünf Jahren funktionierende Generatoren produzieren.“
Paul Höß ist seit 30 Jahren Geschäftsführer und Komplementär der Paul Höß KG, die Hochleistungskameras für wissenschaftliche Zwecke herstellt. Er hat von 1974 bis 1980 Elektrotechnik und Plasmaphysik an der TU München studiert. Sein Patent für eine Vorrichtung zur filamentierten Hilfsentladung in einem Kleingenerator wurde 2018 genehmigt. Bereits seit 2009 steht Paul Höß im Kontakt mit dem amerikanischen Wissenschaftler Eric J. Lerner, der seit mehr als 15 Jahren die Plasmafokusentladung zum Aufbau eines Kernfusionsgenerators untersucht. Bei der Kernfusion verschmelzen zwei Atomkerne zu einem neuen Kern und erzeugen auf diese Weise Energie. Für diese Reaktion wird ein stabiles Plasma aus bis auf 3000 Millionen °C erhitztem Gas benötigt. Seit 2 Jahren wird diese Temperatur regelmäßig erreicht.
Herr Höß, seit mehr als 100 Jahren wird an der Kernfusion geforscht. Dennoch ist eine kontrollierbare Methode dieser Energiegewinnung oder gar eine wirtschaftliche Nutzbarkeit bislang nicht in Sicht. Woran liegt das?
Höß: Sie beschreiben die nicht ganz ideologiefreie veröffentlichte Meinung. Tatsächlich wird Fusionsforschung erst seit den 1950ern betrieben und finanziell auf extremer Sparflamme gehalten. Die bisher bekannt gewordenen Projekte zur Kernfusion sind hauptsächlich Reaktoren, die auf der Deuterium-Tritium-Reaktion basieren und in der Tokamak-Form gebaut werden. An diesen ringförmigen Fusionsreaktoren, die nach dem Prinzip des magnetischen Plasmaeinschlusses funktionieren, wird ebenfalls seit Mitte des 20. Jahrhunderts gearbeitet. Der Aufbau entspricht in seiner Dimensionierung einem großen Kraftwerk und wird als überaus vielversprechend eingestuft.
Dementsprechend fließt auch der größte Teil der internationalen Investitionen und Forschungen in diese Richtung. Die thermische Isolation kann bei den derzeitigen kleinen Maschinen aber prinzipiell nicht gut genug sein, deshalb werden größere Geräte wie ITER benötigt. China gelingt es vielleicht vor der 100-Jahr-Feier zur Gründung der Volksrepublik China einen ersten Tokamak-Reaktor mit 1000 MW ans Netz zu bringen. Der stabile Betrieb über mehrere Minuten bei 100 Mio. °C ist schon erreicht.
Eine mögliche Alternative zum Tokamak-Prinzip wurde vom US-amerikanischen Wissenschaftler Eric J. Lerner entwickelt. Damit soll die Konstruktion von Kleingeneratoren möglich sein. Inwieweit stimmt das?
Höß: Grundsätzlich geht es zunächst bei der Kernfusion darum, das Plasma trotz der extrem hohen Temperaturen in Form zu halten. Nur durch die dabei entstehenden Kräfte können die Kerne schließlich zur Fusion gezwungen werden. Dem aufwendigen Spiralmagnetfeld des Tokamak setzt Lerner auf Grundlage des sogenannten Dense Plasma Focus ein einfacheres Einschlussprinzip entgegen. Dabei wird eine elektrische Entladung in einem koaxialen Elektrodenpaar genutzt, um die Kompression des Plasmas mit ausreichend elektrischer Energie zu erreichen. Das führt dann zu sehr hohen Temperaturen von bis zu 3 Mrd. °C, die einen Plasmadruck von einigen Gigabar bewirken. So entsteht ein Plasmakanal, in dessen Mitte über 1 Mio. Ampere auf nur 10 Mikrometer Durchmesser fließen.
2018 haben Sie ein Patent angemeldet, mit dem Lerners Konzept entscheidend verbessert werden soll. Was bewirkt Ihre Idee?
Höß: Bisher nutzt Lerner zum Start der Entladung lediglich einen einzelnen Lichtbogen, der unkontrolliert an unterschiedlichen Positionen im Gefäß entsteht. Wenn es hierdurch allerdings auch nur geringfügige Schwankungen im Durchmesser der Plasmasäule gibt, entsteht eine kritische Instabilität: Die veränderte Stromdichte führt zu einem teilweise verstärkten Magnetfeld, das die Plasmasäule komprimiert – die Entladung bricht vorzeitig zusammen. Mit der von mir entwickelten Ergänzung von mehreren Hilfselektroden in Form von äußeren Zusatzdrähten entsteht eine glimmende Vorentladung, die notwendige Plasmakanäle vorbereitet. So gelingt ein symmetrischer Aufbau des Plasmas und alles bleibt stabil.
Es wird nach wie vor behauptet, eine wirtschaftlich effiziente Kernfusion als Energiequelle werde wohl nie möglich sein und das in diese Technologie investierte Geld sei verschwendet. Sehen Sie realistische Chancen für die wirtschaftliche Nutzung von Kernfusion?
Höß: Diese Behauptungen werden üblicherweise von Leuten vorgebracht, die von Kernfusion nicht die geringste Ahnung haben. Aus meiner Sicht erscheint es bisher zu einseitig, dass die exorbitant hohen Investitionen in die Kernfusionstechnologie größtenteils für Tokamak-Projekte unternommen werden. Denn es handelt sich dabei erst einmal nur um Einrichtungen zur Grundlagenforschung. Damit ist zunächst keine wirtschaftliche Nutzung geplant und auch in absehbarer Zeit nicht denkbar. So ein Tokamak-Reaktor ist allerdings ein Bauwerk auf der Fläche mehrerer Fußballplätze und der Betrieb extrem kostspielig.
Im Unterschied dazu hat Lerner bislang in Summe über 15 Jahre nur etwa 0,007 Mrd. US-Dollar investiert. Da die Kosten für eine Beteiligung überaus gering sind, können wir auch als kleine Firma hilfreiche Forschungsbeiträge erbringen. Mit der Idee Lerners ließe sich grundsätzlich auch ein Kleingenerator in der Größe eines Dieselmotors realisieren – ein Zylinder, 10 cm Durchmesser, 10 cm Höhe, 700 cm3 Hubraum, der Strom in der Größenordnung von 5000 kW erzeugen könnte. Ich nenne es Kleingenerator, weil diese Anordnung unmittelbar Strom produziert und nicht nur energetisch niederwertige Wärme. Für den Betrieb etwa eines ICE 3 ist das vollkommen ausreichend.
Würde in diese Technologie mehr investiert, könnte man in etwa fünf Jahren funktionierende Generatoren produzieren. Wenn man die Kosten, wie bei einem Windrad auf 20 Jahre umlegt, würde der Strom etwa 0,5 ct/kWh kosten. Das wäre auf jeden Fall ein recht wünschenswerter Durchbruch für eine funktionierende und vor allem preisgünstige und transportable alternative Energieversorgung. Beispielsweise könnte die Elektrifizierung des afrikanischen Kontinents wirtschaftlich günstig und verbrauchsnah erfolgen, denn es wäre kein vorab existentes Hochspannungsnetz notwendig.