Aufruf zu einem internationalen Crashprogramm

Der Übergang zur Kernfusionswirtschaft


Wir sind an den Punkt gelangt, wo die Fähigkeit, sich die Kräfte der Sonne nutzbar zu machen, für den Menschen nicht nur in greifbare Nähe rückt, sondern auch für seine weitere Existenz unverzichtbar ist.

Wir müssen in einer internationalen Anstrengung alle unsere kreativen Fähigkeiten und materiellen Ressourcen aufbieten, um auf dem Gebiet thermonuklearer Prozesse die entscheidenden Durchbrüche zu erreichen. Das ist der inzwischen überfällige nächste Schritt im Prozeß der willentlichen Evolution des Menschen, die schon viele erfolgreiche Übergänge durchlaufen hat: von einer Gesellschaft der Holzverbrennung zu einer kohlebasierten Ökonomie, gefolgt von Öl und Gas bis hin zu dem höheren Potential der Kernspaltung.

Durch die Steigerung der Energieflußdichte in der Wirtschaft, wie sie der amerikanische Ökonom Lyndon LaRouche definiert hat, können wir Prozesse mit einer höheren Durchflußleistung pro Flächeneinheit in den Griff bekommen, die bei einer Vielzahl von Technologien, Infrastrukturprojekten und Produktionsmethoden Anwendung finden. In der Kernfusionswirtschaft steht uns fast unbegrenzt Energie zur Verfügung, weil der Fusionsbrennstoff in einem Liter Meerwasser soviel Energie enthält wie 300 Liter Erdöl.

Es geht aber um noch mehr als nur um unerschöpfliche Energie. Mit der Fusionswirtschaft betritt die Menschheit die Welt der „Physik hoher Energiedichten”1, mit thermonuklearen Reaktionen und Plasmen bei Energiedichten in der Größenordnung von 1011 Joules pro cm3 das Milliardenfache der Energiedichte einer Handybatterie und der dynamischen Wechselwirkung zwischen Plasmen, Lasern, Kernfusion und Antimaterie-Reaktionen. Zum Beispiel können ultrastarke Petawattlaser extrem kurze Laserlichtpulse erzeugen, die in diesem Moment tausendmal mehr Energie enthalten, als durch das gesamte amerikanische Stromnetz fließt.

Diese neue Plattform verschafft uns eine Vielzahl fusionsbasierter Technologien und Versuchsansätze, von Hochleistungslasern über Teilchenbeschleuniger und Hochtemperatur-Plasmageneratoren bis zu Explosionen mit gerichteter Energie, die alle auf dynamischen Beziehungen beruhen und sich gegenseitig so ergänzen, daß das gesamte Wirtschaftssystem der Menschheit völlig verwandelt wird und alle Befürchtungen vor einem Mangel an Energie oder Ressourcen verschwindet. Angesichts der gegenwärtigen weltweiten Krise ist dies eine absolute Notwendigkeit und erfordert ein globales Crashprogramm, vergleichbar mit dem Manhattan-Projekt oder dem Apollo-Projekt, aber diesmal auf weltweiter Ebene.

Grafik Fusion
Vier mögliche Finanzierungswege für den Bau eines Fusionsreaktors (Magneteinschlußverfahren) seit 1976 (in Milliarden Dollar, auf den Wert von 2012 umgerechnet), im Vergleich zum Finanzierungsniveau von 1978 und den seither tatsächlich eingesetzten Mitteln. Die tatsächliche Finanzierung lag unter allen Projektionen, selbst noch unter einem gleichbleibenden Finanzierungsniveau von 1978, das bereits viel zu gering war, um die erforderlichen Durchbrüche zu erreichen. Quelle: Graphikdesign von Geoffrey M. Olynyk, unter Berücksichtigung von Hochrechnungen der U.S. Energy Research and Development Administration, 1976, ”Fusion power by magnetic confinement: Program Plan”, S. O. Dean.

Die komplette Transformation der Wirtschaft wird einige Zeit in Anspruch nehmen, aber bestimmte Fusionstechnologien können schon in relativ kurzer Zeit großen wirtschaftlichen Nutzen bringen.

Schon zu Beginn des Kernfusionszeitalters forderten Visionäre wie Dr. Edward Teller, der das Lawrence Livermore National Laboratory mitgründete und sich für die Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) stark machte, die ungeheuren Energiedichten von Kernfusionsreaktionen für friedliche Nuklearexplosionen (FNEs) zu nutzen. Es ist nachgewiesen worden, daß dies den Bau von Kanälen und neuen Häfen, den Bergbau, die Grundwassernutzung, den Tunnelbau und andere Infrastrukturprojekte, die viel Erdbewegung erfordern, revolutionieren könnte. Schon heute könnten FNE-Techniken so verbessert und eingesetzt werden, daß Großprojekte wie NAWAPA-21 sich viel schneller und billiger verwirklichen lassen.

Bei der Material- und Rohstoffverarbeitung kann man mit der Plasmafackel, die mit Temperaturen unterhalb des Fusionsplasmas betrieben wird, viele Stoffe in ihre Ausgangselemente und Isotope zerlegen und trennen, was zur Folge hat, daß chemische und nukleare „Abfälle” zu wertvollen Rohstoffen wiederverarbeitet werden können. Solche Plasmafackeln können ein Wegbereiter der Nutzung der höheren Energiedichten sein, die mit einer sich selbsterhaltenden Fusionsreaktion erreichbar wären. Dann könnte man theoretisch aus einem beliebigen Kubikkilometer Erdboden das Vielfache des jährlichen Bedarfs an Eisen, Kupfer, Aluminium und anderen Rohstoffen gewinnen und alle wertvollen Stoffe aus Mülldeponien wiederaufbereiten.

Über die Trennung und Konzentrierung von Rohstoffen hinaus ermöglichte eine Kernfusionsökonomie die Herstellung völlig neuer Stoffe mit neuen Eigenschaften und sogar die Umwandlung eines Elementes in ein anderes. Es wurde bereits nachgewiesen, daß man mit Petawattlasern Gold in Platin verwandeln kann, und zukünftige Transmutationsanwendungen versprechen ein noch größeres Potential. So beweist die Fusionswirtschaft über jeden Zweifel erhaben, daß es für eine sich ständig weiterentwikkelnde Menschheit keinen Rohstoffmangel und keine Grenzen des Wachstums gibt.

Es wird zwar bei einigen dieser Anwendungen eine Generation oder länger dauern, bis sie auf breiter Basis umgesetzt sind, aber die Voraussetzung für ihre zukünftige Einführung ist, daß wir jetzt mit der Arbeit beginnen und die ersten Schritte zu einer Kernfusionswirtschaft sind näher, als man meinen sollte.

1. Aufruf für ein internationales Manhattan-Projekt

Der schleppende Verlauf der Fusionsforschung in den letzten 40 Jahren ist eine Folge politischer Entscheidungen, nicht wissenschaftlicher Unmöglichkeiten. Zum Beispiel hatte der US-Kongreß 1980 das vom Abgeordneten Michael McCormack eingebrachte „Gesetz zur Entwicklung der Magnetfusion” verabschiedet, das umfangreiche Investitionen in die Kernfusion und den Bau eines Reaktor-Prototypen bis zum Jahr 2000 vorsah. Zu diesen Durchbrüchen ist es jedoch nicht gekommen, da die Gelder für dieses Programm nie bewilligt wurden, wie die nebenstehende Graphik über die verschiedenen Budgetansätze zeigt.

Die Herausforderung heute ist somit ebenso eine politische wie eine wissenschaftliche. Es muß eine klare Entscheidung geben, daß die Fusionsökonomie entwickeln werden soll. Mit dieser Entschlossenheit und mit der vollen finanziellen und anderen Unterstützung maßgeblicher Regierungen kann ein internationales Crash-Programm zum Erfolg führen.

Fusionswissenschaftler aus aller Welt (und besonders die noch lebenden Veteranen der Fusionsforschung seit den 60er Jahren) müssen zusammengezogen werden, um einen geeigneten Plan für ein ernsthaftes Sofortprogramm zu erarbeiten. Der Zweck eines solchen Wissenschaftlertreffens liegt auf der Hand: Buchhalter und Bürokraten bleiben außen vor und die Forscher haben freie Hand, um aus ihrer professionellen Sicht festzulegen, was zu tun ist. Alle Optionen müssen auf den Tisch, auch die alternativen Fusionsreaktorentwürfe, die aus politischen oder Kostengründen eingestellt wurden.

Wenn alle wissenschaftlichen und technischen Überlegungen auf dem Tisch liegen, kann sofort ein internationales Crashprogramm beginnen, in dem mit Unterstützung bestehender Wissenschaftseinrichtungen wie der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die Forschungsressourcen der Vereinigten Staaten, Rußlands, Europas, Chinas, Japans, Südkoreas und anderer Länder kombiniert werden.

Während dieses neue Programm entworfen und umgesetzt wird, können bestehende Fusionsprojekte wie der International Thermonuclear Experimental Reaktor (ITER), dessen Bau sich wegen Budgetkürzungen und schlechter Koordinierung verzögert hat, aufgestockt und beschleunigt werden.

In den USA muß man die drastischen Kürzungen der Regierung Obama im Fusionsbudget rückgängig machen und die bestehenden Fusionsprogramme massiv ausweiten. Dazu gehören insbesondere der Alcator C-Mod am MIT, an dem die meisten Studenten im Fachgebiet der Kernfusion ausgebildet werden, sowie eine ausgeweitete Fusionsforschung an verschiedenen nationalen Laboratorien, Universitäten und Privatfirmen.

Andere Länder können ihre Programme ebenfalls beschleunigen, so beispielsweise China mit seinem Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST), Südkorea mit dem Superconducting Tokamak Reactor (K-STAR), das gemeinsame russisch-italienische IGNITOR-Projekt und Deutschland mit dem Stellarator-Projekt in Greifswald.

Das sind nur einige Beispiele für laufende Experimente. In Hinsicht auf eine offene internationale Forschungsanstrengung muß eine vollständige Übersicht über die derzeit laufenden Programme und über frühere Vorschläge erstellt werden. Erst dann kann man eine Auswahl treffen, welche neuen Demonstrations- und Versuchsanlagen gebaut werden sollen.

Eine Kernfusionsökonomie wird in der Zukunft praktisch unbegrenzt elektrischen Strom liefern, aber das ist bei weitem nicht der einzige Nutzen. Die internationalen Forschungsanstrengungen werden sich auch darauf richten, die großen Energiedichten und besonderen physikalischen Eigenschaften von Fusionsplasmen für die Produktion, etwa für die industrielle Materialverarbeitung, nutzbar zu machen. Einfach ausgedrückt: Die Fusionswirtschaft revolutioniert die Beziehung des Menschen zu den Elementen des Periodensystems und dem, was man gemeinhin „Rohstoffe” nennt.

2. Industrielle Fusionstechnologien

Mit der Kernfusion kann man Plasmatemperaturen von mehreren Zehn- bis über Hundertmillionen Grad erzeugen. Bei diesen Temperaturen läßt sich leicht jeder bekannte Stoff in seine Einzelbestandteile zerlegen. Bestimmte Niedrigtemperaturplasmen (von mehreren zehntausend Grad) werden heute bereits in bestimmten Industriebereichen verwendet, und ihr Einsatz muß erweitert werden. Zum Beispiel verwendet man in der Schweißtechnik und der Herstellung von Spezialstählen sogenannte „Lichtbogenplasmen”, und mit einem Plasmatrennverfahren lassen sich bestimmte Isotope für medizinische und andere Anwendungen isolieren. Solche Niedrigtemperaturplasmen entfalten zwar noch nicht das volle Potential, das mit einem Fusionsreaktor erreicht werden kann, lassen aber erahnen, was möglich wird, wenn die Menschheit kontrollierte thermonukleare Prozesse als Grundlage für ihre wirtschaftliche Plattform nutzen kann.

Wenn wir heute die Anwendung von Plasmatechnologien ausweiten, dient dies dazu,

  1. unser Wissen über das Verhalten von Plasmen insgesamt zu verbessern,
  2. bessere Techniken zu ihrer Beherrschung und Anwendung zu finden,
  3. eine neue Generation von Wissenschaftlern und Facharbeitern für die Arbeit mit Plasmen und fusionsverwandten Technologien auszubilden und
  4. Spezialwerkstoffe herzustellen, die den Anforderungen in einem Fusionsreaktor genügen – so können heutige Produktivitätsfortschritte die Realisierung der Kernfusion beschleunigen.

2.1 Die Fusionsfackel

Bei der „Fusionsfackel”, deren erster Entwurf 1969 von Bernard Eastlund und William Gough von der US-Atomenergiekommission vorgelegt wurde, kommt ein aus dem Fusionsreaktor ausgeleitetes ultraheißes Plasma zum Einsatz, das praktisch jeden Ausgangsstoff (Magererz, nicht mehr nutzbare Spaltprodukte, Meerwasser, Abfall aus Mülldeponien usw.) in seine Bestandteile zerlegt. Sobald die Ausgangsstoffe in das Plasma eingebracht werden, zerfallen die Elemente in Elektronen und Ionen, und die gewünschten Elemente (oder Isotope) können entsprechend ihrer Atomzahl oder -masse abgetrennt werden, wodurch „Lagerstätten” reiner, neu synthetisierter „Rohstoffe” entstehen. Zur Verdeutlichung sei angemerkt: Jeder Kubikkilometer Erde enthält im Schnitt etwa das 200fache der jährlichen Aluminiumproduktion der USA, das 8fache der Eisenproduktion, das 100fache von Zinn und das 6fache von Zink; die meisten Stoffe liegen nicht in konzentrierter Form vor, so daß mit herkömmlichen Methoden kein lohnender Abbau möglich ist.2

Von links wird ein mit Hilfe von Magnetfeldern gesteuertes Plasma vom Fusionsreaktor zugeleitet, dem in der Reaktionskammer feste Abfallstoffe (Magererz, nicht mehr nutzbare Spaltprodukte, Meerwasser, Abfall aus Mülldeponien usw.) zugeführt werden, die durch das Plasma erhitzt und in den Plasmazustand versetzt werden. Das entstehende Hochtemperaturplasma wird dann weitergeleitet, und seine verschiedenen Bestandteile werden voneinander getrennt.

Selbst mit der Fusionsfackel wird es wohl kaum erforderlich sein, irgendwelche beliebigen Erdklumpen auszubeuten, das Beispiel soll nur zeigen, wie reich die verfügbaren Ressourcen sind, wenn wir zu energiedichteren Verarbeitungstechniken übergehen. Magererze und Lagerstätten geringer Konzentration (deren Abbau sich derzeit nicht lohnt) werden plötzlich zu leicht verfügbaren Ressourcen. Erde wird zu Erz. Schrott, in dem bereits konzentrierte Stoffe enthalten sind, läßt sich auch zu wertvollen neuen Ausgangsstoffen wiederaufarbeiten. Mülldeponien, in denen ungeordnet nahezu alle Elemente lagern, werden zu potentiell sehr wertvollen Fundgruben für Stoffe, die lediglich neu verarbeitet werden müssen. Eastlund und Gough zufolge wird die Fusionsfackel nach der kommerziellen Einführung von Fusionsreaktoren zu einer effizienten Methode, um sämtliche Rohstoffe für die Deckung des industriellen und anderen Bedarfs zu erzeugen.

Noch bevor sich selbst erhaltende Fusionsreaktionen beherrschbar werden, lassen sich mit Hilfe heutiger Technik bereits Hochtemperaturplasmen erzeugen. In den 80er Jahren hatte sich die Firma TRW den kommerziellen Einsatz einer Plasmafackel patentieren lassen, die in der Lage war, verbrauchten Kernbrennstoff wiederaufzuarbeiten und wertvolle Isotope zurückzugewinnen.3 Schon damals war das, was viele heute noch „Atommüll” oder „Chemieabfall” nennen, bei Anwendung verfügbarer Verarbeitungsverfahren eine potentielle Ressource geworden.

Über den Zugriff auf bestehende Ressourcen hinaus bietet die Möglichkeit, bestimmte Verhältnisse von Isotopen und Elementen auszuwählen und in erheblichen Mengen zu erzeugen, die Voraussetzungen für eine Revolution in der Qualität und den Eigenschaften von Stoffen. Spezialstähle können beispielsweise isotopisch angepaßt werden, wodurch sie bei extremen Temperaturen in der Industrie, in Fusionsreaktoren oder der Raumfahrt höchsten Belastungen widerstehen können.

Angebliche Krisen aufgrund „begrenzter Ressourcen” kommen mit der Fusionsfackel in einer Kernfusionsökonomie nicht mehr vor.

2.2 Chemische Prozesse

Ein weiteres Anwendungsgebiet für die Fusionsfackel ist die Umwandlung von Plasmaenergie in ein Strahlungsfeld zur Verarbeitung von industriellen Materialien und Chemikalien.

Wenn man geringe Mengen ausgewählter Stoffe in die Fusionsfackel einbringt, läßt sich durch die Anpassung der Menge und Art des gewählten Stoffes die Emissionsfrequenz und Strahlungsintensität sehr präzise steuern. Anders als mit einem Niedrigtemperaturplasma ist es mit einem Fusionsplasma möglich, die Energie innerhalb spezifischer, enger Bandbreiten des Spektrums zu maximieren.4 Diese Strahlung kann dann über ein „Fenstermaterial” auf eine Flüssigkeit oder einen anderen Festkörper übertragen werden. Da die Strahlungsfrequenz auf das zu verarbeitende Material abgestimmt werden kann, lassen sich die Grenzen bei der Massenverarbeitung, die bisher wegen der beschränkten Wärmeübertragung an der Oberfläche existieren, weitgehend überwinden. Beispielsweise könnte man Ultraviolettstrahlung zur industriellen Prozeß- und Trinkwasseraufbereitung erzeugen.5

Die Neutronen aus der Fusionsreaktion kann man zur direkten oder indirekten Erwärmung von Prozeßstoffen auf Temperaturen von 1000 °C bis über 3000 °C benutzen.6 Man kann sie aber auch selbst verwenden oder mit Hilfe eines Blanketmaterials in hochenergetische Gammastrahlen zur Katalyse chemischer Reaktionen verwandeln, d. h. die Fusionsenergie wird direkt in chemische Energie konvertiert. Auf diese Weise ließe sich die Effizienz der Herstellung von Industriechemikalien, die große Hitze oder hohe Aktivierungsenergien brauchen, wie Wasserstoff, Ozon, Kohlenmonoxid oder Methansäure, erheblich vergrößern. Diese größere Kontrolle über die Verarbeitung von Stoffen und Chemikalien eröffnet einen Produktionsumfang, wie er bisher nicht möglich war.

Der Einsatz von Hochtemperaturplasmen schafft eine völlige Transformation in Qualität und Quantität verfügbarer Ressourcen. Wie Eastlund und Gough bereits 1969 feststellten: „Die Vision ist da; ihre Erreichung scheint von der Natur nicht blockiert zu werden. Ihre Umsetzung hängt vom Willen und dem Verlangen von Menschen ab, dafür zu sorgen, daß sie Wirklichkeit wird.”

Fusionsmachinen weltweit

3. Magnetohydrodynamik (MHD) für die direkte Konversion

Um aus Fusionsenergie elektrischen Strom zu erzeugen, muß die Wissenschaft der Magnetohydrodynamik (MHD) wiederaufgegriffen und weiterentwickelt werden – eine Technik, die sich praktisch mit Hilfe jeder beliebigen Energiequelle betreiben läßt, um direkt aus einem Hochtemperaturplasma Strom zu erzeugen. Im Zuge „direkter Konversion” entfällt die Notwendigkeit großer Dampfturbinen, und zudem läßt sich dadurch die Menge an Strom, die pro Einheit des verwendeten Brennstoffs erzeugt wird, potentiell verdoppeln.

In den 80er Jahren arbeitete man an der Entwicklung einiger Grundtechniken des MHD-Verfahrens: in den USA an Systemen mit Kohlefeuerung, in der Sowjetunion mit Erdgasanlagen und in Japan mit Erdöl. Heute sollte das Ziel sein, MHD auf die Kernfusion anzuwenden, wobei parallel dazu auch über den Einsatz bei der Kernspaltung nachgedacht werden sollte.

Das Grundprinzip der MHD-Konversion besteht darin, ein Hochtemperaturplasma durch ein Magnetfeld zu leiten. Das Magnetfeld erzeugt im Plasma einen elektrischen Strom, der über Elektroden entlang des Durchflusses des Plasmas abgeleitet wird. Dabei sind praktisch keine beweglichen Teile im Spiel, da sich das Plasma selbst durch das Magnetfeld bewegt. In einem herkömmlichen Kraftwerk (Kohle oder Kernkraft) werden nur 30–40 % der vom Brennstoff freigesetzten Energie in Elektrizität umgewandelt, indem Dampf erzeugt wird, der eine Turbine antreibt.

Die restliche Energie geht als „Abwärme” verloren (was den Wirkungsgrad eines Kraftwerks definiert).

Durch direkte Konversion in MHD-Systemen läßt sich die Stromerzeugung nahezu verdoppeln, ohne daß die Brennstoffmenge verändert werden muß. Der Wirkungsgrad einfacher MHD-Systeme von 50 % läßt sich auf 60 % steigern, wenn man noch eine Dampfturbine nachschaltet, um die Restwärme zu nutzen.

Das sind keineswegs nur theoretische Konzeptionen. Ende der 70er Jahre hatten Forscher des Argonne National Laboratory mit nuklear getriebenen MHD-Systemen bereits einen Wirkungsgrad von 60 % erreicht, und sie rechneten damit, mit zukünftigen Entwicklungen sogar 80 % zu erreichen.7

Trotz dieser begeisternden Studien und Ergebnisse wurden die ernsthaften Forschungsanstrengungen zur direkten MHD-Konversion in den 80er Jahren eingestellt – genauso wie andere vielversprechende Projekte.

Hohlraumreaktor
Nuklearer Hohlraumreaktor mit MHD-Konversion. In diesem einfachen Schema eines extern moderierten oder Hohlraumreaktors aus dem Jahr 1968 dienen Abgase aus dem Kernspaltungsprozeß (links) in einem geschlossenen Kreislauf als Arbeitsmedium für die direkte MHD-Konversion. Das Grundprinzip der MHD-Konversion besteht darin, ein Hochtemperaturplasma durch ein Magnetfeld (Bildmitte oben) zu leiten. Das Magnetfeld erzeugt im Plasma einen elektrischen Strom, der über Elektroden entlang des Durchflusses des Plasmas abgeleitet wird. Dabei sind praktisch keine beweglichen Teile im Spiel, da sich das Plasma selbst durch das Magnetfeld bewegt. Im abgebildeten Konzept wird die Wärme des Austrittsplasmas (rechts) noch zum Betrieb einer Dampfturbine genutzt. Der Entwurf sieht auch die Wiederverwendung von Kernbrennstoff (unten) vor.

MHD muß für die Energieerzeugung mit Kernfusion (und für mögliche Anwendungen zur besseren Nutzung der Kernspaltung) wieder aufgegriffen werden. Unter Verwendung von Fusionsbrennstoffen wie Deuterium und Helium-3 in Magneteinschlußsystemen können die geladenen Teilchen nach erfolgter Fusion beständig durch ein Magnetfeld strömen, um direkt Strom bei Wirkungsgraden von 70 % zu erzeugen.8

4. Pflugscharen und die Technik von Kernexplosionen

Eine wichtige und relativ kurzfristig verfügbare Anwendung der thermonuklearen Energie wäre die friedliche Nutzung von Kernexplosionen (FNEs) für große Erdbewegungen. Darauf bezog sich bereits das amerikanische Pflugschar-Programm (U.S. Plowshare Program) der 1960er und 1970er Jahre, dessen Name auf dem Buch Jesaja beruhte: „Er spricht Recht im Streit der Völker, / er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern / und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, / und übt nicht mehr für den Krieg.”9

Den Verfassern des vorliegenden Berichts sind zwar keine detaillierten Pläne bekannt, daß bei dem NAWAPA-Projekt nukleare Sprengungen vorgesehen waren, doch hatte Ralph Parsons, der Chef der Firma, die NAWAPA ursprünglich plante, 1968 diese Frage in einem Brief an den damaligen US-Senator Frank Moss angesprochen.10

Solche Überlegungen müssen heute erneut aufgegriffen werden, um den Bau von NAWAPA-21 und ähnlichen Projekten zu beschleunigen.

Um mit Hilfe des NAWAPA-Projekts etwas von dem überreichlichen Wasser im Norden des amerikanischen Kontinents in die wasserarmen Regionen (zwischen Mississippi und Pazifikküste und zwischen den kanadischen Prärien und Nordmexiko) zu leiten, müssen ungeheure Mengen Erde bewegt werden: 20,5 Mrd. Kubikmeter oder 20,5 Kubikkilometer, darunter 39 Tunnel mit einer Gesamtlänge von über 2000 km und Kanäle von über 9000 km Länge. FNEs könnten für den Bau dieser Tunnel und Kanäle, für die Verbreiterung oder Vertiefung von Flüssen und Stauseen und selbst für den Bau neuer Tiefseehäfen Verwendung finden. Mit friedlichen nuklearen und thermonuklearen Explosionen kann Gelände geformt werden, was mit herkömmlichen Methoden schwierig oder unmöglich wäre, wodurch sich Bauzeit und Kosten drastisch senken ließen.

In einem Informationsfilm der Atomenergiekommission aus den 60er Jahren über Plowshare wird gezeigt, daß ein Kernsprengsatz von 10 Kilotonnen damals in ein Rohr von 90 cm Länge und 40 cm Durchmesser gepaßt hätte. Um eine entsprechende Energiemenge mit konventionellem Sprengstoff freizusetzen, bräuchte man 10.000 Tonnen TNT (deswegen auch die Angabe „10 Kilotonnen” für die Wirkung eines Kernsprengsatzes), das ein Rohr von 61 m Länge und 11 m Durchmesser bildete – das ist ungefähr das Verhältnis zwischen 36 Kleinlastwagen und einem Stuhl.

Im Laufe von zwei Jahrzehnten wurden bei dem Pflugschar-Programm 27 nukleare Testexplosionen durchgeführt, und es wurden zahlreiche Projekte vorgeschlagen, die mit dieser Technik realisiert werden könnten – von der Anlage eines künstlichen Hafens in Alaska bis zum Bau eines zweiten Panamakanals. Beim zweiten Panamakanal zeigten Berechnungen, daß sich die Kosten dafür mit Hilfe von FNEs um eine ganze Größenordnung senken ließen.11 Das Ganze war auch ein Ausdruck des allgemeinen Optimismus hinter dem Programm „Atome für den Frieden”, das Präsident Eisenhower begründet und Präsident Kennedy gefördert hatte. Das offizielle US-Programm endete zwar in den 70er Jahren, aber über das Konzept wurde weiter diskutiert. Ein weiteres Beispiel für einen sinnvollen Einsatz von FNEs ist ein Projekt, das derzeit wieder vermehrt im Gespräch ist: Der Bau des Kra-Kanals durch das südliche Thailand, wodurch für die Schiffahrt eine Alternativroute zu der überlasteten Straße von Malakka entstünde. (Lesen Sie dazu bitte auch den nebenstehenden Kasten.) Der Bau wäre zwar auch mit konventionellen Methoden möglich, aber das Projekt hat das Interesse von Wissenschaftlern des Lawrence Livermore-Labors geweckt, die Erdbewegungen mit FNEs zu bewältigen. Um in diesem Zusammenhang Befürchtungen über eine mögliche Strahlenfreisetzung zu zerstreuen, hatte der Kernphysiker Dr. Edward Teller einmal erklärt, wenn der Kra-Kanal mit Hilfe von FNEs gebaut würde, würde er mit seiner ganzen Familie nach Thailand ziehen.

Die ersten Plowshare-Tests hatten noch in der Anfangsphase von nuklearen und thermonuklearen Techniken stattgefunden, doch boten sie die Möglichkeit, herauszufinden, wie man die Strahlungsfreisetzung durch die Explosion verhindern könnte. Am Ende des Programms waren sich die beteiligten Wissenschaftler sicher, daß das größte Sicherheitsrisiko von PNEs das gleiche wäre wie bei konventionellen Sprengungen: Bodenerschütterung, Luftstöße, Staubwolken usw., aber nicht die Strahlung.

Wenn das FNE-Programm heute wieder aufgegriffen wird, ist aufgrund der neuen Technologien absolut sicher, daß die Strahlung dabei keinerlei Problem sein wird. Außerdem ist zu erwarten, daß man thermonukleare Explosionen bald mit „nichtnuklearen Zündern” auslösen kann. Derzeit braucht man für Fusionsexplosionen eine nukleare Reaktion, um die Fusion in Gang zu bringen, d. h. bei der Explosion fallen Spaltprodukte an (die aber unter Kontrolle gehalten werden können).12 Man kann jedoch Fusionsreaktionen auch mit anderen Methoden auslösen, etwa mit dem Trägheitseinschluß (beispielsweise mit Lasern) oder sogar mit kleinen Mengen Antimaterie.

Der Anbruch des Fusionszeitalters

Die Fusionswirtschaft ist viel mehr als die Anwendung einer neuartigen Energieerzeugung in der Wirtschaft, wie wir sie heute kennen.

Die gesamte Geschichte der Menschheitsentwicklung zeichnet sich dadurch aus, daß immer wieder neue Wirtschaftssysteme mit einer neuen Rohstoffbasis und neuen technischen Möglichkeiten geschaffen wurden – eine Abfolge qualitativer Veränderungen infolge von Sprüngen in der technisch möglichen Höhe der Energieflußdichte. Dies ist der klarste Ausdruck der besonderen schöpferischen Fähigkeiten, die den Menschen von den Tieren unterscheiden.

Hinter den größten wirtschaftlichen Revolutionen stand immer ein Übergang zu qualitativ höheren Energiequellen. Die Kernfusion ist für die Menschheit heute unerläßlich. Wenn wir heute beginnen, können wir im Laufe von zwei Generationen den Energie- und Rohstoffbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung befriedigen, und die Menschheit befände sich auf dem Weg in eine Zukunft, die unserer wahren, schöpferischen Natur entspricht.

Fußnote(n)

  1. Siehe zum Beispiel “Frontiers in High Energy Density Physics”, Committee on High Energy Density Plasma Physics, Plasma Science Committee,
    National Research Council, 2003: nap.edu/catalog.php?record_id=10544[]
  2. Siehe “The Fusion Torch: Creating New Raw Materials for the 21st Century”, 21st Century Science & Technology, Fall–Winter 2006.[]
  3. Siehe “Plasma Separation Process for Generic Isotope Separation”, Steven N. Suchard, in: 1983 Waste Management Symposia, sowie “The Status of the Isotope Separation by PSP”, Yuri A. Muromkin,
    February 2013, Journal of Energy and Power Engineering.[]
  4. “The Fusion Torch: Closing the Cycle from Use to Reuse,” Eastlund and Gough, 1969.[]
  5. Die Absorptionstiefe von UV-Strahlung ist etwa 1 m. Mit der Fusionsfackel läßt sich ein UV-Energiefluß in der Größe von Megawatt pro m2 erzeugen und mit sehr geringen Verlusten auf das Wasser übertragen, was eine bisher nicht mögliche Mengenverarbeitung erlaubt.[]
  6. “A Survey of Applications of Fusion Power Technology for the Chemical and Material Processing Industries”, Steinberg, Beller und Powell, Energy Sources, 1978.[]
  7. Siehe Marsha Freeman, “Magnetohydrodynamics: Doubling Energy Efficiency by Direct Conversion”, Fusion, April 1980.[]
  8. Siehe “Direct Energy Conversion in Fusion Reactors”, von Ralph W. Moir, Energy Technology Handbook, McGraw Hill, 1977, S. 5150–5154.[]
  9. Jesaja 2:4.[]
  10. In einem Brief vom 10. Mai 1968 an Senator Frank Moss, in dem es um NAWAPA ging, schrieb Ralph Parsons: „In den letzten fünf Jahren hat es große Fortschritte beispielsweise im Tunnelbau, bei der Erdbewegung und der Stromübertragung gegeben. Ein Faktor beim Bau, der die Planung und Wirtschaftsberechnung drastisch ändern könnte, ist die Möglichkeit, mit Kernexplosionen tiefe künstliche Wasserleiter für die unterirdische Speicherung und Weiterleitung zu schaffen.“ Das war fünf Jahre, nachdem Parsons Firma den ursprünglichen NAWAPA-Plan vorgelegt hatte.[]
  11. “Major Activities In The Atomic Energy Programs”, U.S. Atomic Energy Commission, 1965.[]
  12. Anders als bei der Kernfusion, bei der eine sehr geringe Zahl von Reaktionsprodukten entstehen, die fast alle nicht direkt radioaktiv sind, fallen bei der Kernspaltung nahezu alle Isotope des Periodensystems an.[]