Anmerkung der Redaktion: Dieser bisher unveröffentlichte Aufsatz wurde von Herrn LaRouche am 11. April 1986 für die Mitglieder und wissenschaftlichen Mitarbeiter der Fusion Energy Foundation als Anregung für kontroverse Diskussionen geschrieben. Er wurde leicht bearbeitet. Titel und Zwischenüberschriften stammen vom Autor.
In den 70er und 80er Jahren war Dr. Daniel R. Wells wissenschaftlicher Berater der Fusion Energy Foundation (FEF), zusammen mit seinem ehemaligen Lehrer am Stevens Institute of Technology, Dr. Winston H. Bostick, einem weiteren Fusionspionier und Mitbegründer der FEF im Jahr 1974. Mehr über Dr. Wells und das FEF siehe die englische Darstellung „An Appreciation of the Work of Fusion Scientist Daniel Wells“ in 21st Century Science & Technology, Herbst 2001.
Während eines FEF-Seminars [in Leesburg, Virginia, im Jahr 1986] war Dr. Daniel Wells etwas irritiert, als ich damals erneut auf mein „Steckenpferd“ verwies, daß die Keplerschen Bahnen im wesentlichen „kräftefreie Felder“ sind, die prinzipiell den gleichen Charakter haben wie die „kräftefreien“ Zustände, die im Kernfusionsplasma auftreten. Dr. Wells hatte berichtet, daß er die entsprechenden Berechnungen (für die von Titius-Bode angegebene Näherung der Kepler-Werte) durchgeführt habe und meine Sicht über sogenannte „kräftefreie“ Plasmazustände empirisch bestätigt sehe. Aus Gründen, die hinreichend offensichtlich sein sollten, ist es wichtig, daß ich einige zusätzliche Beobachtungen anfüge, als Hintergrundinformation für diejenigen, die mit unseren Bemühungen in dieser und verwandten Fragen zusammenarbeiten.
1. Dr. Wells hat eine Entdeckung eingebracht, die aus Gründen, die ich unten angeben werde, die gesamte theoretische Physik, einschließlich der Biophysik revolutionieren dürfte.
2. Obwohl es zunächst den Anschein haben könnte, daß Dr. Wells lediglich den Beweis für die von mir aufgestellte Hypothese erarbeitet hat, hat er dies in einer Weise getan, für die ich keineswegs qualifiziert bin. Er ist ein führender Forscher bei der Untersuchung sogenannter „kräftefreier“ Fusionskonfigurationen und als Experimentalphysiker auf diesem Gebiet außerordentlich qualifiziert, insbesondere was die tiefere Bedeutung der Arbeit von Riemanns italienischen Kollegen Eugenio Beltrami angeht. Teilweise aufgrund seiner zusätzlichen Qualifikation in Aerodynamik ist er in der Lage, die besonderen Merkmale seiner früheren hydrodynamischen Arbeiten relativ leicht auf die Konzeptionalisierung experimenteller Ergebnisse anzuwenden. Er steht in der Tradition kreativer Wissenschaftler, die gestellte provokative Hypothesen rigoros durcharbeiten und diese in wichtige eigene neue Entdeckungen umwandeln.
Alle Wissenschaftler bewegen sich in einem Meer von Ideen, einem Meer, in dem es von alten und neuen Hypothesen wimmelt, aber auch von verschrobenen Mutmaßungen, die den Ansprüchen einer echten Hypothese nicht genügen. Die meisten dieser Hypothesen oder Mutmaßungen stammen von anderen Wissenschaftlern, manche von ihnen selbst. In der Praxis suchen sich tüchtige Wissenschaftler unter diesem Gewimmel von Mutmaßungen einige aus, die sie entweder als lohnende Projekte betrachten oder von ausreichender Bedeutung ansehen, um rigoros durchgearbeitet zu werden. Unter glücklichen Umständen ist ein Wissenschaftler so geschickt, daß er wissenschaftliche Instrumente entwerfen und bauen kann, um abstrakte Ideen auf die einfachste und unmittelbarste Weise mit konkreten experimentellen Projekten zu korrelieren.
3. Dr. Wells‘ Erkenntnis gehört zu den wichtigsten Beiträgen in der physikalischen Grundlagenforschung. Aus Gründen, die Riemann in seinem Werk Über die Hypothesen, welche der Geometrie zugrunde liegen dargelegt hat, beruhen bessere Einsichten in die allgemeine Gesetzmäßigkeit des Universums auf einer Korrelation von scheinbar anomalen Phänomenen, die auf der Skala des sehr Großen auftreten (d. h. der Astrophysik), mit scheinbar anomalen Ereignissen im sehr Kleinen (d. h. der Mikrophysik oder einer Skala, die etwas größer ist als die der eigentlichen Mikrophysik). Wenn eine neue Entdeckung in der Physik solche scheinbaren Anomalien auflöst, wo die bisher vorherrschenden Analysen dies nicht können, ist die gemachte Entdeckung nachweislich von universeller Gültigkeit und gilt daher sinnvollerweise als fundamentale Entdeckung.
4. Die Arbeit von Dr. Wells, wenn auch relativ schlüssig in Bezug auf die begrenzte Aussage, die sie geltend macht und beweist, hat aber ansonsten einen eher vorläufigen Charakter. Anstatt sich auf die Titius-Bode-Konstruktion zu stützen, um die Keplerschen Werte zu präzisieren, sollte eine längst überfällige Rekonstruktion von Keplers Beweisen vom Standpunkt von Gauß und Riemann vorgenommen werden; da es heutzutage unterlassen wurde, die Gauß-Riemannsche konstruktive Geometrie genügend weiterzuentwickeln, wurde diese wichtige Weiterführung von Keplers Ideen vernachlässigt. Durch den Nachweis eines physikalischen Prinzips erzeugen die Arbeiten von Dr. Wells somit einen Anstoß der Dringlichkeit und der praktischen Bedeutung, um die längst überfällige Weiterführung von Keplers Werk in Angriff zu nehmen.
Keplers drei Gesetze sind völlig korrekt in Bezug auf die Hypothesen, für die Kepler eine empirische Überprüfung suchte. Aber aus demselben Grund, warum Kepler von einer fehlerhaften Interpretation musikalischer Harmonik ausging, sind auch seine physikalischen Hypothesen nicht vollkommen korrekt. Daher schlug ich 1981 vor, die Physik der wohltemperierten Polyphonie durchzuarbeiten, als unverzichtbaren pädagogischen Schritt zum Verständnis der Prinzipien der Plasmaphysik und kohärenter Strahlung. Diesen Beweis für die musikalische Komposition zu erbringen, der auf denselben Begriffen der Gauß-Riemannschen Physik basiert, die für das „LaRouche-Riemann-Modell“ verwendet wurden, ist der Schlüssel zur weiteren Verfeinerung von Dr. Wells‘ Arbeit.
5. Aus dieser Entdeckung folgt auch, daß dadurch der letzte Vorwand für die fortgesetzte Duldung der Newtonschen Physik entfällt und damit implizit auch die Grundlagen der heutigen Varianten der statistischen Thermodynamik und der Quantentheorie zerstört werden. Der Beweis, daß die grundlegendsten Gesetze der Astro- und Mikrophysik in Begriffen definiert sind, die in der Newtonschen Physik als „kräftefreie“ Konfigurationen betrachtet werden müssen, zerstört die axiomatische Grundlage des heutigen Lehrstoffs der „klassischen Physik“, der statistischen Thermodynamik und der Annahmen der Quantenphysik.
Die Newtonsche Physik im besonderen und die gegenwärtig gelehrte Physik im allgemeinen gehen davon aus, daß die Planetenbahnen um die Sonne durch Kräfte zwischen Körpern definiert sind, die in der „Ferne“ aufeinander wirken. Kepler zeigte bereits, daß derartige „Kräfte“ nichts mit der Bestimmung dieser Bahnen zu tun haben, sondern daß diese Bahnen vielmehr mögliche „kräftefreie“ Bahnen darstellen.
Die bereits gut etablierte Existenz „kräftefreier“ Zustände in der Plasmaphysik muß nach Riemann als Beweis für ein „einzigartiges Experiment“ betrachtet werden, jene spezielle Art von Experiment, welches hinlänglich beweist, daß eine ganze Doktrin der theoretischen Physik falsch und eine neue Doktrin erforderlich ist. Die Anhänger von Newton und Maxwell könnten versuchen, algebraische Formulierungen in einer Weise zu interpretieren, daß sie mit der „Kräfte“-Hypothese der Newtonschen Physik übereinstimmen; aber dies ist nur bis zu dem Punkt möglich, wo gezeigt wird, daß bestimmte Ereignisse unabhängig von Newtonschen „Kräften“ existieren. Sobald die Rolle „kräftefreier“ Konfigurationen etabliert ist, bricht die Autorität der Newton-Maxwell-Schule völlig zusammen.
Implikationen
„Kräftefrei“ ist dabei eigentlich ein irreführender Begriff. Wir verwenden den Begriff „kräftefrei“ nur, um zu betonen, daß die Grundannahmen der Newton-Maxwellschen Physik durch die bloße Existenz solcher Phänomene verletzt werden. Mit anderen Worten: Hätte Newton seine Physik nicht auf den Prämissen von Descartes aufgebaut, hätten wir nie von Newtonschen „Kräften“ gehört und wären nie auf die Idee gekommen, solche Konfigurationen als „kräftefrei“ zu bezeichnen.
Was mich betrifft, so sehe ich in der Hypothese, der Dr. Wells nachgegangen ist, nichts grundlegend Neues. Ich lernte die Ansätze dieser Hypothese von Leibniz, bevor ich sechzehn Jahre alt war. Leibniz hätte den Begriff „kräftefrei“ nicht verwendet; er hätte stattdessen „geringste Wirkung“ gesagt.
Leibniz verdanken wir viel dafür, daß heute das Prinzip der geringsten Wirkung besser verstanden wird, aber die Idee selbst stammt nicht ursprünglich von ihm. Schon Keplers Hypothesen, auf denen seine drei berühmten Gesetze beruhen, gingen von dem Prinzip der („kräftefreien“) geringsten Wirkung aus. Keplers Bahnen sind „kräftefreie“ Bahnen (der geringsten Wirkung), weshalb die Bahnen auch stabil sind und (z.B.) ein Planet darauf verbleiben muß, es sei denn, es müßte enorme Arbeit („Kraft“) aufgewendet werden, um ihn aus dieser Bahn der geringsten Wirkung heraus zu bringen; selbst wenn dies möglich wäre, würde der Planet wahrscheinlich zerfallen, wenn er aus seiner Bahn der geringsten Wirkung bewegt würde. Die meisten physikalischen Arbeiten von Leibniz, wie seine 1676 entwickelte Differentialrechnung, basierten direkt auf der Durcharbeitung von Keplers Schriften.
Zudem stammte diese Idee nicht ursprünglich von Kepler. Keplers Arbeit basierte vor allem auf dem direkten Einfluß von Leonardo da Vinci und dem direkten Einfluß der wissenschaftlichen Schriften des Kardinals Nikolaus von Kues. Was Leibniz als „Prinzip der geringsten Wirkung“ bezeichnet, nannte Cusa das „Maximum-Minimum-Prinzip“ (De Docta Ignorantia, 1440). Die einzige „axiomatisch selbstevidente“ Existenzform im Universum ist die Erzeugung eines maximalen Querschnitts von Arbeit durch ein Minimum an perimetrischem Aufwand: das „Maximum-Minimum-Prinzip“, oder, mit anderen Worten, das „Prinzip der geringsten Wirkung“.
Die Tatsache, daß die Lichtbrechung direkt und exakt der kleinsten Wirkung entspricht und kein statistisches Optimum eines variablen Effekts ist, ist der einfachste direkte empirische Beweis der kleinsten Wirkung in der experimentellen Physik. (Ein Aspekt von Heisenbergs „Unschärferelation“ hat zwar eine bedingte experimentelle Gültigkeit, doch der Versuch, diese Art Unschärfe auf die Gesetze von Ursache und Wirkung in der Natur zu übertragen, ist ein maßloser Trugschluß. Wie Einstein sehr treffend sagte, „Gott würfelt nicht“ mit dem Universum).
Vorstellungen in Zusammenhang mit dem „Kraftbegriff“ entstehen, wenn man versucht, die Möglichkeit von Vorgängen außerhalb von Pfaden geringster Wirkung („kräftefrei“) zu erklären. Keplers physikalische Gesetze basieren „axiomatisch“ auf dem Nachweis, daß die grundlegendsten Gesetze der Physik alle Vorstellungen von „Kräften“ ausschließen. Die fundamentalen Gesetze der Physik, richtig verstanden, lassen sich vollständig in Begriffen der geringsten Wirkung ausdrücken, in denen kein „Kraftbegriff“ berücksichtigt werden muß; nur die konstruktive Geometrie der physikalischen Raumzeit muß berücksichtigt werden. Der grundlegende Gegensatz zwischen Galilei und Newton und der Physik Keplers ist das einfachste Beispiel, um aufzuzeigen, wie der „Kraftbegriff“ in die Lehre der Physik eingeführt wurde.
Nikolaus von Kues begründete die moderne Wissenschaft, indem er allgemeine Prinzipien einer Wissenschaftsmethode ausarbeitete, die mit seiner Entdeckung des Maximum-Minimum-Prinzips (Prinzip der geringsten Wirkung) in Einklang stehen. Seine Anhänger Luca Pacioli und Leonardo da Vinci begründeten die angewandte Physik, indem sie zeigten, daß die Anwendung von Cusas Maximum-Minimum-Prinzip auf wichtige experimentelle Beweise ausreichte, um die spezifische Geometrie der universellen physikalischen Raumzeit zu identifizieren und zu erklären. Indem sie zeigten, daß die Harmonien des Goldenen Schnitts sowohl mit den allgemeinsten Gesetzen der Physik als auch mit lebenden Prozessen übereinstimmen, während dies bei unbelebten Prozessen nicht der Fall ist, bewiesen Pacioli und Leonardo implizit, daß die Geometrie unserer physikalischen Raumzeit die einer mehrfach verbundenen (hypersphärischen) Gauß-Riemannschen Mannigfaltigkeit ist. Die von Cusa, Pacioli und Leonardo zu diesem speziellen Punkt erbrachten Beweise waren die Grundlage für die Hypothesen, die Kepler verwendete, um eine umfassende mathematische Physik zu begründen.
In einer vom isoperimetrischen Satz ausgehenden konstruktiven Geometrie haben Linien, Punkte, Flächen, Körper, Hyperkörper und die implizite Aufzählbarkeit abzählbarer topologischer harmonischer Beziehungen den Charakter von Singularitäten, die durch rein konstruktive Methoden aus elementaren, mehrfach verknüpften Kreisbewegungen abgeleitet und erzeugt werden. Die physikalische Raumzeit, die mit einer solchen elementaren, konstruktiven Geometrie einhergeht, erfordert die Einbeziehung von zeitbasierten Vorgängen, wodurch der physikalische Raum durch die physikalische Raumzeit ersetzt wird. Gleichförmige Zeitausdehnungen geringster Wirkung erfordern, daß die einfache kreisförmige Wirkung durch eine erweiterte kreisförmige Wirkung ersetzt wird, die nur eine zylindrische oder eine konische Ausdehnung sein kann. Der Nachweis, daß die höchsten Wirkordnungen in der physikalischen Raumzeit mit den Harmonien des Goldenen Schnitts in Einklang stehen, reicht aus, um schlüssig zu beweisen, daß die Geometrie der physikalischen Raumzeit eine mehrfach verknüpfte (konische, selbstähnlich-spirale) Wirkung ist.
Die physikalische Raumzeit ist nicht lediglich die zeitliche Ausdehnung des physikalischen Raumes. Es gibt keinen „augenblicklichen“ physikalischen Raum; es gibt nur Transformationen in der physikalischen Raumzeit; es gibt keine andere Existenz als die einer harmonisch geordneten Transformation in der physikalischen Raumzeit, und diese existiert nur im Gauß-Riemannschen Raum der mehrfach zusammenhängenden, selbstähnlich-spiralen Wirkung.
Das zentrale Merkmal eines so definierten Riemannschen Raumes ist, daß nur in einem solchen Riemannschen Raum die notwendige Erzeugung derjenigen Singularitäten höherer Ordnung stattfindet, die wir mit der Erzeugung von Existenzen wie Elektronen in Verbindung bringen. Singularitäten niedrigerer Ordnung, wie die der berühmten Eulerschen topologischen Funktionen, sind nicht wirklich Existenzen, sondern lediglich Formen, die mit Existenzen verbunden sind. Die Erzeugung eines Elektrons oder eines bestimmten Wirkungsquantums durch kohärente elektro(hydro)dynamische Strahlung ist ein Beispiel für die einfachste Art jener höheren Formen von Singularitäten, die wir „wahre Singularitäten“ nennen, „wahr“, weil sie effizienten physikalischen Existenzen entsprechen.
Die vorangehenden Hintergrundbetrachtungen sind unabdingbar, um zu verstehen, wie die irrtümlichen Annahmen von Galilei, Descartes, Newton u. a. zu dem „Kraftbegriff“ der Reduktionisten führten.
Was die etwas praktikableren Eigenschaften der Newtonschen Mechanik betrifft, so sind die besten Eigenschaften der Newtonschen Mechanik einfach die nach außen gekehrten Arbeiten Keplers. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß Kepler zeigt, daß die Existenz von Objekten durch eine stetige hydrodynamische Wirkung erzeugt wird, und Kepler definiert seine Entdeckung eines Prinzips universeller Gravitation von diesem Standpunkt aus. Die Gravitation ist ein Effekt der Geometrie der physikalischen Raumzeit, eine Möglichkeit, die Arbeit zu messen, die erforderlich ist, um von einem Pfad der geringsten Wirkung abzuweichen, und dies in einer Weise, die mit dem Prinzip der geringsten Wirkung übereinstimmt. Die Reduktionisten betrachten die Existenz diskreter Teilchen im leeren, formlosen Raum als axiomatisch und versuchen, Keplers Physik „delphisch“ so umzudeuten, daß sie Keplers Berechnungen im Sinne der absurden Annahmen des cartesianischen Raums interpretieren.
Sie erreichen diesen „delphischen“ Schwindel, indem Keplers Definition der Gravitation umgekrempelt wird, um diese als eine Urkraft zu definieren, anstatt als ein Ausdruck der physikalischen Geometrie der Raumzeit. Man führt einfach eine „Fernwirkung“ zwischen diskreten Teilchen ein, und interpretiert Keplers Berechnungen von diesem reduktionistischen Standpunkt „delphisch“ um.
Die Gauß-Riemannsche Physik bringt die mathematische Physik zurück auf den (geometrischen) methodischen Standpunkt von Cusa, Leonardo, Kepler und Leibniz – auf den Standpunkt einer differentiellen (konstruktiven) Geometrie, einer mehrfach verbundenen (konischen, selbstähnlich-spiralen) Mannigfaltigkeit. Die Physik einer komplexen Funktion läßt sich nur so richtig interpretieren. Unglücklicherweise machte sich beginnend mit Laplace und Cauchy im Frankreich nach dem Wiener Kongreß und mit der Zusammenarbeit von Clausius, Kelvin, Helmholtz, Maxwell, Boltzmann u. a. nach 1850 eine radikal neo-cartesianische Fehlinterpretation der Physik breit, die zu den Untauglichkeiten der modernen Statistiklehren führte. Diese neo-cartesianische Fraktion begann eine widerliche Hexenjagd gegen die Arbeit von Gauß et al., und so wurde die statistische, anti-Gaußsche Doktrin zur vorherrschenden Lehre in der heutigen mathematischen Physik – mit Unterstützung durch die Familien Sachsen-Coborg-Gotha und Venedigs.
Die Physik ist auf diese Weise paradox geworden. Auf der einen Seite, der popularisierten mathematischen Seite der Physik, ist die Physik im Großen und Ganzen absurd. Da aber der wissenschaftliche Fortschritt davon abhängt, experimentelle Nachweise zu respektieren, nimmt der experimentelle Fortschritt die Form an, scheinbare Anomalien hervorzubringen, die die formale Seite der Physik, die mathematischen Erklärungen, immer wieder in die Krise stürzen. Aus diesem Grund ist der einzige wirklich interessante Aspekt physikalischer Tätigkeit, das Repertoire solcher Phänomene zu erweitern, die von Natur aus geeignet sind, die Lehrer der mathematischen Physik herabzuwürdigen.
Diese interessante Seite der Physik erzeugt zweierlei Reaktionen. Gewöhnlich versuchen Physiker, die bis dahin respektable mathematische Physik auszubessern, um die Existenz anomaler Phänomene irgendwie zu erklären. Weniger häufig öffnen die besten Querdenker der Physik-Community ihren Geist für die Tatsache, daß die experimentellen Beweise schwere Zweifel an grundlegenden axiomatischen Annahmen der derzeit gelehrten Physik aufgeworfen haben. Illustrativ hierfür sind die Arbeiten von Bostick, Wells, et al., um die Physik von Riemanns Kollegen Beltrami wiederzubeleben und eine damit verbundene Offenheit unter verwandten Kreisen von Physikern zur tieferen Erforschung des Standpunkts von Gauß und Riemann zu erzeugen.
In jüngster Zeit hat sich nachdrücklich gezeigt, wie wichtig es ist, die anomale Zersplitterung der wissenschaftlichen Forschung zu beenden, die Mikrophysik, Astrophysik und Biophysik voneinander trennt. Bringt man die entscheidenden „Anomalien“ der drei Bereiche miteinander in Verbindung und korreliert die gesuchten Beweise, ergeben sich die fruchtbarsten anregenden Ergebnisse: implizit eine Rückkehr zur Einheit der Physik unter Leonardo da Vinci. Umgekehrt werden in dem Maße, wie die drei Fachgebiete hermetisch voneinander getrennt sind, leicht die wildesten Absurditäten plausibel erscheinen. Wie Kepler betonte, müssen die Gesetze der Astrophysik und der Physik im allgemeinen durch die Ausgangsbedingung definiert werden, daß in unserem Universum lebende Prozesse den höchsten Organisationszustand des Universums als Ganzes darstellen. Der Versuch, Leben durch eine Physik zu erklären, die das Prinzip des Lebens aus den Gesetzen der Astrophysik axiomatisch ausschließt, führt zu einer Biologie, in der Leben aufgrund hergebrachten Irrglaubens axiomatisch unmöglich ist. Offensichtlich entspricht eine solche Physik nicht dem realen Universum.
Lebende Prozesse lassen sich genauso wie gesunde Volkswirtschaften nur in Bezug auf eine mehrfach verbundene Mannigfaltigkeit definieren, der eine konische selbstähnlich-spirale Aktion zugrundeliegt. Wichtige Fragen wie die Weierstraß-Funktion, die Riemannsche Fläche usw. müssen von diesem Standpunkt aus verstanden werden. Aus diesem Grund herrscht eine wechselseitige Beziehung zwischen meinen eigenen Entdeckungen in der Wirtschaftswissenschaft, den Prinzipien der Biophysik und den Grundlagen der Physik im allgemeinen.
Spätestens seit Platon ist diese Methode des wissenschaftlichen Arbeitens durchgehend mit der Entwicklung der wohltemperierten Polyphonie verbunden, wie man sie am besten in den Werken von Bach, Mozart und Beethoven findet. Im Frühjahr 1981 mußte ich erkennen, daß ein allgemeines Verständnis meiner eigenen Entdeckungen in der Wirtschaftswissenschaft nicht möglich war, wenn sich der Student zuvor nicht mit der Anwendung der konstruktiven Geometrie auf die Prinzipien der wohltemperierten Komposition beschäftigt hat. Verständnisfehler meiner Arbeit spiegelten insoweit entweder axiomatische Irrtümer wider, die sich in der Lehre der fortgeschrittenen Mathematik verbreitetet haben, oder eine ähnliche, tief verwurzelte axiomatische Befangenheit in Form des Glaubens an eine naive Sinnesgewißheit. Man muß nicht nur berücksichtigen, welchen Wert Platon, Augustinus und Kepler auf die musikalische Harmonik gelegt haben, sondern auch, daß ohne die Befolgung meines pädagogischen Beispiels wenig Verständnis für die Physik des Gauß-Riemannschen Bereichs zu erwarten war.
In der Musik, so heißt es gelegentlich sehr deutlich, läßt sich eine musikalische Komposition nicht verstehen, wenn man sich nicht auf den Prozeß „zwischen den Noten“ konzentriert. Schlechter Gesang entsteht zum Beispiel immer dann, wenn der Sänger versucht, eine Silbe in direkte Beziehung zu der zugehörigen musikalischen Note zu bringen, anstatt die Silben mit der harmonischen Progression in Beziehung zu setzen. Ähnlich verhält es sich, wenn Musiker meinen, es gebe willkürliche „Melodien“, die ohne wirkliche Kriterien, sondern nur nach mehr oder weniger zufälligen „gefälligen Effekten“ ausgewählt wurden; dann sind solche Musiker weder in der Lage, anständige Musik zu komponieren, noch die Natur musikalischer Ideen zu verstehen, die die Interpretation bestimmen. Solche pathologischen Verirrungen unter Musikern verraten eine tiefsitzende, kenntnislose Voreingenommenheit einer axiomatischen Qualität, so wie sie sich auch in den linearen Fehlinterpretationen der Physik finden.
Aufgrund der Tatsache, daß der Beitrag von Dr. Wells wesentlich auf fortgeschrittenen und grundlegenden Arbeiten der Plasmaphysik basiert, dürften viele von der Vorstellung ausgehen, daß die Bedeutung seines Beitrags nur von einem fortgeschrittenen physikalischen Standpunkt aus verstanden werden kann. Die Bedeutung des Beitrags liegt jedoch darin, daß er sich auf elementare Konzepte bezieht, die zu Beginn eines Mathematikstudiums oder bereits auf Gymnasialebene beherrscht werden sollten. Der Beitrag hat mit sehr fortgeschrittenen Physik-Erkenntnissen zu tun, wie alle Axiome der Physik es tun, aber es ist im wesentlichen eine elementare, axiomatische Konzeption und keine Besonderheit fortgeschrittener Theoreme.
Zusammenfassung
Auf den ersten Blick verdeutlicht und belegt der Beitrag von Dr. Wells die Hypothese, daß eine verfeinerte Version der Keplerschen Universalgesetze der Astrophysik auch im mikrophysikalischen Bereich wirksam ist. Da der unmittelbare Zusammenhang jedoch nur in Bezug auf sogenannte „kräftefreie“ Konfigurationen der Physik im Kleinen und im relativ Kleinen besteht, ist der Nachweis des Zusammenhangs ein Beweis dafür, daß die Astrophysik grundsätzlich nicht auf Kräften, sondern auf „kräftefreien“ Zuständen der physikalischen Raumzeit beruht. Er zeigt also, daß „Kräfte“ in physikalischen Prozessen nicht selbstevident, sondern determiniert sind. Universelle Prozesse werden nicht von Kräften bestimmt, sondern universelle, „kräftefreie“ Prozesse erzeugen als Nebenprodukt Phänomene, die wir mit „Kraft“-Phänomenen assoziieren.
Diese Auffassung unterstreicht also, daß die Gauß-Riemannsche Physik nicht nur eine Frage der Wahl des formalen mathematischen Apparates ist. Sie zeigt, daß der Irrtum der Anti-Riemannschen mathematischen Physik ein ontologischer Irrtum und nicht nur ein formaler Fehler ist. Diese Frage ist mit Sicherheit das grundlegendste Prinzip für eine erfolgreiche Revolution in der heutigen und zukünftigen Physik.