Kurznachrichten 02/2002

Deutschland droht Ärztenotstand

Es mehren sich die Warnungen, daß in Deutschland in wenigen Jahren ein dramatischer Ärztemangel herrschen wird. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Marburger Bundes, meinte, dies sei „ein unmißverständliches Ergebnis der katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern. Der beklagte Personalengpaß bestätigt unsere langjährige Warnung, daß der Arztberuf insbesondere aufgrund der zunehmenden Arbeitsverdichtung und der schlechten Bezahlung immer unattraktiver wird… Die Krankenhausträger müssen sich nicht über den Ärztemangel wundern, wenn in deutschen Kliniken oftmals Arbeitsbedingungen herrschen, wie in einem Kriegslazarett.“

Ärztemangel droht insbesondere in den neuen Bundesländern, vor allem bei den Allgemeinärzten, wodurch bald schon die hausärztliche Versorgung in Frage gestellt sein wird. Zwar blieb die Zahl der Studienanfänger seit Jahren konstant. Aber die Gesamtzahl der Medizinstudenten sank in acht Jahren um 11,3 Prozent. Und die Zahl der Absolventen ist in sechs Jahren um 11,3 Prozent auf 9.165 gesunken. Begründung: Studienabbrecher und Studienplatzwechsler machen bereits rund 25 Prozent aus. Ärzte im Praktikum gibt es 25 Prozent weniger, die Zahl der Approbationen fiel um 22 Prozent. Hinzu kommt die Alterspyramide: Es geben ihre Praxis mehr Ärzte auf als neu hinzukommen. Selbständig werden ist kein Ziel mehr.

Adulte Stammzellen beheben Schlaganfallfolgen

Adulte Stammzellen wandern nach einem Schlaganfall aus dem Knochenmark aus, bilden neue Blutgefäße und Neuronen und reparieren beschädigte Zellen. Das konnten Forscher des Medical College of Georgia an Mäusen zeigen. Die Stammzellen wurden dafür mit einem fluoreszierenden Proteinfarbstoff gentechnisch markiert und beobachtet. Die Wanderung der Stammzellen seien Teil eines natürlichen Reparaturprozesses, der durch geeignete Medikamente auch ausgelöst und verstärkt werden könnte. Auf diese Weise könnte es zukünftig überflüssig werden, erst adulte Stammzellen aus dem Knochenmark zu gewinnen, sie zu kultivieren und dann dem Patienten wieder einzupflanzen.

Knochenmark-Stammzellen differenzieren zu Leberzellen

Das Journal of Clinical Investigation berichtete in seiner aktuellen Ausgabe (Vol. 109, Nr. 10), daß es amerikanischen Forschers erstmals gelungen sei, Stammzellen aus dem Knochenmark Erwachsener in Leberzellen umzuwandeln. Diese bahnbrechende Entdeckung entwickelte sich aus Experimenten von Catherine Verfaille und ihren Mitarbeitern vom Stem Cell Institute der Universität von Minnesota mit adulten Stammzellen aus dem Knochenmark von Menschen, Mäusen und Ratten. Sie isolierten dort sogenannte multipotente adulte Vorläuferzellen (MAPZ), die sie jetzt mit Hilfe von zwei Wachstumsfaktoren in eine Art Leberzellen verwandelten. In der Zellkultur differenzierten die MAPZ zu stabilen Zellen aus, die alle wichtigen Eigenschaften von Hepatocyten besaßen. So schütteten die Zellen unter anderem Albumin und Harnstoff aus, nahmen LDL-Cholesterin auf und produzierten Cytochrom p450, das wichtigste Entgiftungsenzym der Leber. Außerdem glich ihr Aussehen, gefärbt und ungefärbt, dem typischer Hepatocyten.

Das Anwendungspotential adulter Stammzellen aus dem Knochenmark ist damit erneut gewaltig gestiegen: Bei weiterer Entwicklung dieser Methode sind neue Therapien für Leberkranke bis hin zu künstlichen Lebern denkbar.

PET vor dem Aus?

Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen (BAÄK) hat in einer Sitzung am 26. Februar beschlossen, daß die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) nicht als ambulante Kassenleistung zugelassen werden soll. Nach dem Wegfall der Kostenerstattung für spezielle Sondennahrung hat der BAÄK damit eine weitere höchst umstrittene Entscheidung getroffen, die nicht von Sachkenntnis, sondern aus reinen Kostenüberlegungen getragen ist. Ein Diagnoseverfahren soll damit in Deutschland ausgegrenzt werden, das in den USA und vielen europäischen Ländern längst eine reguläre Kassenleistung ist. Bestätigt die Bundesgesundheitsministerin die Meinung des BAÄK, steht die PET bald nur noch Privatpatienten offen – ein weiterer Schritt in Richtung Zweiklassenmedizin.

Mit dem PET läßt sich – anders als mit radiologischen bildgebenden Verfahren – der Zellstoffwechsel sichtbar machen. Dies erlaubt besondere diagnostische Aussagen über Erkrankungen des Herzens und des Zentralnervensystems. Besonders wertvoll ist die PET-Diagnostik auch bei Tumorerkrankungen. Bei dem Verfahren erhält der Patient eine geringe Dosis schwach radioaktiven Traubenzuckers (FDG). Krebszellen haben einen gegenüber dem umliegenden gesunden Gewebe deutlich erhöhten Zuckerumsatz. Als Folge reichert sich der Traubenzucker in ihnen verstärkt an, was mit einem PET-Scanner ohne zusätzliche Belastung für den Patienten (also ohne Röntgenstrahlung) sichtbar gemacht werden kann. Im PET-Bild können so auch winzige Tochtergeschwülste nachgewiesen werden können – egal wo im Körper sie sich befinden.

Diese und andere Vorteile der PET werden seit 1995 regelmäßig von interdisziplinär besetzten Expertengremien überprüft. Prof. Wolfram H. Knapp, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin: „Unsere Kollegen im Ausland schütteln mittlerweile den Kopf über die Verhältnisse in Deutschland. Aus wissenschaftlicher und medizinischer Sicht ist die Entscheidung des BAÄK in keiner Weise nachzuvollziehen.“

Kenia: Erfolgreiche AIDS-Behandlung

Charles Mbakaya vom Kenya Medical Research Institute (Kemri) hat nach einer Darstellung des East African Standard AIDS-Patienten mit erstaunlichem Erfolg mit einer speziellen Nahrungsergänzung behandelt. Mbakaya begann seine Forschungen, nachdem er vor einigen Jahren in einem medizinischen Fachaufsatz gelesen hatte, daß AIDS-Symptome denen eines Zink-Mangels sehr ähnlich seien und Zink eine wichtige Rolle im Immunsystem spiele. Er fand einen kommerziell hergestellten Nahrungszusatz mit hoher Zinkanreicherung und begann vor zwei Jahren zusammen mit Winfred Kisingu vom Kemri und Patrick Orege vom kenianischen AIDS-Kontrollrat mit der Behandlung von 44 HIV-Patienten.

Nach zweijähriger Gabe des Mittels mit Namen VIUSID zeigte sich, daß die Viruslast bei den Patienten um mehr als 50% zurückgegangen war; bei 19 % der Patienten waren gar keine Viren mehr nachweisbar. Innerhalb von drei Monaten der Behandlung berichteten 80 % der Patienten, daß sich die AIDS-Symptome gelegt hätten und opportunistische Infektionen verschwunden seien. Klinisch hat das von einer spanischen Firma hergestellte VIUSID so gut wie keine Nebenwirkungen.

Umstrittenes Euthanasiegesetz in Belgien

Mit 86 zu 51 Stimmen, bei zehn Enthaltungen, stimmte am 16. Mai die belgische Regierungsmehrheit aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen einem Euthanasiegesetz zu, das allgemein als das liberalste der Welt gilt. Danach ist künftig in Belgien die Tötung auf Verlangen für unheilbar kranke Patienten erlaubt, auch wenn sie nicht in absehbarer Zeit sterben werden. Gleichzeitig gilt diese Regelung auch für Menschen mit einem dauerhaften psychischen Leiden. Die belgischen Regelungen gehen noch weit über das niederländische Sterbehilfegesetz hinaus, das weltweit für Aufsehen sorgte.

Nach Angaben des belgischen Justizministeriums beschränkt das Gesetz die Sterbehilfe auf mündige Jugendliche und Erwachsene, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind. Der sterbewillige Kranke muß eine schriftliche Willenserklärung abgeben. Ist er dazu nicht fähig, muß eine Person seines Vertrauens den Wunsch niederschreiben. Wenn sich die Krankheit des Patienten nicht im Endstadium befindet, muß der behandelnde Arzt vor der Sterbehilfe einen zweiten Mediziner konsultieren. Zwischen der Erklärung, sterben zu wollen und der Euthanasie muß nach den belgischen Bestimmungen mindestens ein Monat liegen.

Während in den ersten Reaktionen zu dem Gesetz aus dem Ausland von einer „Lizenz zum Töten“ gesprochen wird, ist auch in Belgien selbst die Entscheidung des Parlaments nicht unumstritten. So haben die Christdemokraten bereits eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg angekündigt. Die Liberalisierung der Sterbehilfe widerspreche der Europäischen Grundrechtecharta und dem darin verbrieften Recht auf Leben.

Auch die katholische Kirche in Belgien hat die Entscheidung der belgischen Volksvertreter heftig kritisiert. Das Gesetz stehe im Widerspruch zum Grundwert des Respekts menschlichen Lebens. Es berge die Gefahr, daß Kranke einem starken Druck ihrer Angehörigen oder des Pflegepersonals ausgesetzt würden, den Tod zu akzeptieren. Drastischer hat sich der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, geäußert: Ohne entschiedenen Widerstand werde es wohl eines Tages dazu kommen, „daß schwerkranke Menschen eine Genehmigung einholen müssen, um weiterleben zu können“. Der Bundesverband Lebensrecht (BVL) warnte davor, „die Beendigung des Lebens zu einem Standortfaktor zu machen“. Es scheine, als würden sich einige Staaten der Europäischen Union derzeit einen Wettkampf um das liberalste Euthanasie-Gesetz liefern.