Curiosity öffnet viele Fenster zum Sonnensystem

Die Frage, ob es Leben auf dem Mars gab oder gibt, ist die wichtigste Triebkraft für die Serie von Missionen im Marsprogramm der NASA.


Der 6. August 2013 ist der erste Jahrestag der er folgreichen Landung des Marsrovers Curiosity der NASA, und inzwischen ernten die Planetenforscher die ersten Ergebnisse einer Kombination von wissenschaftlichen Experimenten, die noch nie zuvor auf dem Mars durchgeführt wurden. Das ausgeklügelte kernkraftbetriebene Fahrzeug wird uns dabei helfen, sowohl die evolutionäre Geschichte des Planeten zu entschlüsseln als auch im Detail zu beschreiben, wo er sich heute in diesem Prozeß befindet. Der Erfolg der Mission wird aber nicht nur in Hinsicht darauf sehr wichtig sein, auf was Curiosity stoßen wird, sondern auch als Präzedenzfall für zukünftige Missionen zur Erforschung des Mars.

Am 1. August 2012 landete der Marsrover Curiosity auf dem Mars. Die Planetenforscher haben von den zahlreichen Untersuchungen bereits reiche Erkenntnisse gewonnen. Bild: NASA

Die Frage, ob es Leben auf dem Mars gab oder gibt, ist die wichtigste Triebkraft für die Serie von Missionen im Marsprogramm der NASA. Ob Leben ausschließlich auf der Erde existiert oder ob es ein universelles Merkmal der ganzen Schöpfung ist, diese Frage beschäftigt schon seit Generationen die größten Geister der Wissenschaft. Es wird nicht erwartet, daß Curiosity diese Frage definitiv beantworten wird, dafür ist die Konstruktion auch nicht angelegt, aber sie wird unser Verständnis wesentlicher Aspekte des Entwicklungsganges des Planeten durch seine geologische, chemische und hydrologische Geschichte erweitern und bereichern, und sie wird uns mehr Einsichten darin bieten, ob Leben ein Teil dieses Entwicklungsganges war.

Curiosity hat aber auch eine „höhere Berufung”. In seiner strategischen Position zwischen unserem Planeten und dem größten Asteroidengürtel hat der Rover, ergänzt durch eine Kombination von Sonden in einer Umlaufbahn um den Mars, einen guten Überblick über den verstreuten Abfall, der bei der Schöpfung des Sonnensystems übrigblieb und von dem einzelne Teile unserem Planeten in der Vergangenheit Schaden brachten und ihn auch künftig bedro hen. Man kann sich Curiosity als einen Pfadfinder für eine zukünftige Folge von Wachen denken, die helfen werden, die Erde sicher zu halten. In dieser Hinsicht bieten Teleskope und andere wissenschaftliche Infrastruktur auf oder in der Nähe des Mars eine neue Perspektive für Aktivitäten in unserer Nachbarschaft im All.

Die notwendigen technischen Durchbrüche für die nächsten Schritte der Marserforschung, wozu insbesondere der Einsatz der Kernfusionsenergie gehören wird, werden uns auch die Möglichkeit verschaffen, alle potentiellen extraterrestrischen Gefahren für die Erde abzufangen. Von diesem Ausgangspunkt aus werden wir in der Zukunft nicht nur einzel ne Asteroiden und Kometen ausfindig und falls nötig unschädlich machen können, sondern wir werden auch die Erzeugungsprinzipien finden, nach denen diese scheinbar unberechenbaren Objekte und auch das Sonnensystem an sich geschaffen wurden.

Vom Marsorbit aus werden wir bald in der Lage sein, neue Einsichten in die Entwicklung des Sonnensystems ebenso wie eine neue Sichtweise der Erde zu gewinnen. Nicht, weil wir die Erde vom Mars aus sehen können, sondern weil wir neue Erzeugungsprinzipien bei der Schaffung des Lebens und den galaktischen Prozessen, worin sie auftreten, entdecken werden.

Curiositys Feinde

Das erstaunlichste Ereignis in diesem vergangenen Jahr war aber nicht die erfolgreiche Arbeit von Curiosity, sondern die Ankündigung, dieses wunderbare wissenschaftliche Labor solle das letzte seiner Art sein. Die Regierung Obama hat das Marsforschungsprogramm massiv geschädigt, indem zukünftige Missionen verschoben, verkleinert oder sogar ganz abgesagt wurden.

Die größten Feinde von Curiosity: Präsident Obama, der das NASA-Budget gnadenlos zusammengestrichen hat, und NASA-Direktor Bolden, der sich das Spardiktat zu eigen gemacht hat.

Seit Mitte der 1970er Jahre, als die Viking-Landefahrzeuge und -Sonden uns einen Planeten zeigten, der eine geologisch dynamische Vergangenheit und eine Geschichte mit fließendem Wasser aufwies, wurden unterschiedliche Missionen vorgeschlagen und einige sogar beschlossen, um auf dem Mars eine ähnliche Infrastruktur einzurichten wie auf unserem Planeten und im erdnahen Raum, um ein genaues Verständnis einer früher vielleicht einmal erdähnlicheren Welt zu schaffen.

Es gab Vorschläge für Marsflugzeuge zur Erforschung der Atmosphäre vor Ort, für Wetterstationen als Hilfe für sichere Landungen auf der Oberfläche, für Netze seismischer Meßstationen zur Bestimmung der Struktur im Marsinneren und der Zusammensetzung des Planetenkerns, für Flotten von Kommunikationssatelliten im Marsorbit zum ununterbrochenen Austausch mit der Erde, für ein interplanetares Internet zur Nutzung und Übermittlung gewaltiger Datenmengen, für von der Erde oder einem der Marsmonde aus ferngesteuerte Roboter auf der Planetenoberfläche und für Teleskope mit einer Palette wissenschaftlicher Instrumente für ein neues Zeitalter der Weltraumforschung. Aber unter dem unhaltbaren Vorwand, dafür sei nicht genug Geld da, will die Regierung Obama den Mars aufgeben.

Die Vereinigten Staaten und die Menschheit müssen sich entscheiden, ob wir eine Zukunft haben wollen. Es gibt akute Gefahren in Hinsicht auf den gegenwärtigen Rückfall in die Barbarei durch einen existenzbedrohenden Wirtschaftskollaps; es gibt unbekannte Gefahren für die Erde, die aus dem All kommen können; und es gibt langfristige Gefahren, weil wir wissen, daß unsere Sonne uns eines Tages nicht mehr die Voraussetzungen für Leben auf der Erde liefern wird.

Ein wissenschaftliches Raumfahrtprogramm allein kann zwar diese Herausforderungen nicht bewältigen, aber ohne das kann und wird es keine Lösung geben.

Ein für Leben geeigneter Planet

Im März kündigten Wissenschaftler einen bedeutenden Fortschritt bei der Beantwortung der Frage an, ob auf dem Mars Leben existiert haben könnte. Curiositys Instrumente enthüllten bahnbrechende Resultate.

Frühere Sonden und der noch aktive Rover Opportunity hatten zwar schon bestätigt, daß es auf dem Mars früher einmal fließendes Wasser gab, aber die chemische Zusammensetzung der von Opportunity untersuchten Mineralien deutete darauf hin, daß das frühere Wasser in Meridiani Planum sauer und salzig und nicht für die Versorgung von Leben geeig net war. Aber von Satelliten in der Umlaufbahn gesammelte Daten wiesen auf das Vorhandensein von Tonmineralien in Curiositys Teil des Mars hin, was für die Möglichkeit anderer chemischer Verhältnisse sprach.

Curiosity stellte fest, daß die Zusammensetzung des Tons in einer Probe aus einem Gesteinsbrocken, den man nach dem 2011 verstorbenen stellvertretenden Projektmanager „John Klein” benannt hatte, dafür sprach, daß er sich in Wasser gebildet hatte, welches neutral oder schwach alkalisch war. Ein Mensch auf dem Mars hätte es trinken können, so beschrieb es der leitende Wissenschaftler von Curiosity, John Grotzinger, in der Pressekonferenz am 12. März.

Zweitens identifizierte eine ausführliche Analyse der chemischen Bestandteile in der Gesteinsprobe Schwefel, Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Phosphor und Kohlenstoff – alle wesentlichen Zutaten für Leben. Paarweise Kombinationen einiger dieser chemischen Elemente könnten auch als Energiequelle für Mikroorganismen dienen, berichteten die Wissenschaftler.

Im letzten Monat veröffentlichten die Forscher Resultate der SAM-Meßinstrumente (Sample Analysis at Mars), die messen, welche verschiedenen Isotope von Elementen in welcher Menge in der Atmosphäre vorhanden sind. Zu wissen, wie, warum und wie schnell die Marsatmosphäre im Weltraum entwich, wird uns dabei helfen, weitere Aspekte der geologischen, chemischen, hydrologischen und vielleicht biologischen Geschichte des Planeten zu klären. Eine dichtere Atmosphäre, die auf ein wärmeres Klima schließen läßt, hätte flüssiges Wasser auf der Marsoberfläche ermöglicht.

Die Curiosity-Wissenschaftler berichteten, da schwerere Isotopen länger am Boden oder in der Atmosphäre bleiben, während leichtere schneller entweichen, könne man aus den Verhältnissen zwischen ihnen Rückschlüsse auf die Geschichte der Marsatmosphäre ziehen. Die von den Instrumenten gemessene Anreicherung schwererer Isotope bestätige den angenommenen Evolutionsprozeß der Atmosphäre.

Curiosity verbrachte ein hochproduktives halbes (Erden-) Jahr mit der Erkundung eines Gebietes im Umkreis von etwa 500 Metern um den Landeort. Am 4. Juli begann das mobile Laboratorium dann die 8 Kilometer lange Fahrt zu ihrem eigentlichen Ziel, dem 5000 Meter hohen stufigen Berg in der Mitte des Gale-Kraters, in dem der Rover vor einem Jahr landete. Dieser Weg zum Mount Sharp wird bewußt sehr langsam zurückgelegt werden und noch mehr als den ganzen Rest dieses Jahres in Anspruch nehmen. Die Erhöhung in der Mitte des Kraters entstand als Folge eines Aufpralls auf der Planetenoberfläche vor wahrscheinlich mehr als 3 Milliarden Jahren.

Mit der Zeit lagerten sich verschiedene Sedimentschichten ab, höchstwahrscheinlich durch fließendes Wasser. Jede Schicht verkörpert eine andere Periode der geologischen und chemischen Geschichte des Mars. Sie läßt sich ähnlich ablesen wie die geologische Geschichte der Erde aus den Gesteinschichten in Formationen etwa im Grand Canyon. Die Wissenschaftler erhoffen sich, diese Geschichte zu erfassen, um einen gesamten Überblick über die evolutionären Veränderungen des Planeten über Milliarden von Jahren zu erhalten.

Wernadskij über den kosmischen Ursprung des Lebens

In Hinsicht auf die Frage nach dem Ursprung des Lebens auf der Erde vertrat Wladimir Wernadskij, der große russisch-ukrainische Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, die These, daß für das Auftreten des Lebens auch der ständige Austausch der Erde mit dem übrigen Kosmos berücksichtigt werden müsse. Und wenn dies so ist, erklärte er, dann sei es sehr wohl möglich, daß es auch anderswo im Kosmos Leben gibt.

Bei seiner Gründung der Wissenschaft der Biogeochemie betonte Wernadskij, es gebe zwar geologische und chemische Voraussetzungen für Leben, aber das Leben selbst schaffe die Biosphäre, die die Geologie und Chemie der Erde entwickelte. Wernadskij machte diese Entdeckungen durch die Beschäftigung mit den grundlegenden Prozessen des Planeten und dank seiner Fähigkeit, sich einen Prozeß höherer Ordnung vorzustellen. Er war der erste, der ein intensives Studium der chemischen und atomaren (d. h. Isotopen-) Eigenschaften des Lebens anstieß, indem er charakteristische Merkmale des Lebens in der Biosphäre der Erde untersuchte und auch Meteoriten studierte.

Leben auf dem Mars zu finden, bedeutet deshalb nicht bloß, intensiv nach Mikroben oder ihren Rückständen zu suchen, sondern Wernadskijs Konzepte und Methoden anzuwenden, um die entscheidenden Prinzipien der Entstehung und Entwicklung des Lebens auf der Erde und vielleicht auf dem Mars zu entdecken.

Curiosity ist in dieser Untersuchung der erste Schritt, indem eine detaillierte Erforschung der geochemischen Geschichte und des gegenwärtigen Zustands des Mars vorangetrieben wird. In der Zukunft werden wir Fortschritte machen, indem wir Wernadskijs wichtigsten Durchbruch umsetzen und die einzigartige Fähigkeit des Menschen zum schöpferischen Denken auf die Planetenforschung anwenden. Neue Ebenen der Technik als Werkzeuge des Menschen und die Leidenschaft und Entschlossenheit, eine Zukunft für die Menschheit zu schaffen, werden uns zu den Antworten auf einige unserer grundlegendsten Fragen führen.