Der folgende Dialog ist die überarbeitete Abschrift einer Diskussion zwischen Bruce Director und Megan Beets vom Wissenschaftsteam von LaRouchePAC am 6. August 2019. Das englische Video dieser Diskussion können Sie hier anschauen: https://larouchepac.com/20190806/dynatropy-creative-universe-and-mankinds-unending-progress.
Megan Beets: Willkommen, alle zusammen. Danke, daß Sie zuschauen. Mein Name ist Megan Beets, und ich bin Mitglied des LaRouchePAC-Wissenschaftsteams. Neben mir sitzt mein Kollege Bruce Director, der seit 45 Jahren mit Lyndon LaRouche zusammengearbeitet und zahlreiche Artikel über Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte verfaßt hat, darunter einen darüber, wie Gauß die Umlaufbahn des Ceres bestimmt hat, und die Reihe „Riemann for Anti-Dummies“. Bruce und ich wollen heute eine Diskussion über Lyndon LaRouches Idee initiieren, daß das Universum ein grundlegend kreatives, sich entwickelndes System ist – im Gegensatz zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, der besagt, daß das Universum abläuft und grundlegend entropisch ist. LaRouches ganzes Lebenswerk dreht sich um dieses Konzept. Im Mittelpunkt steht dabei seine frühe Entdeckung der Prinzipien der physischen Ökonomie. Bruce, in den Aufzeichnungen, die Du für diese Diskussion vorbereitet hast, heißt es: „Aus LaRouches Konzept folgt ganz allgemein, daß menschliche Kreativität, wie sie sich in der physischen Ökonomie äußert, grundsätzlich antientropisch ist… Daraus ergibt sich die Frage: Ist dies lediglich ein Kennzeichen der menschlichen Natur oder ist dies ein Kennzeichen des Universums insgesamt?“ Kannst Du bitte mehr darüber sagen. Warum meinst Du, ist dies eine so wichtige Frage?
Bruce Director: Meines Erachtens läßt sich das am besten betrachten, indem man die ökonomische Hauptaussage LaRouches kurz zusammenfaßt. Natürlich ist es immer gefährlich, die Arbeit von jemandem, der ein Konzept über einen Zeitraum von 60-70 Jahren entwickelt hat, in ein kleines Bruchstück zu pressen. Aber ich will es so ausdrücken: LaRouche hat im Laufe der Jahrzehnte eine fundamentale Entdeckung über die Natur der Kreativität im Universum gemacht, und wie sich Kreativität in der Wissenschaft der physischen Ökonomie ausdrückt – was sicher nicht das ist, was man heute unter Ökonomie versteht. Physische Ökonomie hat nichts mit Geld oder Finanzen oder mit der Produktion und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen zu tun; sie ist in Wirklichkeit die Wissenschaft davon, wie der Mensch mit dem Universum interagiert, sowie die Wissenschaft der menschlichen Entwicklung. Es läßt sich empirisch beweisen, daß die Macht des Menschen über die Natur im Laufe der Menschheitsgeschichte immer mehr zugenommen hat, und das nicht nur während der Zeit, in der wir genaue Aufzeichnungen haben, sondern sogar vor mehr als 10.000 Jahren in der Vergangenheit, wo unsere Aufzeichnungen sehr spärlich sind, bis zurück in die gesamte etwa 2 Millionen Jahre lange Geschichte des Menschen auf diesem Planeten. Die menschliche Bevölkerung nimmt immer mehr zu, was man bei keiner anderen Spezies sieht, und auch andere charakteristische Merkmale nehmen zu, etwa das, was LaRouche als „potentielle relative Bevölkerungsdichte“ bezeichnete, d.h. die Anzahl der Menschen, die relativ zu einem bestimmten Stand der Technik pro Flächeneinheit der Erdoberfläche existieren und sich entwickeln können. Es hat immer eine Bevölkerungszunahme gegeben, zumindest auf lange Frist gesehen. Es mag Perioden gegeben haben, in denen die Bevölkerungszahl abnahm, wie z. B. während der Schwarzen Pest im 14. Jahrhundert, aber im allgemeinen hat sie zugenommen. Das sieht man bei keiner anderen Spezies. Man sieht auch Effekte wie die Erhöhung der Energieflußdichte entsprechend den der Menschheit zu Gebote stehenden Technologien. Das heißt, die Menge der verfügbaren Energie pro Kopf hat sich im Laufe der Zeit dramatisch erhöht, von der einfachen, rohen Werkzeugherstellung bis hin zur Fähigkeit des Menschen, die Kraft des Atoms zu nutzen.
Beets: LaRouche sprach in den letzten Jahren davon, daß der Mensch sich immer mehr das „Feuer“ zunutze gemacht hat.
Director: Die zunehmende Nutzung des Feuers durch den Menschen ist ein sehr guter Weg, um das zu beurteilen. All das belegt bestimmte Eigenschaften des Menschen, die nur dem Menschen eigen sind und die man bei keiner anderen Spezies sieht. LaRouche nannte dies die schöpferische Kraft des menschlichen Geistes, um Naturgesetze zu entdecken und diese Naturgesetze auf die Veränderung der Natur anzuwenden. Das wird an der Entwicklung der Menschheit sehr deutlich – an der Schaffung neuer Materialien, an der Schaffung einer neuen Organisation der Erde selbst. Aber der Mensch hat auch die Fähigkeit bewiesen, daß er die Prinzipien seiner eigenen Kreativität entdecken kann. Das ist die eigentliche Domäne des Menschen; sie ist nur dem Menschen eigen und reicht sehr weit zurück. Tatsächlich können wir uns den Menschen ohne Kunst nicht vorstellen. Dafür gibt es viele Beispiele in alten Höhlenmalereien. Das sind nicht nur Spielereien, obwohl sie eine Art Spiel sind, sondern sie zeigen, daß der Mensch schon sehr früh sein eigenes Denken, seine eigene Kreativität erforscht hat. Mit seinen Entdeckungen in der Wissenschaft wie auch der Kunst verfügt der Mensch über eine Kraft – eine tatsächliche physische Kraft –, um seine Umgebung, die Umwelt, zu transformieren. Indem wir wachsen und expandieren, wird diese Kraft sogar über die Erde hinaus wirksam. In der Tat hat der Mensch schon in der Antike, als er noch nicht in den Weltraum fliegen konnte, in gewisser Weise den Himmel zu seinem Nutzen eingesetzt, indem er die Bewegungen der Planeten und Sterne verstehen lernte, was für die Navigation, für den Kalender und andere Dinge unerläßlich war. Über diese Macht verfügt also der Mensch, und wenn man sich das Wirken des Menschen im und über das Universum während der Jahrtausende ansieht, erkennt man eine Zunahme dessen, was LaRouche die Antientropie des Universums genannt hat. Das widerspricht der Idee des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik grundlegend. Für diesen Hauptsatz gibt es viele verschiedene Erklärungen, grundsätzlich aber besagt er, daß sich das Universum als Ganzes von Zuständen höherer Organisation auf Zustände niedrigerer Organisation bewegt. Es strebt also immer einem Gleichgewicht zu, d. h. es läuft ab. Man kann sich die Idee des Zweiten Hauptsatzes an einem einfachen thermodynamischen Beispiel verdeutlichen, daß nämlich Wärme immer von warm nach kalt fließt, also einem Gleichgewicht zustrebt. Wenn man ein heißes Stück Eisen in ein kaltes Wasserbad gibt, wird das Wasser wärmer, das Eisen kühler, und schließlich erreichen beide die gleiche Temperatur. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keinen kausalen Grund, der das erklären kann, außer daß das Gleichgewicht ein wahrscheinlicherer Zustand ist als ein Ungleichgewicht.
Beets: Kannst Du mehr darüber sagen? Was meinst Du damit, daß es dafür keine Erklärung gibt?
Director: Es gibt keinen kausalen Grund, wenn man ein heißes Stück Eisen in ein kaltes Wasserbad gibt, warum das Eisen nicht heißer und das Wasser kälter wird. Das heißt, die Wärme des Wassers würde auf das Eisen übertragen, d. h. das Eisen würde heißer und das Wasser kälter. Aber das passiert nie; man hat keine Beweise dafür, daß das passiert. Aber man sollte dennoch die Frage stellen, warum das so ist. Aus Gründen, die den Rahmen dieser kurzen Diskussion sprengen, kann man nur von einem mathematischen oder formalen Standpunkt aus sagen, daß der Zustand des Gleichgewichts ein wahrscheinlicherer Zustand ist; und deshalb stellt er sich ein. Die Wahrscheinlichkeit, daß das Gegenteil eintritt, ist so gering, daß es einfach nie passiert. Auf Grundlage einer solchen groben Kurzdarstellung dieses thermodynamischen Prozesses stellte Rudolf Clausius, der dies als erster in diesem Rahmen aufgriff, fest, daß es im Universum eine bestimmte Eigenschaft von Materie und Energie gebe, die er Entropie nannte, abgeleitet aus der griechischen Vorsilbe en für innen und trop, was im Deutschen Wendung oder Veränderung bedeutet. Neben der Energie, die von warm nach kalt fließt, gibt es auch eine innere Veränderung, die das Potential für Veränderung darstellt. Ein heißes Stück Eisen und ein kaltes Wasserbad bedeuten ein großes Potential für Veränderung, denn es herrscht ein großer Unterschied in den Temperaturen bzw. dem Wärmeinhalt. Nachdem das Eisen abgekühlt und das Wasser erwärmt ist, ist alles gleich – das Veränderungspotential ist praktisch null. Vielleicht gibt es noch lokale Schwankungen auf mikroskopischer Ebene – aber es gibt kein lauwärmer als lauwarm; es gibt nichts Gleicheres als das Gleichgewicht.
Beets: Das Potential für Veränderung bedeutet auch ein Potential für Arbeit.
Director: Ja, so kann man es auch sagen. Ich benutze die Idee des Veränderungspotentials, um eine allgemeinere Aussage zu machen, denn dieses Phänomen spielt inzwischen nicht nur im Fall der Thermodynamik eine Rolle, sondern auch in allen möglichen anderen Bereichen, wie der Informationstheorie und ähnlichen Dingen.
Betrachtet man hingegen die Wirtschaft, d.h. die Aktivität des Menschen, und die Entwicklung der Menschheit, dann sieht man genau den umgekehrten Prozeß: Das Potential für Veränderung nimmt ständig zu. Clausius berechnete die Entropie umgekehrt proportional. Mit anderen Worten, wenn das Veränderungspotential abnimmt, steigt die Entropie. Eine Zunahme der Entropie bedeutet also eine Abnahme des Veränderungspotentials. Und eine Zunahme des Veränderungspotentials bedeutet eine Abnahme der Entropie. Aber die menschliche Wirtschaft entwickelt sich in genau die andere Richtung. Die Aktivitäten der Menschheit und die Fähigkeit, Prinzipien der Wissenschaft und Kunst zu entdecken, erhöhen das Potential für Veränderung. Ein einzelner Mensch in der heutigen Gesellschaft hat ein viel größeres Potential, sich selbst und die Natur des Menschen zu verändern; genau das geschieht gerade mit der Aussicht, unsere Wirtschaft für ein Weltraumprogramm neu zu organisieren.
Präsident Trumps Vorschlag für eine Mond-Mars-Mission ist ein alter Vorschlag; LaRouche hat eine solche Mission schon vor langer Zeit angeregt. Auch schon vor LaRouche war es die Politik der US-Regierung, zum Mond und zum Mars zu fliegen. Jetzt kommen weitere Länder hinzu – China, Rußland, Indien, Japan; viele Nationen steigen ein. Es entwickelt sich also ein riesiges Potential für Veränderungen, wenn wir den Weltraum erforschen. Wie LaRouche hervorhob, bedeutet dies eine Zunahme des Veränderungspotentials; das ist das Grundprinzip der physischen Ökonomie. LaRouche betonte auch, daß dies nicht einfach eine Umkehr der Entropiezunahme ist. Es ist nicht so, daß das kalte Wasser kälter und das heiße Eisenstück heißer wird. Es ist ein ganz anderer Prozeß, bei dem etwas anderes als Entropie im Spiel ist. LaRouche nannte dies Antientropie, um es von dem Begriff der negativen Entropie zu unterscheiden, die genau das Gegenteil von Entropie ist. Ich habe den Begriff „Dynatropie“ aus dem griechischen Wort dynamis und trop geprägt, was Kraft zur Veränderung bedeutet.
Beets: Kommen wir noch einmal auf das zurück, was Du gerade gesagt hast, daß nämlich Antientropie, zumindest wie wir sie in der menschlichen Wirtschaft untersuchen, nicht nur umgekehrte Entropie ist. Und noch etwas: Du führtest das Beispiel eines heißen Eisenstücks in einem kalten Wasserbad an, wobei mir einfiel, daß der Begriff „Entropie“ meistens damit in Verbindung gebracht wird, daß das Universum abläuft bzw. uns die Ressourcen ausgehen – eine heute sehr weit verbreitete Annahme; je schneller wir uns entwickeln und die vorhandenen Ressourcen nutzen, desto schneller werde das Universum, in dem wir leben, untergehen.
Director: Das ist das Dümmste, was man sich vorstellen kann. Trotzdem ist es irgendwie lustig, denn eigentlich glaubt kaum jemand daran – abgesehen von großen Finanzinstitutionen und politischen Mächten wie der britischen Monarchie und dem Club of Rome. Nur in einigen Teilen der Welt stößt die Vorstellung, daß die Ressourcen knapp werden, in der Bevölkerung auf starken Widerhall, wodurch gleichzeitig viel Pessimismus entsteht. Trotzdem glaube ich nicht, daß dieser Glaube wirklich so weit verbreitet ist. Schauen wir einfach etwas in der Geschichte zurück. Was sind Ressourcen? Früher waren Pferde unsere Ressource für den Transport, und Öl war etwas, auf das man nicht stoßen wollte, wenn man eine Wasserquelle bohrte. Heute ist Uran – das früher nur dazu diente, Glas gelb zu färben – eine wichtige Energiequelle. Wenn wir die Fusionsenergie entwickeln – und ich bin zuversichtlich, daß dies sehr bald geschehen wird –, wird sogar ein Element wie Helium-3, das auf der Erde sehr selten, aber auf dem Mond reichlich vorhanden ist, zu einer Ressource werden. Es ist also keineswegs so, daß uns die Ressourcen ausgehen. Wir erfinden neue Ressourcen und wir lernen, wie wir die vorhandenen Ressourcen effizienter nutzen können. Das ist ein anderer Ausdruck von Antientropie. Nicht nur die Energieflußdichte der Menschheit nimmt zu, sondern auch unsere Fähigkeit, Materie und Energie so zu organisieren, daß Dinge, die bisher nicht einmal bekannt waren, zu Ressourcen werden.
Beets: Also Dinge, die man gar nicht berücksichtigen konnte, wenn man die Ressourcen aufzählte. Wie kam es dann aber, daß ein Konzept, das aus der Untersuchung geschlossener thermodynamischer Systeme stammte, auf das gesamte Universum ausgedehnt wurde?
Director: Der Grund hierfür war Gehirnwäsche und Dummheit; aber das ist ja nicht wirklich neu. Zumindest liegt der Beginn davon nicht erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es entwickelte sich eine sehr ähnliche Art von Massenhysterie wie um die Zeit der Ermordung von Archimedes durch die Römer oder dem Zusammenbruch der griechischen Gesellschaft nach den Peloponnesischen Kriegen. Eigentlich begann die Degeneration der griechischen Gesellschaft schon lange vorher. Der Höhepunkt der klassischen griechischen Kultur und Wissenschaft war wahrscheinlich schon vor Sokrates zur Zeit der Pythagoräer und deren späteren Anhänger wie Archytas u.a.
Den Griechen und Ägyptern und wahrscheinlich auch anderen antiken Kulturen war aufgrund ihrer astronomischen Beobachtungen bewußt, daß sich die Erde auf ungleichmäßigen Bahnen um die Sonne bewegt – zumindest hatten sie eine grobe Vorstellung davon. Das Sonnensystem war für sie im wesentlichen ein heliozentrisches System. Aber etwa seit der Zeit der Ermordung von Archimedes herrschte die nächsten 1800 Jahre die Vorstellung vor, daß die Erde im Zentrum des Sonnensystems steht. Tatsächlich grenzte es an Ketzerei, etwas anderes zu äußern. Könnte man nicht einfach sagen, daß dies nur eine Art von Esoterik ist? Die meisten Menschen versuchten nur, sich als Bauern oder Kleinhändler durchzuschlagen. Warum sollte es wichtig sein, ob sie dachten, die Erde oder die Sonne sei der Mittelpunkt? Tatsächlich ging es hierbei um einen theologischen Irrglauben, der entscheidend dafür war, um das imperiale Römische Reich aufrechtzuerhalten. Das Argument lautete wie folgt: Wenn die Erde im Zentrum steht, unbeweglich, ist sie voller Veränderungen; je weiter man sich von der Erde entfernt, desto weniger ändern sich die Dinge. Man schaute auf die Planeten, man schaute auf die Sterne, die sich viel weniger verändern. Der vollkommenere Teil des Universums liegt also weit von der Erde entfernt. Diese Art Irrglauben wurde dann die theologische Rechtfertigung für ein imperiales System: Gott befindet sich weit draußen im vollkommenen, unveränderlichen Teil des Universums, während der Mensch hier unten auf der Erde ist – so weit von Gott entfernt, wie man sich nur vorstellen kann. Deswegen gebührt dem Kaiser aller Gehorsam, denn er ist der einzige, der für Stabilität sorgt; er ist der einzige, der Veränderungen entgegentreten kann. Denn der Zweck eines imperialen Systems ist es, Veränderungen zu verhindern, Entwicklung zu unterdrücken. All das erhielt in der Zeit der Renaissance und mit Kepler immer mehr Risse. Die erdzentrierte Weltsicht war somit nur eine neue Version des antiken Irrglaubens – daß im Universum keine Veränderung gewünscht sei. Das Universum strebe immer auf ein Gleichgewicht zu. Alles, was Veränderung verursacht, sei anti-universal. Daher stehe auch das, was der Mensch tut, seine wesentliche Natur, im Widerspruch zur Eigenart des Universums. So ist das alles entstanden. Tatsächlich hat einer von Clausius’ Zeitgenossen, Lord Kelvin, eine ganze Abhandlung über den Wärmetod des Universums geschrieben. Er meinte, wir alle müßten letztendlich akzeptieren, daß das Universum untergehen und sich ins Nichts auflösen werde. Und alles, was der Mensch tue, sei völlig entgegengesetzt zu dem, wohin das Universum strebe. Seit dieser Zeit ist dies sozusagen die vorherrschende Ansicht.
Beets: Genau dagegen machte LaRouche mit seiner Schrift „Über LaRouches Entdeckung“ Front, worin er berichtete, wie er in den 1940er Jahren erstmals auf Norbert Wieners Behauptung stieß, statistische Entropie sei die Eigenart des Universums, und dies liege auch der menschlichen Kommunikation zugrunde. Wiener behauptete außerdem, eine statistische Umkehrung der Entropie sei das Wesen lokaler Anti-Entropie. LaRouche reagierte darauf spontan, daß dies völlig falsch sei. Er begann eine eigene Untersuchung über Anti-Entropie im Bereich der menschlichen Ökonomie und der menschlichen Kunst. Damit kommen wir zurück zu dem, was Du Dynatropie genannt hast, was ja Antientropie ist – nicht das Gegenteil von Entropie, sondern ein ganz anderer Prozeß.
Director: Ganz genau! Das Universum ist durch einen völlig anderen Prozeß charakterisiert. Anstatt über das Universum als das zu sprechen, was es nicht ist, sollten wir lieber darüber reden, was es tatsächlich ist, und dafür hat uns LaRouche die Mittel gegeben. Das Universum ist kreativ.
Die Frage für uns heute ist, zu erkennen, daß das, was LaRouche als menschliche Aktivität bezeichnet, eine universelle Eigenschaft ist, und dafür hat er, denke ich, sehr starke Beweise und überzeugende Argumente angeführt. Der Grund, warum der Mensch die Eigenschaft der Antientropie ausdrücken kann, ist, daß dies die Eigenschaft des Universums selbst ist.
Die Frage ist nur: Können wir das zeigen? Können wir zeigen, daß dies eine Eigenschaft des Universums selbst ist und nicht nur eine menschliche Eigenart, wie das Gegenargument lautet? Oder ist nur der Mensch antientropisch, was auf Kosten einer Entropieerhöhung im restlichen Universums ginge? Dieses Argument ist allein schon von einem empirischen, wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen ziemlich absurd; denn die Annahme, daß das, was wir in dieser kleinen Ecke des Universums tun, irgendwie die Entropie des gesamten Universums erhöht, ist ein wenig anmaßend. Vielmehr ist dies dem Menschen möglich – wie LaRouche betonte –, weil das Universum selbst kreativ ist. Das ist seine ontologische Eigenschaft. LaRouche hat im Laufe seines Lebens viele sehr wichtige Entdeckungen gemacht. Er hat sich selbst mit den Werken großer Wissenschaftler beschäftigt – der Griechen, der Renaissance-Wissenschaftler, Leonardo, Pacioli, Cusa, Leibniz und anderer – und andere hierzu inspiriert. Wenn man sich die Arbeiten der großen Wissenschaftler der Vergangenheit ansieht, die wirklich grundlegende Entdeckungen gemacht haben, weiß man, daß diese Entdeckungen aus der Überzeugung resultieren, daß das Universum grundlegend kreativ ist. Das sieht man bei Kepler, bei Cusa, bei Leibniz und Einstein, bei Planck und so weiter. Für die Wissenschaft stellt sich die Frage, ob wir dies wieder zum Standard wissenschaftlicher Untersuchungen machen können. Ich denke, dafür müssen wir wirklich kämpfen, vor allem, wenn wir den Weltraum besiedeln, die Kernfusion entwickeln und andere Grenzen der Wissenschaft überwinden wollen.
Beets: Die Annahme, daß sich das Universum durch Entropie auszeichnet, hat somit nicht nur unsere gesellschaftliche Organisation zurückgehalten, sondern auch die Wissenschaft selbst massiv behindert.
Director: Ja. In meinen Aufzeichnungen „Das Vermächtnis Lyndon LaRouches und die Zukunft der Wissenschaft“ erwähne ich ein Papier von Max Planck aus den 1930er Jahren „Wohin geht die Wissenschaft?“ Nur zur Erläuterung: Max Planck war ein führender Wissenschaftler vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er hat mit Einstein zusammengearbeitet, er war ein klassischer Pianist, und er war der eigentliche Wissenschaftsdekan für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Er hat sich schon früh in seinem Leben entschieden, Klavier zu spielen, aber er gab seine Karriere als klassischer Pianist auf und wandte sich der Physik zu, obgleich seine Professoren und Berater ihm davon abrieten; dies sei reine Zeitverschwendung, sagten sie ihm, denn mit der Entdeckung des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik sei alles entdeckt worden. Es müßten nur noch die Details ausgearbeitet zu werden.
In „Wohin geht die Wissenschaft?“ blickte er auf den Stand der Wissenschaft im Jahr 1880 zurück, bevor die Atomwissenschaft aufkam und die Quanteneffekte entdeckt wurden. Damals, so Planck, sei man in der Wissenschaft zu dem Schluß gekommen, daß es in der Physik im wesentlichen zwei unterschiedliche Prozesse gebe.
Erstens deterministische Prozesse, die er als reversibel bezeichnete, wie die Bewegung eines Planeten oder das Schwingen eines Pendels. Wenn man die passenden Gleichungen hätte und die Anfangsbedingungen kenne, könne man jeden Aspekt dieser Bewegungen mathematisch beschreiben.
Dann gebe es Vorgänge wie die Wärmeübertragung, für die man keine Gleichungen aufstellen, sondern nur statistische Methoden verwenden könne. Das sei in Ordnung, denn die Wissenschaft habe sich vor allem durch den Fortschritt in der Technik weiterentwickelt, besonders als man begann, die Wechselwirkung des Immateriellen mit dem Materiellen zu untersuchen, wie z.B. die Wechselwirkung zwischen Materie und Energie.
Man betrachte nur das berühmte Schwarzkörper-Experiment, das wie bei einem Ofen funktionierte. Man heizt den Ofen auf, und die Wände des Ofens beginnen aufgrund der Wärme an zu glühen, wodurch Licht abgestrahlt wird. Das Licht wird dann von den Wänden des Ofens wieder absorbiert, aber es strahlt auch in den Hohlraum des Ofens zurück. Es gibt also eine Wechselwirkung zwischen dem immateriellen Prozeß – Licht und Wärme, die eigentlich zwei Versionen desselben Dings sind – und der materiellen Substanz der Wände. Aus dieser Entdeckung Plancks haben sich alle möglichen neuen Paradoxe ergeben, zum Beispiel die Beziehung zwischen der Farbe des Lichts und der Temperatur des Ofens. Allerdings sind die Dinge in dieser Hinsicht nicht so einfach, wie sie scheinen.
All die Paradoxe, die wir jetzt Quantenphysik nennen, sind daraus entstanden – Phänomene wie der sogenannte Welle-Teilchen-Dualismus oder die Nichtlokalität und Superposition. All das sind Dinge, die die Wissenschaftler nicht wirklich verstehen. Dennoch sind sie nutzbar; man kann diese Phänomene beherrschen, etwa bei der Entwicklung von Computern und vielen anderen Dingen. Aber wir können nicht erklären, wie sie entstehen. Planck sagte, der Grund dafür, daß wir ihre Entstehung nicht erklären können, ist, daß wir immer noch auf diesen beiden Fundamenten festsitzen: der dynamischen und der statistischen. Man müsse auf eine höhere Ebene gelangen. Er sagte nicht, was das sein könnte, aber er war davon überzeugt, daß es irgendwo in der Natur des menschlichen Geistes liegen müsse.
Hier hat LaRouche meines Erachtens einen sehr wichtigen Beitrag zur Wissenschaft geleistet, der gefördert und viel ernster genommen werden muß. Der Ausgangspunkt ist ja die Frage, wie der menschliche Geist funktioniert. Wie entstehen im Geiste neue Dinge? Wenn man diesen Aspekt untersucht, den LaRouche als Kreativität an sich bezeichnete, erhält man Einblicke in die Natur der Kreativität und damit in das Universum selbst. Wenn man dann einige dieser Paradoxe angeht, die sich in der wissenschaftlichen Untersuchung stellen, tritt aus der Sicht eines ontologisch kreativen Universums ein Potential für ganz neue Entdeckungen auf. Das ist meiner Meinung nach eine echte Herausforderung für die Wissenschaft.
Planck stellte zu seiner Zeit die Frage: „Wohin geht die Wissenschaft?“ Für uns wäre das: „Wohin ist die Wissenschaft gegangen?“ Und heute müssen wir fragen: „Wohin wird die Wissenschaft jetzt gehen?“ Im Moment stehen wir an einem Scheideweg, und ich glaube wirklich, daß die Erkenntnisse, die uns LaRouche geliefert hat, in eine fruchtbare Richtung weisen, um diese Frage zu beantworten.
Beets: Ich möchte unsere Diskussion dabei belassen, bis auf eine abschließende Frage, die Deine doch sehr provokative Aussage von eben aufgreift. Indem wir unsere eigenen kreativen Kräfte untersuchen – die sich entwickeln, sie sind nicht fix –, können wir etwas über das Universum als Ganzes entdecken. Warum ist das gerade jetzt so wichtig, angesichts all dessen, was wir über den politischen Kampf wissen, der sich auf der Weltbühne abspielt, und über die Tatsache, daß der Mensch vor der Wahl steht zwischen einem zusammenbrechenden alten Paradigma des Krieges, der Geopolitik, des Imperiums und dem aufkommenden Neuen Paradigma in der Welt? Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen, mit denen die Menschen heute konfrontiert sind, warum sollten sie sich für das interessieren, was Du gerade angesprochen hast?
Director: Ich denke, man muß in Betracht ziehen, daß wir uns in einer revolutionären Periode der Menschheitsgeschichte befinden – wir bewegen uns aus einem dunklen Zeitalter heraus. Das 20. Jahrhundert war ein ziemlich pessimistisches Jahrhundert. Es sah die schlimmsten Kriege und den schlimmsten Völkermord in der Geschichte der Menschheit. Doch gleichzeitig gab es in dieser Zeit enorme Fortschritte in der Technologie, trotz all der schlimmen Dinge, die geschahen. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem sich die Menschheit zusammentut, um den Weltraum zu erforschen.
Bernhard Riemann, der große mathematische Physiker und Wissenschaftsphilosoph, auf den sich LaRouche häufig bezog, hat einmal gesagt, daß Entdeckungen gemacht werden, indem die Wissenschaft in das ganz Große und in das ganz Kleine vorstößt. Das vollzieht sich heute; wir sind inzwischen dazu in der Lage wie nie zuvor. Wir stellen immer neue Fragen. Viele dieser Fragen werden umgangen, indem man versucht, mit mathematischen Gleichungen zu hantieren, um eine Erklärung für diese Fragen zu finden. Wir müssen über die mathematischen Gleichungen hinausgehen und nach den eigentlichen Ursachen suchen.
Ich möchte ein Beispiel dafür geben, woher dies meiner Meinung nach kommt. Es gibt große Fortschritte in der Medizintechnik und im Verständnis von Lebensvorgängen und lebenden Systemen. Aber wir übersehen eine einzige Frage, die wir nicht beantworten können: Was ist eigentlich Leben? Die vorherrschende Sichtweise in der Wissenschaft – ich sage nicht die einzige Sichtweise, denn es gibt eine wachsende Zahl von Wissenschaftlern, die das von ihrem eigenen Standpunkt aus betrachten – aber die vorherrschende Sichtweise läuft darauf hinaus, Leben und das Verhalten lebender Dinge als Begleiterscheinung nichtlebender Prozesse zu erklären. Die Komplexität selbst von Einzellern soll sich irgendwie durch die Gesetze der Physik erklären lassen. Aber in einem lebenden Organismus gelten die unbelebten Gesetze der Physik nicht.
Niemand war bisher in der Lage, Leben aus Nichtleben zu erschaffen. Man kann Leben nicht vom Standpunkt der unbelebten Physik erklären. Tatsächlich stellt man zunehmend fest, daß Leben unter seinen gewöhnlichen Bedingungen „normal“ Dinge tut, die im abiotischen Bereich nur unter extremen Bedingungen oder gar nicht passieren.
Beets: Das heißt bei extremen Temperaturen und Drücken.
Director: Extreme Drücke wie bei Sternenexplosionen oder ähnlichen Ereignissen. Dennoch erzeugen lebende Organismen komplexe Moleküle, nutzen Energie und wandeln sich um. Wie Wernadskij zeigte, transformieren lebende Organismen die unbelebten Teile der Erde. Lebende Organismen verwandeln z. B. Gestein in Erde. Und die Art und Weise, wie sich der Mensch Leben zunutze macht – in der Landwirtschaft etwa – fördert diesen Prozeß noch mehr.
LaRouche betonte dies sehr stark. Man kann Wissenschaft nicht von unten nach oben verstehen, wie es meistens praktiziert wird. Man beginnt mit der Physik und sagt: „Was in der Physik kann Leben erklären? Was im Leben kann den Menschen erklären?“ So kann man nicht vorgehen. Wenn man es andersherum angeht, wird vieles einfacher.
Als erstes muß man fragen: Was macht der Mensch? Und was ist die kreative Kraft, die der Mensch hat? Dann untersucht man, wie sich das in Lebensvorgängen zeigt, sogar in nichtmenschlichen Organismen wie Pflanzen.
Auch in Pflanzen gibt es eine Art von Bewußtsein. Die Wurzeln kommunizieren mit den Blättern auf organisierte Art und Weise. Vom pflanzlichen Standpunkt hat die Pflanze ein gewisses Verständnis von sich selbst – nicht so wie der Mensch, aber so wie bei keinem unbelebten Prozeß. Pflanzen interagieren mit der Welt um sie herum. Sie nehmen Wasser und Kohlendioxid auf – all das wunderbare Kohlendioxid, das der Mensch erzeugt.
Beets: Und die Pflanze formt sich, um auf Licht zu reagieren.
Director: Richtig! Es formt ihren Körper so, daß er auf Licht reagiert, und die Pflanzen lieben Kohlendioxid. Wenn wir nett zu den Pflanzen sein wollen, sorgen wir dafür, daß mehr Kohlendioxid produziert wird. Wir sollten nicht diese Pflanzenkiller unterstützen, die versuchen, Kohlendioxid zu begrenzen. Das müssen Pflanzen-Völkermörder sein. So betrachtet, geht hier etwas ganz anderes vor sich. Das Beispiel Pflanze ist ein ziemlich extremes Beispiel, aber man sieht das auch bei Tieren und der Fähigkeit des Menschen, Tiere zu domestizieren und so weiter. Diesen Fragen nachzugehen und zu erforschen, wie die schöpferischen Kräfte des Menschen im und über das Universum das Universum selbst verändern, ist die Zukunft der Wissenschaft. Ich denke, viele haben eine gewisse instinktive Vorstellung davon, daß man diesen Weg gehen muß.
Manchmal ist es lustig, mit Wissenschaftlern zu sprechen, denn wenn man sie fragt, wie sie ihre kreative Arbeit erklären, werden sie plötzlich völlig unverständlich. Doch ihre Entdeckungen kommen nie auf die Art und Weise zustande, wie sie diese mit mathematischen Gleichungen, logischen Theorien oder deduktiven Theorien zu erklären versuchen. Der schöpferische Wissenschaftler benutzt seinen Verstand und macht eine Entdeckung allein mit Hilfe seiner schöpferischen Kraft.
LaRouche betonte, man müsse sich auf das Verständnis dieser schöpferischen Kraft konzentrieren und dann sehen, wie sich diese schöpferische Kraft in anderen Teilen des Universums ausdrückt. Ich denke, es entsteht ein großes Potential, wenn wir das tun.