Angesichts der verheerenden Dürre im westlichen Teil der Vereinigten Staaten müssen neben langfristigen Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserversorgung auch wissenschaftliche Anstrengungen unternommen werden, um sofort für mehr Niederschläge in den betroffenen Gebieten zu sorgen. Ein vielversprechender Ansatz ist, die Atmosphäre mit verschiedenen Methoden zu ionisieren, um die Kondensation von Feuchtigkeit in hohen Luftschichten zu vergrößern.
Die Wasserkrise in den Vereinigten Staaten hat sich dermaßen zugespitzt, daß selbst in dem Fall, daß das ursprüngliche Projekt der Nordamerikanischen Wasser- und Stromallianz (NAWAPA) aus den 60er Jahren verwirklicht worden wäre, jetzt zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Mit NAWAPA könnten große Mengen Wasser, die in Alaska und Kanada ungenutzt ins Meer fließen, über Kanäle, Pump- und Röhrensysteme in die Trockengebiete im Westen der USA und sogar bis Mexiko geleitet werden, wo sich die großen Nahrungsmittelanbaugebiete befinden.
Doch selbst das würde heute nicht mehr ausreichen, weil man damals noch nicht erkannt hatte, daß die Sonne sich stark abschwächen würde. Zahlreiche, unabhängige Indikatoren lassen darauf schließen, daß wir uns sehr wahrscheinlich auf ein großes Sonnenminimum zubewegen, das die klimatischen Bedingungen in unterschiedlichen Regionen auf der Welt ganz verschieden beeinflussen wird. Diesen Veränderungen im Sonnensystem müssen wir uns als Menschheit stellen, ganz gleich, was passiert.
Da aber NAWAPA nicht gebaut wurde, ist die Krise heute noch gravierender, wobei es noch nicht einmal eine stabile Ausgangslage gibt, von der aus man größere Klimaschwankungen und damit einhergehende Dürreperioden überstehen könnte. Das macht es um so dringlicher, uns auf die Zukunft zu orientieren und einen Riesensprung nach vorne zu machen, indem wir die Kernfusion entwickeln und Wettermodifikationssysteme erproben. In diesem Zusammenhang werden auch NAWAPA und andere Bewässerungssysteme wieder interessant, um der Krise Herr zu werden.
Angesichts der Schwere der Krise müssen alle verfügbaren wissenschaftlichen Möglichkeiten mobilisiert werden, um die Wasser- und Nahrungsmittelversorgung der Menschen in Nordamerika sicherzustellen, einschließlich von Systemen zur Beeinflussung und Kontrolle des Wetters. Wettermodifikationssysteme könnten den Regionen im Westen der USA Regen bringen, wo er am dringendsten gebraucht wird, und ließen sich auch in ein nuklear betriebenes NAWAPA-XXI-System integrieren, das parallel dazu geplant und gebaut werden müßte.
Bei den von uns vorgeschlagenen Wettermodifikationssystemen geht es nicht um das bekannte „Wolkenimpfen”, sondern um bodengestützte elektrische Systeme, mit denen der Ionisierungsgrad bestimmter Regionen der Atmosphäre kontrolliert moduliert wird, was sich wiederum auf die Wasserdampfkondensation, die Wolkenbildung, die Freisetzung latenter Wärme, die örtliche Leitfähigkeit des globalen Stromkreises und ähnliche Prozesse auswirkt, die das Wetter beeinflussen.
Das sind keineswegs rein theoretische Überlegungen. Ionisierungssysteme wurden bereits eingesetzt, um in einigen Regionen Rußlands, Mexikos, Australiens und der Vereinigten Arabischen Emirate Niederschläge zu verstärken, wofür es vielfältige, unabhängige Demonstrationen gibt, die unterschiedlich erfolgreich waren.
Für die Dürregebiete in den Vereinigten Staaten ließen sich ähnliche Systeme mit wasserwirtschaftlichen Großprojekten wie NAWAPA XXI integrieren, wodurch das Prinzip der Wasserumleitung von Nord nach Süd deutlich verstärkt würde.
Das Prinzip besteht darin, den Wasserkreislauf auf dem amerikanischen Kontinent und den ihn umgebenden Ozeanen besser zu steuern, indem Wasser an die Orte gebracht wird, wo es gebraucht wird, und ein Zuviel an Wasser nicht jene Regionen belastet, wo es nicht gebraucht wird. Vor allem muß die Produktivität des Wassers erhöht werden, indem es vermehrt in Prozesse der Photosynthese, in biologische und wirtschaftliche Aktivitäten einbezogen wird.
Ionisierungssysteme könnten diesen Prozeß durch Beeinflussung der Luftfeuchtigkeit und der Niederschläge verstärken. Damit ließe sich schon kurzfristig die akute Dürresituation im Westen und Süden der USA lindern, doch ihr eigentlicher Erfolg ist eng mit der zentralen Rolle von NAWAPA-XXI verbunden.
Angesichts der drohenden Gefahr von Wasser- und Nahrungsmittelknappheit wäre es fahrlässig, nicht ernsthaft alle der Menschheit verfügbaren wissenschaftlichen Optionen zur Behebung der Krise zu prüfen.
Das NAWAPA-Prinzip
NAWAPA und ähnliche Wasserumleitungsprojekte auf der Erde sind der längst überfällige nächste Schritt zur Steigerung der Produktivität der Biosphäre und der Weltwirtschaft. Schon vor Tausenden von Jahren war das Wachstum der Menschheit eng mit der Regulierung und Verbesserung der Wasserversorgung verbunden. Das Grundprinzip dabei war stets und muß es auch bleiben, daß der Mensch die Produktivität des Wasserkreislaufes erhöht, was sich in der vermehrten Verwendung und Wiederverwendung von Wasser in produktiven biologischen oder industriellen Prozessen ausdrückt.
Die Vorstellung, daß wir Trinkwasser einfach „aufbrauchen”, ist mehr als einfältig.
Die Sonne beispielsweise verrichtet eine Riesenarbeit, um ungeheure Mengen Wasser zu verdunsten. Von der gesamten Sonneneinstrahlung, die die Erde am Tag erreicht (173 Mio. Gigawatt) werden 25 % allein für die ständige Verdunstung von Wasser verwendet. D. h. sehr große Wassermengen (und potentielle Energie) in Form von Wasserdampf schwebt beständig über uns.
Nicht nur die Menge Wasser in der Luft selbst ist bemerkenswert, sondern auch dessen Struktur. Seit der 1990er Jahren sprechen Wissenschaftler von „Atmosphärenflüssen”, engen Korridoren oder Filamenten konzentrierten Wasserdampfs, die hoch über der Erde entlang strömen. Messungen haben ergeben, daß sie nur 10 % der Fläche der Mittelbreiten einnehmen, aber 90 % der Feuchtigkeit, die sich von den Tropen zu den Polen bewegt – ein Ausdruck konzentrierter Strukturen und keineswegs einer homogenen Verteilung.
Einige Atmosphärenflüsse haben einen größeren Durchfluß als der größte Strom der Erde, der Amazonas.1
Wenn dieses Wasser als Regen über dem Land fällt, läßt er die Pflanzen wachsen und ist damit der Ursprung fast aller Nahrungsmittel für die Menschheit. Die eigentliche Quelle von Flüssen, Seen und des Grundwassers ist der Prozeß von Verdunstung und Niederschlägen.
Es gibt also kein „beschränktes Angebot” von Wasser, und Wasser ist auch keine Ressource, die
„aufgebraucht” wird. Wasser muß nicht „das neue Öl” werden, wie manche behaupten.
Der Mensch muß sich einfach die bestehenden großen Feuchtigkeitskreisläufe zunutze machen, denn die unberührte Biosphäre ist in ihrer hydrologischen Verteilung nicht immer gerecht.
Genau das trifft auch auf NAWAPA zu, denn die natürlichen Gegebenheiten von Wind, Meer und Geologie in Nordamerika haben eine starke Ungleichheit in der Verteilung von Frischwasser in der westlichen Hälfte des Kontinents zur Folge. Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, fällt in einem kleinen Küstenstreifen von Alaska bis hinunter zum US-Bundesstaat Washington soviel Niederschlag wie nirgendwo sonst im Westen oder Südwesten der Vereinigten Staaten. Doch leider fließt der Großteil dieses Wassers schnell in den Ozean zurück, ohne in der Biosphäre nennenswert produktiv genutzt zu werden.
Was für eine entsetzliche Verschwendung der Sonnenenergie!
Das in den 50er und 60er Jahren geplante NAWAPA-Projekt würde die Produktivität der Biosphäre pro Quadratkilometer in der Westhälfte Nordamerikas drastisch erhöhen, indem 20 % des ansonsten in Alaska und British Columbia ungenutzt ins Meer fließenden Wassers in den Südwesten umverteilt wird, wozu eine Reihe von Staudämmen, Kanälen, Tunneln, Pumpanlagen und ähnlichen Systemen gebaut werden müssen.2 Das meiste dieses Wassers wird letztlich auch wieder ins Meer zurückfließen, doch zuvor wäre es mehrfach an wichtigen photosynthetischen, biologischen und industriellen Prozessen beteiligt, wodurch die Produktivität des Wasserkreislaufes gewaltig anstiege.
Wenn nach neuesten Plänen NAWAPA mit Kernkraft betrieben würde, anstatt mit Wasserkraft, wodurch dem System viel Wasser verloren ginge, könnte die zur Verteilung im Südwesten verfügbare Wassermenge womöglich verdoppelt werden.
Mit Kernkraft könnten in wichtigen Küstenregionen auch große Mengen Meerwasser entsalzt werden, das direkt in das NAWAPA-System eingespeist würde.
Im Rahmen von NAWAPA insgesamt – das selbst darauf angelegt ist, den Wasserkreislauf auf dem gesamten Kontinent intensiver und produktiver zu nutzen – fänden Wettermodifikationssysteme ihren Platz, um die Niederschlagszyklen zu erweitern und gezielt zu steuern.
Wettermodifikation mittels Ionisierung
Die hier besprochenen Wettermodifikationssysteme basieren auf Kenntnissen über atmosphärische Eigenschaften wie Ionisierung, latente Wärme und verwandter Faktoren sowie auf zusätzlichen Ionisierungs- und Elektrizitätseffekten.
So hatte einer der führenden russischen Wissenschaftler auf dem Gebiet der solar-terrestrischen Physik, M. I. Pudowkin, bereits 1989 die Hypothese aufgestellt, daß galaktische kosmische Strahlung Klima und Wetter auf der Erde beeinflußt.3 In den Folgejahren wurden Pudowkin und sein Team zu einer führenden Forschergruppe unter einer wachsenden Bewegung, die sich mit der Wechselwirkung zwischen Galaxis, Sonne und Erde beschäftigte.4
Im Westen begann das Thema Ende der 90er Jahre bekannter zu werden, als sich der dänische Physiker Henrik Svensmark für eine neue Wissenschaft der „Kosmoklimatologie” einsetzte. Svensmark und seine Kollegen zeigten sehr enge Korrelationen zwischen Veränderungen der globalen Wolkendecke und Variationen in der galaktischen kosmischen Strahlung. Sie schlugen vor, daß die ionisierende Wirkung kosmischer Strahlung eine Rolle bei der Wolkenbildung spiele und somit das Klima beeinflusse.5
Er vermutete, daß die durch die galaktische kosmische Strahlung erzeugten Ionen zu Kondensationszentren für den Wasserdampf werden und daß sich diese wachsenden Kondensationscluster schließlich zu Wolken ausbilden.
Besondere Aufmerksamkeit sollte auch auf die Effekte des Kondensationsprozesses selbst gerichtet werden. Wenn sich Wasser vom gasförmigen in den flüssigen Zustand umwandelt, wird Energie freigesetzt – auch Freisetzung latenter Wärme genannt. Der Umstand, daß ein ganzes Viertel der eingestrahlten Sonnenenergie bei der Verdunstung von Wasser gewissermaßen gespeichert wird, zeigt, daß sich in der Atmosphäre jederzeit ungeheuer viel potentielle Energie befindet, die darauf wartet, als Wärme frei zu werden, wenn das Wasser in den flüssigen Zustand zurückverwandelt wird.
Die Rolle, die die Ionisierung spielt, um die Kondensation und damit die Freisetzung latenter Wärme anzuregen, bedeutet auch, daß Veränderungen in der Ionisierungsstärke neben ihrer Wirkung auf Wolkenbildung und Niederschlag auch einen Einfluß auf den großen Energiespeicher in der Atmosphäre haben. Es gibt Hinweise darauf, daß dies sogar Auswirkungen auf Hurrikans und Zyklone haben kann.
Auch wenn die genauen Einzelheiten des Vorganges, der von der Ionisierung zur Wolkenbildung führt, seit Jahren Gegenstand akademischer Debatten sind, verlangt die sehr reale Nahrungsmittel- und Wasserkrise in Amerika, daß die Diskussion sehr schnell die akademische Welt verläßt und zum Gegenstand aktiver Forschung und praktischer Experimente wird.6
Können wir auf diese Prozesse gezielt einwirken, um das Wetter zu modifizieren? Und lassen sich insbesondere die Niederschläge beeinflussen?
Seit Jahrzehnten wird dafür eine besondere Technik verwendet: An einem Mast wird ein Geflecht dünner Stromkabel befestigt, über die mit Hilfe speziell abgestimmter Ströme eine Ionisierung der umgehenden Luft erreicht wird. Die so ionisierte Luft verbreitet sich (durch Wind oder elektrische Ladungen) in die umgebende Atmosphäre und beeinflußt so Kondensation, Wolkenbildung, Freisetzung latenter Wärme, die lokale Leitfähigkeit des globalen Stromkreislaufs und verwandte Prozesse.
In Mexiko sind solche Systeme seit Jahren erfolgreich im Einsatz, nachdem Mitte der 90er Jahre Dutzende solche Stationen eingerichtet wurden, um in wichtigen Regionen den Niederschlag zu erhöhen. Wie weiter unten genauer dargestellt, basieren diese mexikanischen Anlagen auf ursprünglich in Rußland entwickelten Technologien, wo sie ebenfalls erfolgreich eingesetzt wurden (um zum Beispiel die Ernten in der Region Krasnodar zu steigern).7
In jüngerer Zeit wurden in den Vereinigten Arabischen Emiraten ähnliche Systeme eingerichtet, und Versuchsanlagen in Australien haben ebenfalls positive Ergebnisse gezeigt. In anderen Ländern hat es gleich erfolgreiche Demonstrationen gegeben, doch die erwähnten drei Beispiele, die öffentlich zugängig sind, genügen zur grundsätzlichen Darstellung.
Fallstudie Mexiko
In den 90er Jahren begann der damalige Direktor der Abteilung für Weltraumforschung und -entwicklung an der Universität von Mexiko, Dr. Gianfranco Bissiachi, mit dem russischen Wissenschaftler Dr. Lew Pochmelnych zusammenzuarbeiten, der sich schon seit den 80er Jahren mit Konzepten der Wettermodifikation beschäftigt hatte. Mit Unterstützung von Heberto Castillo, dem damaligen Vorsitzenden des mexikanischen Senatsausschusses für Wissenschaft und Technologie, bauten Pochmelnych und Bissiachi eine erste Anordnung von drei Ionisierungsstationen auf Grundlage von Pochmelnychs Entwürfen (ELAT) auf.8 Die ersten Ergebnisse erzeugten soviel Interesse, daß das System von drei Stationen 1999 auf 21 Stationen 2004 erweitert wurde.
8 . Nach dem Fall der Sowjetunion baute Pochmelnych Anfang der 1990er Jahre die Firma Electrificación Local de la Atmósfera Terrestre SA (ELAT) auf, die seine Techniken zur Wettermodifikation vermarkten sollte. Siehe Adi Ignatius, “Rain, Rain, Go Away, Go Soak Someone Less Willing to Pay: Moscow Firm Offers Weather Made to Order, Wall Street Journal, Oct. 2, 1992; Andrew Higgins, “Out of Russia: For a Price, Even Weather Is Up for Sale,” Independent, Oct. 9, 1992; und “Russian Scientist – Mexico’s New Rain God?,” Reuters, June 24, 1996.
2003 erschien in Mass High Tech ein Artikel über den möglichen Einsatz von Ionisierungssystemen in den Vereinigten Staaten auf Grundlage des mexikanischen Vorbilds. Darin wird der Erfolg der ersten mexikanischen ELAT-Station wie folgt beschrieben:
„Die erste ELAT-Station des Landes in den Trockengebieten von Sonora ließ im ersten Jahr den durchschnittlichen Niederschlag von 27 cm auf 130 cm ansteigen, wie das mexikanische Agrarstatistikamt feststellte. Als aufgrund mangelnder Staatsmittel die Station im darauffolgenden Jahr abgeschaltet wurde, betrug der Niederschlag in dem Gebiet 28 cm. Als die Station im dritten Jahr wieder in Betrieb ging, wurden in der Gegend 119 cm Niederschlag gemessen. [2003 war die Technik im Einsatz] in acht Bundesländern der trockensten Regionen Mexikos, und einige Gegenden [meldeten] eine Verdoppelung oder Verdreifachung des jährlichen Niederschlags.”8
2004 berichtete auch IEEE Spectrum über die Entwicklungen in Mexiko und verwies auf eine Verdoppelung des langjährigen durchschnittlichen Niederschlags in der mexikanischen Zentralregion, was zu einem Anstieg der Bohnenernte in den betroffenen Gebieten um 61 % führte. Laut Bisiacchi könne jede Station das Wetter in einem Umkreis von bis zu 200 km beeinflussen.
In einer Studie von 2008 über den möglichen Einsatz dieser Ionisierungssysteme im US-Bundesstaat Texas wurden die Niederschlagsmengen in den zentralen und südlichen Regionen des mexikanischen Bundesstaats Durango analysiert, der ein Jahrzehnt lang von den Ionisierungsstationen profitiert hatte (Abbildung 2). In jedem Jahr zwischen 1999 und 2003 lag der Niederschlag deutlich über der jeweils erwarteten Höhe. Die Autoren der Studie haben berechnet, daß die Wahrscheinlichkeit eines Zufalls hierfür unter 1 : 400 Milliarden lag.9
Nach dem erfolgreichen Betrieb der Stationen bis 2004, so heißt es in der Studie weiter, habe ein Treffen mit Vertretern von sieben mexikanischen Bundesbehörden und neun Bundesstaaten stattgefunden, um über den weiteren Einsatz der Technik zu beraten. Das Gremium, darunter auch der Wissenschafts- und Technologierat Mexikos, kam zu dem Schluß, das Projekt weiter zu unterstützen und bis 2006 sogar auf 36 Stationen auszubauen.
Die Systeme arbeiteten so effektiv, daß mit ihrer Hilfe auch Brände in großen Gebieten der Halbinsel Yucatan gelöscht werden konnten.110
Vor seinem Tod 2006 äußerte sich Bisiacchi optimistisch über die Aussichten solcher Systeme auf der gesamten Welt: „Es ist einer meiner Träume, daß es eines Tages möglich sein wird, nach Afrika zu gehen und das Vorrücken der Wüste Sahara zu stoppen.”
Fallstudie Vereinigte Arabische Emirate
Anfang 2011 machten Medienberichte über ein angeblich geheimes Wettermodifikationsprogramm in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) Schlagzeilen. Den Anfang machte eine Meldung in der Londoner Sunday Times über einen Vertrag mit der schweizerischen Firma Meteo Systems International für den Bau mehrerer Ionisierungsstationen, um verschiedenen Regionen der VAE, einschließlich der Hauptstadt Abu Dhabi, Regen zu bringen (Abbildung 3).11
In ersten Berichten hieß es, es gebe Beweise für den erfolgreichen Betrieb der Anlage im Jahre 2011; es hätte 52 unerwartete Regenschauer gegeben, und das Interesse der beteiligten Wissenschaftler sei groß. Offenbar wurden jedoch einige Leute durch das Ausmaß des öffentlichen Interesses stark verunsichert, und der Chef von Meteo Systems sowie andere Wissenschaftler, die an der Bewertung des Projekts beteiligt waren, weigerten sich, weitere Stellungnahmen abzugeben, und spätere Medienberichte waren voller Skepsis, ob solche Systeme überhaupt funktionieren könnten.12
Doch das öffentliche Interesse brachte auch einige aufschlußreiche Berichte hervor. Das US-Magazin National Geographic befragte Peter Wilderer von der Technischen Universität München, der einige nützliche Hintergrundinformationen lieferte. „Ioniserungstechniken wurden erstmals 1890 von [Nikola] Tesla erwähnt,” sagte Wilderer. „1946 führte General Electric unter der Leitung von [Bernard] Vonnegut einige Feldversuche durch. Später benutzte man die Technik in der früheren Sowjetunion für militärische Zwecke.”13
Nachdem sich die Aufregung gelegt hatte, machte Meteo Systems 2012–13 seine neu gestaltete, bisher private Webseite allgemein zugänglich, auf der man nun Erläuterungen des Systems, Standorte, wo die Technik erprobt wurde, Bilder der Anlagen und Beurteilungen der Bedingungen finden konnte, unter denen die Systeme funktionieren.
Demnach wurde die Firma 2004 gegründet, führte 2005 erste Versuche in der Schweiz durch und begann 2006 mit ihren Versuchen in den VAE und 2007 in Australien, bevor sie vom Sindicatum Sustainable Resources Mittel für weitere Versuchsanlagen in Al-Ain (VAE) erhielt. Auf der Webseite heißt es: „WeatherTecTM von Meteo Systems ist eine alte Idee, die in jahrelanger wissenschaftlicher Forschung und Erprobung entwickelt und erweitert wurde.”
Fallstudie Australien
Die Australian Rain Corporation wurde 2007 mit Meteo Systems als Mehrheitsaktionär gegründet, und 2007–2008 finanzierte die Nationale Wasserkommission der australischen Regierung einige erste Probeversuche. 2008 trennte sich die Firma von Meteo Systems und wurde zu Australian Rain Technologies (Abbildung 4).
Von 2008 bis 2010 führte Australian Rain Technologies drei Probeprogramme aus, die von detaillierten statistischen Untersuchungen zur Analyse des Effekts begleitet waren:
- Paradise Dam, Bundaberg (Januar-Mai 2008): Es fiel 17,6 % mehr Regen als vorausgesehen in einem 30°-Bogen in Windrichtung vom System.
- Mt. Lofty Ranges, Adelaide (August-November 2008): Es entstand eine Niederschlagszunahme von 15,8 % über der erwarteten Menge in einem 120°-Bogen in Windrichtung vom System.
- Mt. Lofty Ranges, Adelaide (August-Dezember 2009): Erzeugte eine Niederschlagszunahme von 9,4 % über der erwarteten Menge in einem etwa doppelt so großen Gebiet wie in den Versuchen zuvor.14
Australian Rain Technologies verweist auf die Transparenz seiner Daten und Auswertungen nach dem Prinzip des offenen Zugangs und auf seine konservative, aber statistisch robuste Berechnung des vermehrten Niederschlags. 2011 beantragte die Firma beim Regionalausschuß des australischen Parlaments Mittel von 11 Mio. $ für den Bau von 14 Ionisierungsstationen, die im Einzugsgebiet von zwei Flüssen im Südosten Australiens (dem Gwydir und dem Einzugsgebiet von Hume und Dartmouth) entstehen sollten, um die Niederschlagsmengen, die das Murray-Darling-Flußbecken speisen, zu erhöhen. Dort liegen die wichtigsten landwirtschaftlichen Anbauflächen Australiens, denen vor allem wegen grüner Umweltauflagen eine schwere Wasserknappheit droht.
Auf ihrer Webseite sind umfangreiche Dokumentationen verfügbar.
Keine Grenzen des Wachstums
Regenfälle kommen nicht aus dem „Nichts”. Die auf Ionisierung beruhende Wettermodifikation folgt im Grunde dem gleichen Prinzip wie NAWAPA.
Wie oben schon erwähnt, leistet die Sonne beständig Arbeit, um gewaltige Mengen Wasser zu verdunsten. Im Durchschnitt verdunsten jeden Tag 1160 Kubikkilometer Wasser in die Atmosphäre. Da die Atmosphäre insgesamt etwa 12.500 Kubikkilometer Wasser enthält, muß im Schnitt die gleiche Menge, die verdunstet, auch wieder als Niederschlag auf die Erde zurückkommen – d. h. 1160 Kubikkilometer Wasser regnen jeden Tag auf die Erde ab.
Da die Erdoberfläche überwiegend aus Wasser besteht, fällt der meiste Regen (77 %) über den Meeren, was bedeutet, daß die meiste Arbeit, die die Sonne leistet, um Frischwasser zu produzieren, zu nichts nutze ist!
Wasser ist am produktivsten, wenn es an menschlichen Wirtschaftsprozessen oder lebenden Prozessen wie der Photosynthese beteiligt ist.
Doch von der Gesamtmenge des Frischwassers auf der Erde (nur 3,5 % des Gesamtwassers, alles übrige ist das Salzwasser der Ozeane) ist nur 0,003 % aktiv an lebenden Prozessen beteiligt (nur 0,0001 % der gesamten Wassermenge). Da es aber die gesamte Biosphäre in Gang hält, ist dieses Wasser das allerproduktivste, denn es ist direkt am antientropischen Lebensprozeß beteiligt.
Als erstes muß dieser Prozentsatz erhöht werden, indem der Anteil des nordamerikanischen Wasserkreislaufs, der an biologischen Aktivitäten beteiligt ist, steigt. Doch das ist nicht das einzige Maß, um die Produktivität des Wasserkreislaufs zu messen.
In Gegenden mit dichter Vegetation nimmt das Wasser mehrfach am Pflanzenwachstum, Verdunstung und Niederschlag teil, bevor es ins Meer zurückfließt. Die Pflanzen selbst setzen große Wassermengen über ihre Blätter frei, auch Evapotranspiration genannt; zusätzlich entziehen sie dem Boden flüssiges Wasser, das zur Photosynthese verwendet wird. Pflanzen geben Wasser auch in Dampfform in die Luft ab, welches dann als Regen wieder auf die Erde zurückfällt, so daß weitere Pflanzen das gleiche tun können.
Wasser ist überall dort aktiver, wo es Pflanzenleben gibt. Die biologische Produktivität einer Region läßt sich durch die Geschwindigkeit und Konzentration dieses Kreislaufes – seine hydrologische Flußdichte, wenn man so will – messen, und der Mensch muß dafür sorgen, die Produktivität dieses Wasserkreislaufs möglichst zu erhöhen.
Das NAWAPA-Projekt in Nordamerika würde nicht einfach mehr Wasser „verbrauchen”, es führt dazu, daß die bestehenden Wasserkreisläufe vermehrt an photosynthetischen, biologischen und wirtschaftlichen Prozessen teilnehmen. Der Ursprung hiervon ist so beständig wie die Wärme der Sonne – aber die steuernde menschlichen Hand ist bei der Verteilung des Wassers und für die dadurch mögliche Erhöhung des Produktivitätsniveaus erforderlich. Mit Hilfe von NAWAPA wird nicht nur Wasser in die trockenen Regionen im Westen der USA gebracht, es wird der gesamte Feuchtigkeitskreislauf verändert. Wir erhöhen dort die hydrologische Flußdichte, erzeugen mehr Pflanzengrün, erhöhen die Luftfeuchtigkeit, ziehen mehr Feuchtigkeit an und erzeugen ein kühleres Klima in diesen Regionen, die mit lebensspendendem Wasser gesegnet werden.
Ionisierungssysteme, die das Wetter modifizieren können, folgen dem genau gleichen Prinzip.
Der Pazifik und der Golf von Mexiko versorgen die Atmosphäre mit riesigen Mengen Wasserdampf. Nimmt man das Gebiet des Golfs und ein Viertel der Fläche des Pazifiks, entspricht dies etwa 8 % der Gesamtfläche der Erde. Nimmt man an, daß dort auch 8 % der gesamten Verdunstung (1160 Kubikkilometer pro Tag) entsteht, so kommt man zu dem Schluß, daß die sich daraus errechnenden 95 Kubikkilometer Verdunstung pro Tag aus dem Golf und einem Viertel des Pazifiks viel mehr sind als der gesamte Frischwasserabfluß ganz Nordamerikas (20 Kubikkilometer pro Tag) – geschweige denn des Frischwasserabflusses im Südosten des Kontinents (0,1 Kubikkilometer pro Tag).
Das ist zugegebenermaßen keine genaue Berechnung, da das Wasser nicht überall auf dem Globus gleich schnell verdunstet und das verdunstete Wasser sich nicht gleichmäßig verteilt, wie wir an den oben erwähnten Atmosphärenflüssen gesehen haben. Doch diese Überschlagsrechnung kann eine Vorstellung davon geben, mit welchen Größenordnungen wir es zu tun haben. Die tägliche Verdunstung aus den Meeren um die westlichen und südlichen Regionen Nordamerikas ist vergleichbar mit und wahrscheinlich sogar viel größer als der vorhandene Wasserablauf der Flüsse des gesamten Kontinents – woraus sich eine gewaltige Quelle ergibt, die nur darauf wartet, angezapft zu werden!
So wie bei NAWAPA – wo man einiges von dem Niederschlag, der in einer kleinen Küstenregion Alaskas und Kanadas fällt, in die westlichen USA ableitet, um mehrere Male an photosynthetischen, biologischen und wirtschaftlichen Prozessen teilzunehmen, bevor er wieder ins Meer zurückkehrt – so kann man auch mit der Wettermodifikation etwas von dem Regen, der über den Meeren fällt, dazu zu verleiten, über Land zu fallen und sich produktiv zu betätigen.
Ein Vorschlag
Zweifellos verdienen diese Fragen weiter untersucht zu werden, da sie keinen Selbstzweck darstellen, sondern im Zusammenhang mit der schweren Krise diskutiert werden müssen, vor der die Wasserversorgung und die Nahrungsmittelproduktion in Amerika steht.
Wie aus unabhängigen Studien hervorgeht, können Ionisierungssysteme mehr Niederschläge in Regionen erzeugen, wo sie gebraucht werden, und die relativ geringen Ausmaße und Kosten solcher Systeme bedeutet, daß sie sehr schnell zum Einsatz kommen und in das nuklear betriebene NAWAPA-System integriert werden können – wodurch der Mensch eine gezielte Kontrolle über die kontinentalen Wasserkreisläufe erhielte und ein ganz neues Produktivitätsniveau erreichte.
Hierzu müßte ein Überblick über das gesamte atmosphärisch-hydrologische System des Pazifik und Nordamerikas erstellt werden, einschließlich Windverhältnisse, Atmosphärenflüsse, kontinentale Geographie, Meerwasserverdunstungsraten, bestehende und zukünftige Bewässerungs- und Wasserwirtschaftssysteme, Flüsse und zukünftiger Wasserbedarf.
Auf dieser Grundlage ließe sich planen, wie viele Stationen gebraucht würden und wo sie eingerichtet werden sollten.
Die Biosphäre selbst leistet soviel, wie sie kann. Nun ist der Mensch gefordert, um mit gezielten Maßnahmen die Produktivität des gesamten Wasserkreislaufs nicht nur in Nordamerika zu erhöhen. Das Ziel ist es, daß ein größerer Anteil des Wasserkreislaufs direkt an Lebensprozessen teilnimmt, d. h. die Dichte der Nutzung und Wiedernutzung von Niederschlag pro Zeiteinheit und pro Quadratkilometer Gesamtfläche ansteigt.
Die Wasser- und Lebensmittelversorgung von Millionen Menschen in Nordamerika hängt jetzt davon ab, daß die Menschheit ihre vollen wissenschaftlichen Fähigkeiten entfaltet, um die uns zugedachte Rolle als Hüter einer sich entwickelnden Biosphäre zu erfüllen.
Fußnote(n)
- http://tenaya.ucsd.edu/~dettinge/atmos_rivers.science.pdf[↩]
- Siehe eine ausführliche Darstellung in FUSION 1/2011.[↩]
- Korrelationen zwischen Sonnenaktivität und Wetter/Klima sind zwar schon länger dokumentiert, aber die Erklärungen dafür, wie es zu diesen Wechselwirkungen kommt, waren unbefriedigend. Da die Sonne (durch ihr Magnetfeld) die zur Erde gelangende galaktische kosmische Strahlung moduliert, schlug Pudowkin vor, daß es tatsächlich die kosmische Strahlung ist, die das Wetter/ Klima auf der Erde beeinflusse, und die Korrelation mit der Sonne bestehe darin, wie diese darauf einwirke, wieviel von der kosmischen Strahlung die Erde erreiche.[↩]
- O. M. Raspopov and S. V. Veretenenko,“Solar Activity and Cosmic Rays: Influences on Cloudiness and Processes in the Lower Atmosphere (in Memory and on the 75th Anniversary of M.I. Pudovkin),” Geomagnetism and Aeronomy, April 2009, Vol. 49, No. 2 (pp. 137–145).[↩]
- Mehr Wolken reflektieren mehr Sonnenlicht und lassen das Klima abkühlen. Siehe Henrik Svensmark und Nigel Calder, The Chilling Stars: A New Theory of Climate Change (Totem Books, March 2003).[↩]
- Siehe V. G. Bondur, S. A. Pulinets, G. A. Kim, “Role of Variations in Galactic Cosmic Rays in Tropical Cyclogenesis: Evidence of Hurricane Katrina,” in Doklady Earth Sciences, 2008, Vol. 422, No. 7 (pp. 1124–28).[↩]
- Siehe Sergey Pulinets, “Weather Control? Yes, It Is Really Possible,” Russia Beyond the Headlines, March 25, 2009 (http://rbth.ru/ articles/2009/03/25/250309_weather.html).[↩]
- Jay Rizoli, “Looking for a Change in the Weather?,” Mass High Tech: The Journal of New England Technology, March 10, 2003.[↩]
- Siehe Phillip Kauffman und Arquimedes Ruiz-Columbié, Artificial Atmospheric Ionization: A Potential Window for Weather Modification, 2008.[↩]
- Siehe Sergey Pulinets “Weather Control? Yes, It Is Really Possible,” Russia Beyond the Headlines, March 25, 2009 (http://rbth.ru/ articles/2009/03/25/250309_weather.html).[↩]
- Rod Chayto und Jonathan Leake, “Looks Like Rain: Science Creates Downpours,” Jan. 2, 2011.[↩]
- Siehe beispielsweise Jonathan Gornall, “Rumors and Rainmaking in Al-Ain,” The National of UAE, Feb. 3, 2011.[↩]
- Brian Handwerk, “Scientists Make Dozens of Storms in the Abu Dhabi Desert? Claims of Manmade Rain Clouds Spark Skepticism,” National Geographic, Jan. 18, 2011.[↩]
- „Australian Rain Technologies (ART): Briefing to House Standing Committee on Regional Australia on trialling the potential contribution of ART’s Atland rainfall enhancement technology in the Murray Darling Basin“, Januar 2011. Siehe „Appendix B: Results from four Australian trials“ (www.AustralianRain.com.au/Assets/ Files/PDF/110323_RACsubmission.pdf).[↩]