Der erste Schritt einer neuen Verkehrsinfrastruktur: Die Transrapidstrecke Berlin-Hamburg

Am 2. März 1994 beschloß die Bundesregierung den Bau einer Transrapidstrecke zwischen Berlin-Mitte und Hamburg Hauptbahnhof. Das Magnetschwebebahn-Planungsgesetz passierte im September 1994 den Bundestag. Daraufhin gründete die Bundesregierung mit sieben Privatfirmen die Magnetschnellbahn-Planungs GmbH in Schwerin. Sie soll unter Aufsicht des Bundesministeriums für Verkehr den endgültigen Verlauf der Trasse, den Landankauf und die Einzelplanung zwischen den fünf betroffenen Bundesländern koordinieren.

Die Bundesregierung stellt den Fahrweg und vermietet ihn an eine private Betreibergesellschaft, die selbständig für alle anderen Einrichtungen sorgt. Die Abnahme für Betriebssicherheit obliegt der Deutschen Bundesbahn. Bis 1996 sollen die Planung, bis 1998 die Zulassungsverfahren abgeschlossen sein, so daß der Streckenbau an mehreren Stellen gleichzeitig beginnen kann. Im Jahr 2005 sollen die ersten Züge auf der 283 km langen Strecke im 10-Minuten-Takt mit einer Fahrzeit von 53 Minuten verkehren. In jeder Richtung fahren täglich 96 Züge. Man rechnet mit 14,5 Millionen Fahrgästen pro Jahr, die für die einfache Fahrt etwa 80 Mark bezahlen müssen.

Erfahrungen mit Zukunftstechnologien in der Bundesrepublik seit den siebziger Jahren, mit der Kernenergie etwa, lassen jedoch keinen überschwenglichen Zukunftsoptimismus zu. Man weiß, daß die Regierung dazu neigt, langfristige Entwicklungsperspektiven dem momentanen Meinungsdruck zu opfern. Die Deutsche Bundesbahn baut trotz der Regierungsentscheidung mit Hochdruck die ICE-Strecke zwischen den Städten aus, und die rot-grüne Morgenthau-Fraktion organisiert den Widerstand gegen den Transrapid. Neben zwanzig Bürgerinitiativen wettern auch Leute wie der ehemalige Chef des Bundesumweltamtes, Heinrich von Lersner, oder verkehrspolitische Sprecher der SPD wie Käthe Zillbach in Berlin gegen den „ökonomischen Unsinn“ der Magnetbahnstrecke.

Für die Morgenthau-Fraktion ist der Transrapid „so überflüssig wie ein Kropf“. Sie sehnen sich offenbar immer noch nach jener nachindustriellen Agrargesellschaft, wie sie bereits den Nazis für die Zeit nach dem Endsieg vorgeschwebt hatte. Ernst Ulrich von Weizsäckers Gesellschaftsutopie braucht keine Magnetbahn. In ihr reicht es aus, wenn Ochsenfuhrwerke die Feldfrüchte „umweltschonend“ ins Dorf karren.

Will man allerdings den Anschluß an andere Industriegesellschaften nicht abreißen lassen und den Zusammenschluß Europas vorantreiben, wird das ohne ein neues, leistungsfähiges Schnellbahnsystem, das die physischen Grenzen des Rad-Schiene- und Rad-Straße-Systems hinter sich läßt, nicht gehen. Die Strecke Berlin-Hamburg wäre dann nur ein Anfang.

Wider den Verkehrsinfarkt

Am Anfang der Magnetbahnplanung stand die Analyse des allgemeinen Transportaufkommens.1 Schon 1962 hatte Professor Dr. Ing. W. Bäseler in einer Denkschrift festgestellt, daß das Bundesfernstraßennetz auch bei zügigem Ausbau den zu erwartenden Güterstrom auf Dauer nicht werde bewältigen können.2 Er suchte nach einer Lösung, die das individuell disponierende Verkehrsverhalten im bisherigen Straßenverkehr möglichst wenig einschränkte. Eine solche Lösung fand er im Rollbahn-Prinzip. Danach sollten PKWs und LKWs an zentralen Haltepunkten über entsprechende Laderampen auf Züge auffahren und sie wieder verlassen, nachdem sie die Fernstrecken auf der Schiene schneller als auf der Autobahn zurückgelegt haben. Im großen Maßstab angewendet, wären dazu eigene, vom übrigen Bahnverkehr getrennte Strecken erforderlich, auf denen besonders ausgelegte Züge in kurzen Taktzeiten verkehren können.

Die Technologie-Entwicklungsgesellschaft MBB, die inzwischen von Daimler Benz aufgekauft und dem neuen Zeitgeist entsprechend aufgelöst worden ist, griff 1966 die Idee der Rollbahn auf. Eine Forschergruppe analysierte den damaligen Personen- und Güterfernverkehr und durchforstete dazu Berge von Speditionsunterlagen. Darüber hinaus wurden Überlegungen zur künftigen Wirtschaftsentwicklung und die wachsende internationale Verflechtung angestellt. Die Forschergruppe gelangte zu der Einsicht, daß die Rollbahn nach dem Rad-Schiene-System – auch auf eigenen Bahnstrecken – das Straßensystem auf Dauer nicht würde entlasten können. Das ganze System würde erst attraktiv, wenn die Züge mit wesentlich höheren Geschwindigkeiten und kürzeren Taktzeiten verkehrten, als es mit dem Rad-Schiene-System möglich ist.

Die Vorarbeiten zu der „Rollbahn“ veranlaßten Verkehrsminister Georg Leber von der damals noch zukunftsorientierten SPD, am 1.8. 1969 den Auftrag zur Durchführung einer „Studie über ein Hochleistungs-Schnellverkehrssystem“ zu erteilen. Der Auftrag ging an die Hochleistungs-Schnellbahn Studien GmbH, welche die Firmen MMB und Strabag Bau AG zusammen mit der Deutschen Bundesbahn zu diesem Zweck gegründet hatten. Bereits im November 1970 legte die Gesellschaft dem Verkehrsministerium „Überlegungen zu einer Versuchsanlage für Verkehrstechniken“ vor, die nun auch bei anderen Firmen zahlreiche Aktivitäten auslöste.

Jede der Firmen, die an der Lösung des sich damals schon abzeichnenden Verkehrschaos mitarbeiten wollte, reichte im folgenden Jahr dem Bundesverkehrsministerium eigene Studien ein. Zu den wichtigsten Arbeiten zählten Studien wie „Trassengeführte Hochgeschwindigkeits-Transportsysteme – Analyse des Standes der Technik“ der Firma Krauss-Maffei, „Komponenten für neue Technologien im Verkehr und Transport“ der im Birlinghovener Kreis zusammengeschlossenen deutschen Industrieunternehmen oder „Zukünftige Anforderungen an Verkehrssysteme (Bewertungsmodell für Verkehrssysteme)“ der Firma Dornier-Systeme und „Untersuchungen zur Ermittlung einer Versuchsstrecke für optimalen Schnellverkehr“ der Firma Friedrich Krupp. Die neugegründete Gesellschaft Bahntechnischer Innovationen mbH sollte die verschiedenen Initiativen zusammenführen und den Bau einer Versuchsanlage vorbereiten.

Nach vierzigmonatiger intensiver Arbeit konnte die Hochleistungs-Schnellbahn Studien GmbH dem Verkehrsministerium am 22.12.1971 ihren Abschlußbericht, die sogenannte HSB-Studie,3 übergeben. Der Bericht umfaßte eine genaue Analyse des künftigen Verkehrsaufkommens, untersuchte die vorhandenen Verkehrssysteme auf ihre Leistungsfähigkeit und Entwicklungsmöglichkeiten, sichtete entsprechende Planungen anderer Industrienationen und prüfte mögliche neue technische Lösungswege.

Die Studie stellte die wachsende Bedeutung der individuellen Disponierbarkeit für das künftige Verkehrsaufkommen fest und hielt deshalb am „Rollbahn-Konzept“ fest. Sie fand weitere Anhaltspunkte dafür, daß sich mit dem konventionellen Rad-Schiene-System auf Dauer keine Entlastung des Straßennetzes erreichen ließe. Das System stieße bei der normalen Reisegeschwindigkeit auf physische Grenzen verlangte aus Sicherheitsgründen relativ lange Taktzeiten der Zugfolge. Nur ein System, das Geschwindigkeiten um 400 km/h und Taktzeiten bis zu 2 Minuten ermöglicht, könnte die Güterströme der Zukunft bewältigen.

Um die technischen und wirtschaftlichen Grenzen des Rad-Schiene-Systems zu überwinden, forderte die Studie Verkehrssysteme nach neuen physikalischen Prinzipien. Von vier Systemen der engeren Wahl arbeiten die ersten drei mit abstoßenden, das vierte mit anziehenden Kräften. Es waren dies Systeme nach dem

  1. Luftkissenprinzip
  2. permanentmagnetischen Schwebeprinzip
  3. elektrodynamischen Schwebeprinzip und
  4. elektromagnetischen Prinzip.

Im September 1972 erreichte ein Luftkissen-Fahrzeug, das mit einem elektrischen Linearmotor angetrieben wurde, auf der Teststrecke bei Krauss-Maffei 140 km/h. Das System wurde aber schon 1973 wegen der zu hohen Lärmerzeugung und des zu großen Verschleißes aufgegeben. Versuche in den USA und Frankreich führten in den folgenden Jahren zu ähnlichen Entscheidungen. Luftkissen konnten sich nur bei Schnellbooten auf See durchsetzen.

Von einem Bahnprototyp, der auf Permanentmagneten schweben sollte, verabschiedete man sich 1974 wegen damals ungelöster technischer Schwierigkeiten und den absehbaren zu hohen Kosten des Fahrwegs.

Bei Siemens in Erlangen arbeitete man an einer Bahn, die nach elektrodynamischem Prinzip auf einem abstoßenden Magnetfeld schweben sollte. Der Vorteil des Prinzips lag in seiner zunächst vermuteten einfacheren Regelungstechnik: Nähert sich das Fahrzeug dem Fahrweg, erhöhen sich die Abstoßungskräfte automatisch und drücken es in die Ausgangslage zurück. 1974 erreichte man auf der Teststrecke in Erlangen damit Geschwindigkeiten von 230 km/h.

Trotzdem wurde dieser Ansatz 1977 aufgegeben. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren die im Vergleich zu dem elektromagnetischen System höheren Fahrwegkosten und ein schlechteres Verhältnis zwischen Fahrzeuggewicht und Nutzlast. Im gleichen Jahr begann Japan seine Anstrengungen auf eben dieses Prinzip zu konzentrieren, ohne allerdings Versuche mit der Schnellbahn nach elektromagnetischem Prinzip aufzugeben. Der eigentliche Grund dafür dürfte gewesen sein, daß man den Vorsprung der Deutschen beim elektromagnetischen System für uneinholbar groß hielt und man beim elektrodynamischen System die Entwicklung der ebenfalls revolutionären Supraleittechnik unauffällig mitfördern konnte.

In Deutschland blieb nur das elektromagnetische Schwebeprinzip im Rennen, nachdem es der MBB-Physikerin Dr. Ing. Eveline Gottzein gelungen war, das dort besonders schwierige Regelungsproblem zu lösen. Das Fahrzeug wird durch Elektromagneten unter dem Fahrweg angehoben, ohne daß es sich den Magneten weniger als 10 mm nähern darf. Dazu nehmen Sensoren 100.000 Messungen in der Sekunde vor, bei 500 km/h also 1 Messung pro 1,4 mm Fahrstrecke, und regeln die Magnetleistung entsprechend.

Schon im Mai 1971 hatte ein Fahrzeug auf der 660 m langen elektromagnetischen Versuchsstrecke bei MMB in Ottobrunn eine Geschwindigkeit von 90 km/h erreicht. Es folgten ähnliche Versuche bei Krauss-Maffei, MBB und Thyssen in Kassel, die immer größere Geschwindigkeiten möglich machten. Inzwischen war das System schon so sicher, daß auf der Internationalen Verkehrsausstellung in Hamburg 1979 rund 50.000 Besucher im Transrapid 05 mit Reisegeschwindigkeiten von 80 km/h über eine 770 m lange Versuchsstrecke befördert werden konnten.

Diese Erfolge förderten die Entscheidung zum Bau einer größeren Versuchsanlage im Emsland, deren erster Bauabschnitt 1984 für Versuche freigegeben wurde. Die gesamte 35 km lange Versuchsstrecke wird seit 1987 befahren. Der Transrapid 06 überschritt 1988 die Geschwindigkeit von 400 km/h. Der nochmals weiter entwickelte Transrapid 07 erreichte im Juni 1993 zum ersten Mal 450 km/h. Er fuhr auf der Strecke im Emsland inzwischen rund 210.000 km und bestand Dauerbelastungstests über 1664 km.

Schon im November 1991 hatten Experten unter Federführung der Bundesbahn dem System die technische Einsatzreife bescheinigt, so daß der Transrapid im Juli 1992 in den Deutschen Verkehrswegeplan aufgenommen werden konnte.

Bis zum Baubeginn der Strecke Berlin-Hamburg werden die Versuche auf der Anlage im Emsland fortgesetzt. Der Transrapid soll dort insgesamt 500.000 km zurücklegen. Beim Dauerfahrbetrieb wurden schon zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten entdeckt. Zum Beispiel ließen sich Fahrgeräusche und Luftwiderstände durch kleine Veränderungen an der Fahrzeugnase verringern und gleichzeitig der Energieverbrauch senken. Verbesserungen am Fahrweg, vor allem für die Magnetaufhängung und Fahrzeugführung, werden untersucht. Weiter sollen Änderungen bei den Energiewandlern, Gleichrichtern und der kontaktlosen Energieversorgung der Fahrzeuge getestet werden. Möglicherweise kommt es auch zum Einsatz neuartiger Hybridmagneten. Das sind Permanentmagnete, deren Leistung über zusätzliche elektrische Spulen geregelt werden können. Damit ließen sich größere Abstände zwischen Fahrzeug und Schiene, d. h. ein geringerer Regelungsaufwand und erhebliche Einsparungen beim Energieverbrauch erzielen.4

Die rasante Entwicklung des Verkehrsaufkommens hat inzwischen alle Industriestaaten gezwungen, an neuen Hochgeschwindigkeitssystemen zu arbeiten. Aber nicht nur England, Frankreich, Japan und die USA entwickeln Magnetbahnsysteme. Auch Entwicklungsländer wie China und Korea und kleine Länder wie die Schweiz wollen eigene, an ihre besonderen Bedingungen angepaßte Systeme bauen. Bis vor kurzem hatte Deutschland, wo die Entwicklung des Magnetbahnsystems auf erste Versuche in den zwanziger Jahren und besondere Anstrengungen während des Kriegs zurückgehen, einen beträchtlichen Entwicklungsvorsprung.5 Der wurde aber inzwischen durch gesellschaftspolitische, neid- und konkurrenzbedingte Quertreibereien und die eigenartige Fehlentscheidung, den französischen TGV noch einmal nacherfinden zu wollen, nahezu verspielt.

Vorzüge des Magnetbahnsystems

Die Vorteile der berührungslosen Schnellbahn gegenüber dem Rad-Schiene-System lassen sich heute nicht mehr wegdiskutieren.6

Der wirtschaftliche Vorteil besteht vor allem im geringen Verschleiß und entsprechend geringen Instandhaltungs- und Wartungskosten an Schienenweg und Fahrzeug. In Japan hat man zum Beispiel die Betriebsgeschwindigkeit des berühmten Schnellzugs Schinkansen von 280 auf 220 km/h gesenkt, um die Kosten für Wartung und Instandhaltung der Strecke einigermaßen erschwinglich zu halten. Wenn auf die extrem hohen Geschwindigkeiten verwiesen wird, die der französische TGV gelegentlich erreicht, wird in der Regel vergessen zu erwähnen, daß dafür die Strecke zuvor eigens eingeschliffen und hinterher der Schotter wieder verdichtet werden muß.

Die wichtigsten Vorteile der Magnetbahn liegen in der hohen Reisegeschwindigkeit, der hohen Beschleunigung und den kurzen Taktzeiten. Die auf der engen Anlage im Emsland herausgefahrenen 400 km/h sind erst der Anfang einer möglichen Entwicklung. Da der Antrieb der Magnetbahn nicht im Fahrzeug, sondern über das elektrische Wanderfeld im Fahrweg erfolgt, können Züge gefahrlos im Zweiminutentakt verkehren, was eine sehr hohe Auslastung des Fahrwegs erlaubt. Aus dem gleichen Grund übertrifft die Magnetbahn beim Verhältnis von Fahrzeuggewicht zu mitgeführter Nutzlast jedes andere Verkehrssystem.

Die Investitionen in den Fahrweg der Magnetbahn sind, obwohl dieser die Führungs- und Antriebsmagneten enthält und aufgeständert rund 10 m über die Bodenoberfläche geführt wird, trotzdem nicht wesentlich höher als in die ICE-Trasse. Der Grund dafür ist, daß die Magnetbahn wesentlich höhere Steigungen und engere Kurvenradien bewältigen kann. Die Trasse kann sich der natürlichen Bodenoberfläche anpassen; kostspielige Tunnel und Talbrücken entfallen weitgehend.

Die Fahrwerke der Magnetbahn umgreifen den Fahrweg, ein Entgleisen wird dadurch unmöglich. Das magnetische Antriebssystem läßt aus technischen Gründen nicht zu, daß sich Fahrzeuge auf einem Fahrweg aufeinander zubewegen. Zusammenstöße sind also ausgeschlossen. Die magnetischen Streufelder, denen Passagiere ausgesetzt sind, halten sich in der Größe des Erdmagnetfeldes, betragen also nur ein Zehntel der Felder, die am Elektroherd oder beim Haarföhn entstehen. Weder Herzschrittmacher noch Daten auf der Scheckkarte werden durch dieses Magnetfeld beeinträchtigt.

Auch nach Umweltgesichtspunkten übertrifft die Magnetbahn das Rad-Schiene-System bei weitem. Die Magnetbahn bewegt sich ohne Räder, Rollen und Reibungskomponenten und erzeugt als Fahrgeräusch nur das Fahrtwindrauschen. Sie ist bei vergleichbaren Geschwindigkeiten das denkbar leiseste Verkehrsmittel. Damit entfällt auch die nicht unerhebliche Verschmutzung durch Reifen-, Räder-, Schienen- und Straßenabrieb. Während der mechanische Rollwiderstand beim Rad-Schiene-System mit steigender Geschwindigkeit steigt, sinkt der „magnetische Rollwiderstand“ bei Geschwindigkeiten über 150 km/h. Ein normaler Intercity braucht schon bei 160 km/h Reisegeschwindigkeit pro Passagier 40 % mehr Energie als der Transrapid.

Außerdem kommt der Transrapid mit einem schmaleren Gleiskörper aus, obgleich seine Fahrzeuge breiter ausgelegt sind als beim modernen ICE. Zudem wird er aus Sicherheitsgründen auf Ständern über dem Boden geführt und benötigt so weniger Fläche als die ICE-Strecke. Er schneidet ohne zusätzliche Brücken oder Unterführungen weder andere Verkehrswege noch behindert er die Landwirtschaft oder trennt, wie der Fahrdamm des ICE, die natürlichen Zusammenhänge. Der Fahrweg bleibt für Mensch, Tier und Pflanze durchlässig. Der Widerstand sogenannter Umweltschützer gegen das neue Schnellbahnsystem ist also nicht sachlicher, sondern ausschließlich ideologischer, das heißt gesellschaftspolitischer Natur.

Ein weiterer Vorteil entsteht für die Magnetbahn aus den besonderen Nachteilen der rollenden Eisenbahn in Deutschland. Hier wird der schnelle Fernverkehr, der langsamere Nahverkehr und der noch langsamere Güterverkehr über einen Fahrweg abgewickelt. Das macht nicht nur die Fahrplangestaltung äußerst schwierig, sondern führt rasch zu Überlastungen des Verkehrsweges. Bei der Magnetbahn sorgt das Wanderfeld für gleiche Geschwindigkeiten aller Verkehrsteilnehmer des jeweiligen Verkehrsweges. Über automatisch zu steuernde Weichen lassen sich die Verkehrsteilnehmer ihren besonderen Bestimmungen entsprechend leicht in den Weg ein- und ausklinken.

Wegen der bisherigen Grenzen des Eisenbahnsystems würde der zusätzliche Ausbau des Magnetbahnsystems die Investitionen in die aufwendigen Hochgeschwindigkeitstrassen nicht überflüssig machen. Diese Strecken könnten vor allem den Massen- und Schwergütertransport und den Nahverkehr aufnehmen, bei dem es nicht auf hohe Reisegeschwindigkeiten ankommt.

Und die „Rollbahn“?

Beim Wettlauf der führenden Entwicklungsfirmen um die Magnetbahn blieb eines der ursprünglichen Planungsziele auf der Strecke. Das zu entwickelnde Hochgeschwindigkeits-Verkehrssystem sollte ja die Vorteile des schienengebundenen Verkehrs mit dem Individualverkehr der Straße verbinden und dadurch wirksam zur Entlastung des Straßenverkehrs beitragen. Aus der ursprünglich geplanten „Rollbahn“, auf die PKWs und LKWs reibungslos und ohne große zeitliche Verzögerung auffahren sollten, um größere Entfernungen mit höheren Geschwindigkeiten zu überwinden, wurde ein zwar schnelles, aber einfaches Personenfernverkehrssystem, das vor allem den Binnenluftverkehr ersetzen wird.

Diese Einschränkung muß die Magnetbahn überwinden, um sich als wirklich zukunftsweisendes neues Verkehrssystem durchsetzen zu können.

Die Trends, die 1969 vorherrschten, als man damit begann, das Rollbahnkonzept durch ein nach neuen physikalischen Prinzipien verlaufendes Verkehrssystem weiterzuentwickeln, sind heute noch gültig, vor allem die Tendenz zur Konzentration von Bevölkerung und Wirtschaftsaktivität in wenigen Verdichtungsräumen. Die oben erwähnte HSB-Studie7 ging beim Massen- und Schwergütertransport, der im Fernverkehr wie bisher über das auszubauende Netz der Pipelines, Wasser- und Eisenbahnwege abgewickelt werden muß, von einer linearen Steigerung aus. Dagegen führt die Steigerung der Produktivität und die Spezialisierung zu grundlegenden Veränderungen des Verkehrsbedarfs. Immer speziellere Güter und immer mehr Spezialisten müssen möglichst schnell zwischen immer entfernteren Produktionsstätten verkehren. Und schon für 1964 belief sich der Schaden aus Staus und Unfällen auf rund 12 Mrd. Mark.8

Bei der heutigen Auslegung des Transrapid, einem reinen Personenverkehrssystem, fehlt die besondere Be- und Entladeform für PKW, LKW, Fahrcontainer und Personen, wie sie in der HSB-Studie von 1971 vorgesehen war. Wenn der Transrapid einen wirksamen Beitrag zur Behebung des immer teureren Verkehrsinfarktes leisten soll, muß er entsprechend dieser ursprünglichen Zielsetzung weiter ausgebaut werden.

Aus anderen Gründe ist jedoch zweifelhaft, ob das Rollbahnkonzept in seiner ursprünglichen Form auch heute noch die beste Lösung gegen den sich immer verheerender auswirkenden Verkehrsinfarkt darstellt. Der Nachteil der Rollbahn, der vom einzelnen Benutzer häufig als Vorteil angesehen wird, ist, daß die Straßenfahrzeuge jeweils mitgeführt werden können, was räumlich und gewichtsmäßig einen nicht unerheblichen Teil der bewegten Nutzlast ausmacht. Doch der Verkehrsinfarkt beschränkt sich schon lange nicht mehr auf die Fernstraßen, sondern ist auch in die Ballungsräume der Nahverkehrsbreiche eingezogen. Trotzdem können die dem Rollbahnkonzept zugrunde liegenden Lösungsansätze nicht ohne Schaden für das ganze System unterschlagen werden. Vielmehr gilt es, neue Lösungsansätze zu finden.

Das Straßensystem hat sich für den individuell disponierenden Verkehr bisher deshalb als so vorteilhaft erwiesen, weil es praktisch einen kontinuierlichen Verkehrsstrom bildet, in den sich der einzelne mit seinem Verkehrsmittel nach Belieben ein- und ausklinken kann. Dies war vor allem durch die kurzen Taktzeiten mit einer Fahrzeugfrequenz von Bruchteilen von Sekunden möglich. Das Straßennetz verliert diesen besonderen Vorteil, wenn die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmer und individuelle Fehlregelungen die Kontinuität des Verkehrsstromes unterbrechen und zu Unfällen, Staus und ähnlichem führen.

Die Magnetbahn erweist sich dem Straßennetz überlegen, weil es die Hauptursachen für solche Unterbrechungen ausschaltet. Das antreibende Wanderfeld sorgt für gleich hohe Geschwindigkeiten der Teilnehmer und läßt keinen Raum für individuelle Fehlregelungen. Die Schwachstelle des Magnetbahnsystems liegt bei den Grenzen seiner Verzweigungsmöglichkeit und den Beschränkungen beim Eintreten und Verlassen des Verkehrsweges. Die Magnetbahn läßt sich nicht unmittelbar bis zum individuellen Park- bzw. Beladeplatz ausbauen.

An diesen Schnittstellen zwischen dem durch seine Verzweigungen überlegenen Straßennetz und dem schnellen Magnetbahnnetz suchte das Rollbahnkonzept nach einer Überbrückung, ein Problem, für das der Transrapid mit seiner heutigen, verkürzten Konzeption keine Antwort hat. Dadurch wird es durch die entwicklungsfeindliche Morgenthau-Fraktion angreifbar. Es ist – wenn man von der Richtung der Technologieentwicklung absieht – tatsächlich fraglich, ob der etwa dreißigminütige Fahrzeitgewinn des Transrapid gegenüber dem ICE auf der Strecke Berlin-Hamburg die enormen Investitionskosten rechtfertigt. Der Transrapid gibt mit der konzeptionellen Verkürzung auf reinen Personentransport seinen Anspruch auf, das Verkehrsproblem grundlegend revolutionieren zu wollen. Und zwar solange, wie er die zentrale Frage nicht beantwortet: Wie kommt der einzelne, vor allem wenn er mehr als Handgepäck mit sich führt, jederzeit problem- und reibungslos auf seinen Platz im Transrapid und von dort an sein Ziel. Das gleiche gilt entsprechend für eiliges Frachtgut.

Auch das Rollbahnkonzept gibt, wie gezeigt, auf diese Frage keine überzeugende Antwort mehr. Eine Antwort erhofft man sich zur Zeit vom öffentlichen oder privaten Dienstleistungsgewerbe des Nahverkehrsraumes. Für den Personenverkehr wäre das neben öffentlichen Verkehrsmitteln eine erschwingliche, prompt und reibungslos funktionierende Versorgung mit Mietwagen, Taxis etc. Für den schnellen Stückguttransport müßte das Speditionswesen entsprechend ausgebaut werden. Vor allem muß zwischen beidem eine durchlässige Verbindung hergestellt werden. Es hilft dem Spezialisten nichts, wenn er selbst zeitgerecht am Einsatzort ankommt, aber auf seine Warenproben, Spezialwerkzeuge oder Ersatzteile warten muß.

Eine grundlegende Lösung ist erst gefunden, wenn der Verkehrsteilnehmer seine zu versendende Ladung vor Ort zusammenstellen und jederzeit und ohne längere Verzögerung dem Transport durch die Magnetbahn zuführen und von dort ebenso reibungslos zum Bestimmungsort bringen kann.

Erste technische Lösungen hierfür wurden bereits angedacht. Im Prinzip wird es sich um ein System individuell belegbarer Kabinen handeln. Diese sollten aus einem kontinuierlich fließenden, automatisch- und zentral geregelten innerstädtischen Bahnsystem jederzeit abgerufen und dort ein- und ausgeklinkt werden können. Für den innerstädtischen Verkehr wäre es sicherlich von Vorteil, wenn sich ein solches Bahnsystem wie die alte Rohrpost durch ein unterirdisches Röhrensystem bewegen könnte.

Ein solches System ließe sich auch mit der umweltfreundlichen Magnettechnik bewegen. Die Kabinen der Nahverkehrsbahn und die Waggons der Magnetbahn müßten allerdings so ausgelegt werden, daß sie sich reibungslos ineinander verkoppeln lassen. Die Magnettechnik überwindet damit auch den letzten Nachteil des alten Rollbahnkonzepts. Bei der Magnetbahntechnik werden – wie erwähnt – Trage-, Antriebs- und Führungssystem aus dem Fahrzeug in die Schiene verlegt. Das entlastet die Einzelkabinen und senkt die Verschwendung an Nutzlast, die das Zuladen ganzer Straßenfahrzeuge mit sich brächte.

Ein entsprechendes Nahverkehrssystem gibt es bisher noch nicht. Allerdings sind Vorarbeiten erkennbar, wenn sie auch bisher noch unter anderen Aufgabenstellungen betrieben werden. Dazu zählt die Arbeit der schweizererischen Forschungsgruppe Swissmetro am Bundesinstitut für Technologie in Lausanne oder die Arbeit am HSST-100 in Nagoya in Japan und ähnliches.9 Auch verweisen Vorarbeiten, die Mitte der achtziger Jahre von der Firma Federal Express in den USA angestelltt wurden, in diese Richtung.10 Erst wenn ein passendes System die Schnittstelle zwischen der individuellen Aufenthalts- bzw. Fertigungsstelle und dem zentralen Verkehrsstrang des Transrapid schließt, wird die dringend gebotene Revolution unseres sich mehr und mehr selbst blockierenden Transport- und Verkehrssystems möglich.

Resümee

Die dringend gebotene Revolution der verfahrenen Verkehrsinfrastruktur verlangt ungeheure Investitionen. Angesichts der sich rasch ausweitenden Finanzkrise ist für die meisten Mitbürger im bestehenden Finanzsystem nirgends eine Quelle für die erforderlichen Zahlungsmittel zu erkennen. Aus diesem Grund erscheint vielen der Transrapid als „ökonomischer Unsinn“.

Andererseits waren es gerade technische Revolutionen, durch die in der bisherigen Wirtschaftsgeschichte auftretende Krisen überwunden und neue Entfaltungsräume erschlossen werden konnten. Dabei spielte die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur immer eine Schlüsselrolle. Die Magnetbahn könnte in der gegenwärtigen Krise das sein, was die Eisenbahn für die wirtschaftliche Zusammenbruchskrise Mitte des letzten Jahrhunderts war.

Diese wichtige wirtschaftspolitische Rolle, die das Magnetbahnsystem in der heutigen Finanzkrise übernehmen könnte, und die damit verbundenen neuen Finanzierungsmöglichkeiten haben wir an anderer Stelle erörtert.11

Fußnote(n)

  1. Neuber, Pennekamp, Rothermel, „HSB-Studie über ein Schnellverkehrssystem“, dem Bundesminister für Verkehr übergeben am 22.12.1971.[]
  2. W. Bäseler, „Grundzüge für den Entwurf einer maschinellen Straßenfahrzeugbeförderungsanlage (Rollbahn) in verkehrlicher, baulicher und betrieblicher Hinsicht, zur Entlastung überfüllter Autobahnen“ (zum Auftrag BMV A9 – Jov 62b – 4006 BII, vom 31. Januar 1962).[]
  3. Siehe Anm. 1[]
  4. Weh, Hahn, Steingröver, „Hybrid Magnets for the Integrated Propulsion and Levitation Concept“, in Proceedings Maglev ,95, 14th International Conference on Magnetic Levitated Systems, Nov. 26-29, in Bremen, VDI Verlag Berlin, 1995, S. 495 ff.[]
  5. Einen Überblick über den Stand der damals erreichten Technik gibt Hermann Kemper, „Elektrisch angetriebene Eisenbahnfahrzeuge mit elektromagnetischer Schwebeführung“, in ETZ-A, 1.1.1953, S. 11 ff.[]
  6. Auf die Besonderheiten der Magnetbahntechnik gehen wir hier nicht weiter ein. Dazu Klaus Heinrich, Rolf Kretzschmar, Transrapid Maglev System, Hestra-Verlag Darmstadt 1989 und mehrere Überblickartikel in früheren Ausgaben von FUSION, die sich diesem Thema widmen, z. B. Ralf Schauerhammer, „Fliegen auf Höhe Null“, in FUSION, Jg 12, Nr. 4, 1991, S. 43–54, und Meinhard Zielke, „Japans Magnetbahnprojekte“, in FUSION, Jg. 8, Nr. 4, 1987.[]
  7. Siehe 1. Anm.[]
  8. D. Strese, „Notwendigkeit neuer Fernverkehrssysteme und Vorauswahl“, in Die Bundesbahn, Jg. 21, 1970, S. 835.[]
  9. M. Jufer, A. Cassat, N. Macabrey, „Swissmetro – High Speed Undergrounds Transportation System“ und M. Fujino, T. Mizuma, „Total Test Operation of HSST-100 and Planning Projekt in Nogaya“, beide in Proceedings Maglev ,95, 14th International Conference on Magnetic Levitated Systems, Nov. 26–29, in Bremen, VDI Verlag Berlin, 1995.[]
  10. Diesen Hinweis bekam ich von Dr. E. Gottzein, die als Beraterin an dem Projekt mitgearbeitet hatte.[]
  11. Helmut Böttiger, „Mit Tempo 500 aus der Krise“, in Neue Solidarität Extra, Wiesbaden, 1993.[]