Ein Vorgeschmack auf die Zukunft: Das 26. Symposium zur Plasmaphysik und Technik

Vom 16.-19. Juni 2014 tagte in Prag das 26. Symposium zur Plasmaphysik und Technik. Dort wurden alle Aspekte vom Kernfusionsreaktor über Ionenantriebe bis hin zu medizinischen Anwendungen kalter Plasmen besprochen, wodurch sich uns ein ganz neues Wirkungsfeld des physikalischen Handelns eröffnet.

Ein weiterer Punkt, der dabei deutlich wurde, ist die Tatsache, daß das Plasma als physikalischer Raumzustand uns noch fast gänzlich unbekannt ist, aber 99 % des physikalischen Raumes unseres Universums ausmacht. So gesehen sind die physikalischen Aggregatszustände „fest”, „flüssig” und „gasförmig”, die unsere physikalische Raumvorstellung als Erdbewohner prägen, eher Ausnahmeerscheinungen, und die Meisterung der Plasmaphysik dürfte uns ein ganz neues Tor zum Universum erschließen.

Erfreulicherweise war die Bandbreite an Themen auf der Konferenz riesig: 200 Teilnehmer aus 36 Ländern diskutierten über Kernfusion, Ionenantriebe, Materialbearbeitung und -veredlung, Biologie, Medizin und Physik.

Kernfusion

Hier wurden vorrangig Problematiken rund um den Fusions-Forschungsreaktor ITER besprochen, wobei eine der interessantesten Diskussionen sich um das Thema Schutz der Reaktorwände vor dem heißen Plasma drehte. Es wurde geschildert, wie die verschiedenen Schmelzungen und Rißstrukturen an und in den Wänden entstehen und was schon alles versucht wurde, um dem entgegenzuwirken. Die Diskussion erhielt dann eine völlig andere Wende, als einer der Forscher die ganz einfache Frage stellte: Wenn es so viele Probleme mit den festen Wänden gibt, warum nutzen wir dann nicht flüssige Wände? Er erklärte, daß er daran arbeite, flüssiges Metall wie Lithium als Wand zu verwenden. Dabei mache man sich den thermoelektrischen Effekt zunutze, der zwischen Lithium und Edelstahl entsteht und einen Fluß flüssigen Lithiums erzeugt. Mit einem zusätzlichen Magnetfeld (thermoelektrische magnetische Hydrodynamik, TEMHD) kann dann das flüssige Metall gesteuert und eine stabile Wand erzeugt werden. Dieses Paradox, daß die besten Wände eines Fusionsreaktors scheinbar nicht die härtesten, sondern die flüssigen sind, zeigt sehr deutlich, daß Lösungen für große Probleme oftmals ganz überraschend anders sind.

Aber nicht nur das Tokamak-Konzept des ITER und damit verbundener Programme wurden besprochen. Ein russischer Wissenschaftler stellte ein ganz anderes Projekt zum Erreichen der Kernfusion vor, und zwar mittels einer mehrfachen magnetischen Spiegelmaschine.

Hierbei werden Magnetfelder so angeordnet, daß sie sich vorn und hinten verengen und dadurch ein geladenes Teilchen von einer Verengung zur anderen stetig hin und her reflektiert wird, wie zwischen zwei Spiegeln. Dies dient dem magnetischen Einschluß eines Plasmas.

Bei den neuen Versuchen, über die berichtet wurde, gelang es mittels eines hochenergetischen relativistischen Elektronenstrahls, ein Plasma extrem schnell zu erhitzen, wobei sich die altbekannte Plasmaphysik änderte und eine Dynamik entstand, in der das Plasma wesentlich weniger Turbulenzen und weniger Wärmeverlust aufwies. Somit wäre die mehrfache Spiegelmaschine durchaus eine weitere Möglichkeit zur Umsetzung der Kernfusion.

Im Gespräch sagte uns der Wissenschaftler, daß er die Untersuchungen an der Spiegelmaschine auch deswegen bevorzuge, weil sie im Vergleich zu ITER kleiner und simpler ist, also damit auch variabler in einer fusionsgetriebenen Wirtschaft zum Einsatz kommen könnte. Derzeit forscht man in Rußland auch daran, die Spiegelmaschine – bis die Kernfusion als tatsächliche Hauptenergiequelle dienen kann – als Hybridreaktor zu nutzen, um Erfahrungen mit Plasma und Fusionsprozessen zu sammeln. Dabei würde die Kernfusion dazu dienen, Neutronen zu erzeugen, die anschließend zur Kernspaltung genutzt werden.

PALS und COMPASS

Zwei weitere interessante Neuigkeiten bei der Kernfusion lernten wir bei einer Besichtigung von PALS (Prag Asterix Laser System) und COMPASS (COMPact ASSembly 3) kennen.

Bei der Besichtigung des tschechischen Forschungsreaktors COMPASS.

PALS ist der stärkste Laser Europas und derzeit bereits Teil von Forschungen bezüglich der Möglichkeiten für die Laserfusion, COMPASS ist eine verkleinerte Variante des ITER-Reaktors und wird dazu genutzt, verschiedene Versuche zur Kernfusion und Plasmaphysik durchzuführen.

Bei unserem Besuch in beiden Anlagen waren neben der eigentlichen Forschung zwei Tatsachen besonders bemerkenswert: daß zum einen viele junge Studenten und Schüler in diese Institutionen einbezogen werden, die mit großer Begeisterung für die Kerntechnik zu Werk gehen, und zum anderen, daß jeder, mit dem wir dort sprachen, uns zu verstehen gab, daß man sehr offen dafür wäre, mehr mit Deutschland und anderen Ländern zusammenzuarbeiten, damit die Kernfusion endlich Realität wird.

Ionenantrieb

Ein Plasma kann auch als Raketenantrieb genutzt werden und hat dabei den großen Vorteil, daß der Treibstoff für Raumschiffe und Satelliten fast nichts wiegt. Dadurch kann man viel Treibstoff mitnehmen und auf dem Weg zum Mars durchgängig beschleunigen und abbremsen, was die Flugzeit von Monaten auf Tage verkürzen würde.

Mit den heutigen chemischen Antrieben geht das nicht, da der Treibstoff zu schwer ist, so daß nur die Möglichkeit bleibt, dem Raumschiff einmal richtig Schub zu geben und sich dann auf einer gekrümmten Bahn um die Sonne zum Mars treiben zu lassen. Mit dieser neuen Technik, die unter anderem auch in Deutschland erforscht wird, könnte sich das Reisen im All radikal verändern und eine neue Blüte der Erkundung des Weltraums beginnen.

Neue Materialien

Mit Plasmen lassen sie die Oberflächen verschiedener Materialien so verändern, daß sie sehr hart, farbig, antibakteriell, extrem wasserabweisend oder absorbierend werden, was unser tägliches Leben völlig verändern könnte. Antibakterielle Implantate oder solche, die Bakterien für eine Zeit von 24-48 Stunden in Schlaf versetzen können, würden die Abstoßungsgefahr bei Implantaten extrem verringern, wasserabweisende harte Materialien könnten den Wartungsaufwand für Brücken extrem reduzieren, und Stähle, die von sich aus farbig sind, böten neue Stilelemente für Architektur und Maschinenbau.

Medizin

Hinzu kommt, daß es in den letzten Jahren zunehmend gelungen ist, kaltes Plasma, also ionisiertes Gas auf Raumtemperatur, herzustellen, wobei man festgestellt hat, daß dieses kalte Plasma auf lebende Zellen einwirken kann. So gibt es unter anderem in Deutschland eine Forschergruppe, die kaltes Plasma nutzt, um Wunden schneller zu heilen und selbst antibiotikaresistente Bakterien abzutöten. Forscher in den USA beginnen bereits erste klinische Tests, um kaltes Plasma zur Behandlung von Krebstumoren einzusetzen. Es läßt sich hier nur zusammenfassend sagen: Entweder greift diese neue Art der Krebsbehandlung auf altbekannte chemische Dynamiken der herkömmlichen Krebsbehandlung zurück und ist nur viel effektiver, oder wir haben es hier mit einem völlig neuen physikalischen Phänomen zu tun. Das sind nur einige Fragen, die es jetzt zu klären gilt.

Alles in allem läßt sich nach diesen vier Konferenztagen sagen: Wir stehen vor großen Durchbrüchen, nicht nur in der Energiewirtschaft oder der Materialforschung, sondern auch bei unserem Weltbild. Denn wie Max Planck bereits in Die Physik im Kampf um die Weltanschauung sagte:

„Wie eine jegliche Wissenschaft ursprünglich vom Leben ausgeht, so läßt auch die Physik sich tatsächlich niemals vollständig trennen von den Forschern, die sie betreiben; und schließlich ist doch jeder Forscher zugleich auch eine Persönlichkeit, mit allen ihren intellektuellen und ethischen Eigenschaften. Daher wird die Weltanschauung des Forschers stets auf die Richtung seiner wissenschaftlichen Arbeit mitbestimmend einwirken; und es ist selbstverständlich, daß dann auch umgekehrt die Resultate seiner Forschung nicht ohne Einfluß auf seine Weltanschauung bleiben können.”