Eine Untersuchung der LaRouche-Riemann-Methode
Die LaRouche-Jugendbewegung in Los Angeles hat untersucht, wie Präsident Roosevelts Rural Electrification Administration (REA) eine „Bahnkrümmung“ in Amerikas Wirtschaftsentwicklung erzeugte.
Der Hauptfehler aller modernen Wirtschaftstheorien – von der Freihandelstheorie bis zur sozialistischen Lehre – ist ihre Unfähigkeit, mit wissenschaftlicher Gewißheit den wesentlichen Unterschied zwischen Mensch und Tier zu erkennen. Allein diese Erkenntnis kann die Grundlage einer gültigen Wissenschaft der menschlichen Ökonomie bilden. Die Wiederbelebung dieses entscheidenden Begriffs sowie ihre Erweiterung durch den Ökonomen Lyndon LaRouche bildet die Grundlage eines langfristigen Projekts, das eine Gruppe der LaRouche-Jugendbewegung (LYM) in Los Angeles begonnen hat. Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung der Arbeit eines Jahres, in dem mehrere Vorträge gehalten wurden, die zum Ziele hatten, die LaRouche/Riemann-Methode mehr im einzelnen zu erarbeiten. Dabei diente die Wirtschaftspolitik Franklin Roosevelts als Fallbeispiel.
Wir begannen mit einer Untersuchung der von LaRouche so genannten „Krümmung“ des wirtschaftlichen Prozesses, bei der wir die Arbeiten von Carl Friedrich Gauß und Bernhard Riemann über komplexe Funktionen sowie deren An wendung durch LaRouche auf wirtschaftliche Vorgänge untersuchten. Wir setzten diese Untersuchung fort mit einer Studie der transfiniten Ordnung innerhalb des menschlichen Wirtschaftsprozesses – ein Phänomen, das LaRouche als eine „wirtschaftliche Stoßwelle“ bezeichnete –, indem wir physikalische Phänomene wie die von Riemann vorhergesagte Stoßwelle bei der Fortpflanzung akustischer Wellen betrachteten. Als nächstes kehrten wir, angestoßen durch weitere Werke Lyndon LaRouches1, zu der Weiterentwicklung des Gaußschen Krümmungsbegriffs in seiner Arbeit über das Potential zurück. All diese Phänomene, betonte LaRouche, seien notwendig, um die physikalisch-mathematischen Eigenschaften eines charakteristischen Wachstumsverlaufes der menschlichen Ökonomie zu erkennen.
Auf den ersten Blick zeigt sich ein sehr auffälliger Unterschied zwischen menschlichen und tierischen Systemen – so offensichtlich, daß er (mit einer Grimasse) sogar von Ökologen erkannt wird, welche ansonsten geneigt sind, eben jenen Unterschied zu leugnen: Während es beim Wachstum aller tieri-
schen Populationen (einschließlich der „höheren Affen“) eine Obergrenze zu geben scheint, ist die menschliche Bevölkerung der Erde während ihrer gesamten Existenz – abgesehen von kurzen, aber bemerkenswerten Unterbrechungen – ständig gewachsen. Dies dient jedoch nur dazu, eine wahrgenommene Wirkung zu beschreiben, eine Wirkung, die nicht notwendigerweise ausschließlich menschlichen Gesellschaften zu eigen ist: würde nicht jede Tierpopulation ähnlich wachsen, wenn die richtigen Umweltbedingungen gegeben wären?
Letzteres zwingt uns, einen zweiten Blick darauf zu werfen, was die eigentliche Ursache der ersichtlichen Wirkung ist: Es gab nicht nur ein ständiges Wachstum der tatsächlichen menschlichen Bevölkerung, sondern auch ein Wachstum der potentiellen Bevölkerung pro Flächeneinheit des Landes unter gegebenen Umweltbedingungen. Dieses Bevölkerungspotential ändert sich bei den niederen Tierarten nicht, obwohl günstige Veränderungen der Umweltbedingungen (z. B. die Begrünung einer Wüste durch den Menschen oder das Terraforming des Mars) ein Wachstum der tatsächlichen Tierpopulation ermöglichen können, das sonst unmöglich wäre.
Der offensichtliche Grund erster Näherung für diese Zunahme des menschlichen Bevölkerungspotentials kann auch von sogenannten Freihändlern oder Ökologen, die mit unserer Eingangsthese nicht einverstanden wären, nicht bestritten werden: die Entdeckung, Entwicklung und Anwendung neuer Technologien durch den menschlichen Geist auf vom Menschen bestimmte Prozesse. Diese Anwendung kann, auch in erster Näherung, allgemein in zwei verschiedene Bereiche unterteilt werden: erstens, die in der Herstellung von Kapitalgütern eingesetzten Werkzeugmaschinen; und zweitens, die grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur wie etwa Gesundheitsversorgung, Verkehr, Wasserver- und -entsorgung sowie Stromerzeugung und -verteilung. Zusammengenommen bilden sie die physische Grundlage des ständigen Wachstums dessen, was LaRouche als potentielle relative Bevölkerungsdichte der menschlichen Gattung bezeichnet. Die folgende Untersuchung wurde mit dem Ziel unternommen, dieses Wachstum – sowohl der Produktivität wie des Lebensstandards – bewußt zu beherrschen, zu steuern und zu beschleunigen, um dem gegenwärtigen steilen, globalen Absturz entgegenzuwirken, der jetzt durch die leichtfertige Wirtschaftspolitik beispielsweise der von George Shultz gesteuerten Regierungen Bush und Schwarzenegger verschärft wird. Hoffentlich wird diese Untersuchung bald in anderen Teilen der Welt wiederholt.
Die Depression und der Landwirt
Die Lage, mit der Franklin Delano Roosevelt konfrontiert war, als er 1933 sein Amt antrat, war verzweifelt. Unter Präsident Calvin Coolidge, der nach dem Tod Präsident Hardings 1923 eingesetzt wurde, hatte der Finanzminister und Bankenagent Andrew Mellon die physische Wirtschaft systematisch ausgehungert, um eine aufgeblähte Spekulationsblase zu füttern. Mellon begrenzte die Ausgaben der amerikanischen Bundesregierung dermaßen, daß Investitionen in eben jene Prozesse, die wir oben als notwendig für die menschliche Entwicklung – Infrastruktur, Bildung, Produktion, technologische Forschung und Entwicklung etc. – bezeichnet haben, verhindert und jeglicher Geldüberschuß in die Bedienung der finanziellen Schulden geleitet wurde. Eine Spekulationswut wurde gefördert, die die Aktienpreise in den Himmel jagte, während die Arbeit und die physische Wirtschaft erstickt wurden.
Eine Landwirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg, für die man die „Überbevölkerung“ verantwortlich machte, die aber durch die darwinistische Wirtschaftspolitik des „Überlebens des Stärkeren“ verursacht wurde, wurde von Mellon absichtlich verschärft. Ein zweimal vom Kongreß verabschiedeter Gesetzesentwurf zur Regulierung der Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse (in dem man zuließ, daß Landwirte überschüssige Produkte auf ausländischen Märkten verkaufen konnten), wurde zweimal auf Veranlassung Mellons durch Veto verhindert – einmal durch Präsident Coolidge und nochmals durch Präsident Herbert Hoover. Das brachte die amerikanischen Landwirte in die Zwickmühle, daß ihre Güter um so billiger wurden, je mehr sie erzeugten.
Nachdem sein spekulativer Wahnsinn den Börsenkrach von 1929 während der Hoover-Administration verursacht hatte, verschärfte Mellon, wie heute Bush und Schwarzenegger, die Lage weiter, indem er ein Programm der radikalen Sparpolitik, des Haushaltsausgleichs und des „Gürtel-enger-Schnallens“ durchsetzte, das die Bevölkerung, in der Absicht, die Finanzinteressen über Wasser zu halten, gründlich plünderte.2
Trotz Einführung der Elektrizität in das Alltagsleben Amerikas hatten zu dieser Zeit nur rund zehn Prozent der Farmen auf dem Lande einen Stromanschluß. Das Leben auf dem Land war harte Knochenarbeit, von der Morgendämmerung, um nur ja jeden kostbaren Sonnenstrahl zu nutzen, bis in die stockfinstere Nacht. Das durch Kerosinlampen gelieferte Licht war gefährlich und unzureichend, was zur Folge hatte, daß wenig oder gar keine Zeit für die geistige Entwicklung der Jugend ländlicher Familien übrig blieb.
Wegen dieses Mangels an elektrischem Strom grassierten Krankheiten, Ungeziefer und Unterernährung in den Farmgebieten des Landes. Die Verseuchung des Wassers durch Latrinen verursachte Krankheiten wie Typhus und Ruhr, während die Infektion mit Hakenwürmern einen großen Teil der Bevölkerung körperlich massiv schwächte (in manchen Schulen des Südens gab es eine Infektionsrate von über 50 %).3 Der Mangel an Kühlanlagen verursachte weitere Krankheiten und Unterernährung, was wiederum in vielen ländlichen Gegenden Müdigkeit und erhebliche physiologische Schäden bei der Gehirnentwicklung zur Folge hatte.4
Trotz dieser Bedingungen, die durch die Schaffung grundlegender Infrastrukturen und den Einsatz von Geräten zu beheben gewesen wären, weigerten sich die Versorgungsbetriebe, diese Gegenden zu versorgen. Sie argumentierten, anders als in den dicht bevölkerten Stadt- und Vorortregionen, wo jeder Meter Leitung, der vom Kraftwerk zum entferntesten Verbraucher gelegt wurde, direkt mit einem weiteren Verbraucher verbunden sei, bliebe der größte Teil der im unterbevölkerten Süden und Mittleren Westen gelegten Leitungen im wesentlichen ungenutzt und sei nicht profitabel. Solch ein Anschluß an das Stromnetz sei nur dann denkbar, wenn die Landwirte selbst Anzahlungen tätigten, um die Baukosten zu decken. Natürlich war dies außer für die ertragreichsten Höfen niemandem möglich. Ferner benötige der Lebensstil der Landwirte so wenig Strom – und dies meistens nur in den zwei bis drei Spitzenstunden nach Sonnenuntergang –, daß die Gebühren, welche die Firmen für diese Stunden einfordern müßten, für die Landwirte weit jenseits des Bezahlbaren lägen.5
Die Gebühren in den ländlichen Gebieten waren ohnehin schon weit höher als in den Städten. Roosevelt selbst bemerkte 1938 im Rückblick auf seinen Kuraufenthalt 1924 zur Poliobehandlung in Georgia: „Als die erste Monatsabrechnung für das elektrische Licht meiner kleinen Hütte ankam, sah ich, daß die Gebühr 18 Cents pro Kilowattstunde war – etwa viermal soviel, wie ich in Hyde Park, New York, bezahle.“ Diese Umstände bildeten eine scheinbar unüberwindliche Grenzbedingung, erzeugt durch so eherne Gesetze wie das Gesetz abnehmender Gewinne und das Gesetz von Angebot und Nachfrage (das jedem Studenten im VWL-Grundkurs eingetrichtet wird) – ein Produkt der asymptotischen Unendlichkeit, die sich aus der bloßen Natur der Ökonomie als „Wissenschaft des Mangels“ ergibt.
Eingebettete Unendlichkeiten
Jedoch ist „Unendlichkeit“ ein sehr passender Begriff für diese Art Grenze. Denn, was ist letztendlich das Unendliche? Die ersten Bilder, die einem in den Kopf kommen, wären vielleicht die ungeheure Weite des Alls oder eventuell eine unendlich immer weiter anwachsende Zahlenreihe, oder vielleicht würde die größte unendliche Trumpfkarte von allen, „Gott“, herangezogen. In der Form, in der man sie sich vorstellt, werden diese „Unendlichkeiten“ aber eigentlich nie dem Begriff gerecht. Sie sind bloß Unzählbare: Größen, die „größer sind, als ich mir vorstellen kann“. Die Begrenzung in allen diesen Fällen ist nicht objektiv, sondern vielmehr subjektiv. Heißt das, daß es nichts wirklich Unendliches gibt?
Betrachten wir einen strengeren Fall: Die Quadratur des Kreises des Kardinal Nikolaus von Kues. Der Versuch, sich dem Umfang eines Kreises durch umschriebene und eingeschriebene Vielecke anzunähern, führt zu der Erkenntnis, daß wir, ganz gleich wie oft wir die Seiten eines Vielecks vervielfachen, auf diese Weise nicht zur Figur des Kreises gelangen. Der Kreis ist, als wirkliche (nicht vorgestellte) Existenz, vom Standpunkt des Vielecks tatsächlich unendlich.6 Den Kreis als Figur können wir aber als eine einheitliche, endliche Idee erkennen und erzeugen. Hier ist das Unendliche einfach ein Kennzeichen eines unstetigen Zustandswandels: ein Punkt, wo die Begrenzungen des Wesens der algebraischen Größen, die das Polygon erzeugen, uns zwingen, sie fallen zu lassen und statt dessen eine transzendente Darstellung zu finden.7
Diese Unstetigkeit ist von derselben Beschaffenheit wie diejenige, welche Bernhard Riemann in seiner Schrift „Über die Fortpflanzung ebener Luftwellen von endlicher Schwingungsweite“ 1856 erkannte.8 In dieser Schrift greift Riemann ein Phänomen auf, das bereits von Mathematikern vor ihm erkannt wurde – die Tatsache, daß die Differentialgleichungen für das Fließen von Flüssigkeiten sich stets unüberwindlichen Unendlichkeiten annähern, wenn die Geschwindigkeiten sich dem Grenzwert für die Fortpflanzung einer Welle in jenem Medium annähern – und zeigt, daß diese unendliche Unstetigkeit in Wirklichkeit Teil einer stetigen Funktion höherer Ordnung ist. Dieser mathematischen Unendlichkeit begegnen wir später, in den 40er Jahren, in der so genannten „Schallmauer“.
Damals erklärten viele die „Schallmauer“ für unüberwindlich: die Geräte versagten, die Gesetze des Flugs schienen sich umzukehren, Flugzeuge gerieten ins Trudeln, die Manövrierfähigkeit ging fast ganz verloren. Die Gesetze der Physik selbst schienen eine Grenze vorzuschreiben, die der Mensch nicht überschreiten durfte. Riemann hatte jedoch schon fast ein Jahrhundert zuvor gezeigt, daß diese „Mauer“ gar keine war. Dieses Phänomen scheinbarer Unendlichkeiten faszinierte Riemann, und es bildete die Grundlage vieler seiner physikalischen Untersuchungen. Diese „transfiniten“ Ordnungen erwiesen sich als charakteristisch für physikalische Abläufe insgesamt, und daher sollte es nicht überraschen, daß sie auch in der Wissenschaft der physischen Wirtschaft auftauchen.
Wie das Durchbrechen der „Schallmauer“ transformierte die durch die Regierung Roosevelt gesteuerte Elektrifizierung der ländlichen Gebiete die Geometrie (oder das Feld), in der sich das physikalische Phänomen, das die Stromfirmen beobachtet hatten, zeigte. Und genauso, wie Adolf Busemann und Ludwig Prandtl in den späten 40er Jahren Riemanns Begriff der höheren Ordnungen beim Bau von Flugzeugen berücksichtigten und so die bestehende Mathematik im Fall des Überschallflugs als überholt erwiesen, zeigte die Anwendung eines neuen physikalischen Prinzips der gesellschaftlichen Ordnung auf die Wirtschaftsverläufe der 30er Jahre, daß die Buchhaltungsmethoden der Versorgungsunternehmen inkompetent waren. Die Elektrifizierung der ländlichen Gebiete transformierte das produktive Potential des gesamten Landes, wodurch die Produktion echten, physischen Reichtums, wie z. B. von Kapitalgütern und – was am wichtigsten war – der Zahl der funktionierenden, entwickelten Menschen wuchs. Und zwar so, daß selbst die Effizienz der Arbeit in den städtischen Gebieten gesteigert wurde.
So definiert die geometrische Umformung der vergrößerten Kraft (der physikalischen Wirtschaft, wie sie hier definiert wird) den Ausdruck bloßer Energie (des finanziellen Gewinns) neu, indem die eingebetteten „Unendlichkeiten“ eines physikalischen Ablaufs in ein übergeordnetes Ganzes eingeschlossen werden. Dies ist die einzig vernünftige, antientropische Definition des Profits, die der wahre Ökonom (im Gegensatz zum Buchhalter) zulassen sollte. Die Regeln der Buchhaltung, wie die der Mathematik, sind da, um gebrochen zu werden, wie es die gesamte Geschichte der menschlichen Entwicklung bis zum heutigen Tage demonstriert.
Aber der wahre Grund für das Zögern der Stromfirmen und ihre hohen Gebühren war eine weitere Form des spekulativen Wahns, der unter Mellon gefördert wurde. Riesengroße parasitäre Finanzstrukturen namens Holding-Gesellschaften hatten sich an die Stromfirmen angehängt. Sie kauften Werte in Form ganzer Unternehmen auf und lebten von den aufgeblähten Aktienwerten dieser Firmen. Sie bedienten diese Schulden, indem sie die physische Wirtschaft durch überhöhte Gebühren und Mangel an Infrastrukturentwicklung aussaugten; ein ähnliches Phänomen wie das, was Lyndon LaRouche mit seiner Kollapsfunktion der Tripelkurve illustrierte. Roosevelt griff diesen Wahnsinn mit seinem Public Utilities Holding Company Act (PUHCA) sowie dem Federal Power Act von 1935 an, aber das Problem, endlich elektrischen Strom in diese ländlichen Gebieten zu bringen, blieb bestehen.
Die REA als Krümmung
Die Rural Electrification Administration (REA) ging aus einer unter Leitung Franklin Delano Roosevelts tätigen Gruppe aufgrund einer Reihe von Entscheidungen hervor, die mit ihrer Gründung am 11. Mai 1935 begann. Die Übertragung von Geldern der Krisenfonds im August 1935 verwandelte die REA in eine sich kostendeckende Darlehenskasse, und das REA-Gesetz von 1936 festigte sie als dauerhafte Aufsichts- und Kreditinstitution. Ihre Darlehen wurden sowohl für den Bau von Leitungen als auch für den Kauf von Geräten durch Kreditnehmer der REA vergeben. Diese Darlehen wurden zu Zinssätzen von zwei Prozent über lange Zeiträume herausgegeben, um die physische Entwicklung der einbezogenen Gebiete zu gewährleisten. Von den drei möglichen Wegen zu einem Darlehensprogramm – Darlehen an Privatfirmen, Darlehen an Gemeinden oder Darlehen an zusammenarbeitende Farmgenossenschaften („co-operatives“, kurz „co-ops“ genannt) – erwies sich letzterer als der bevorzugte Weg. Eine ähnliche Schöpfung von Langzeitkrediten zu niedrigen Zinssätzen und deren Ausgabe für produktive Investitionen schlägt heute Lyndon LaRouche vor.
Ein erster Blick auf die anfänglichen, lokalen Auswirkungen des Rooseveltschen Elektrifizierungsprogramms zeigt schon einiges. Die Vorhersagen der Stromfirmen und ihrer Buchhalter erwiesen sich als völlig unzutreffend (sofern sie nicht geradezu unehrlich waren). Die Landwirte fanden nicht nur Möglichkeiten, den Strom zu nutzen, sie mußten sogar, um dies gewinnbringend zu tun, so viele Wege wie nur irgend möglich finden, den Strom in ihre tägliche Arbeit einzubeziehen. Eine einfache erste Finanzanalyse zeigte, daß die von den Landwirten bezahlten Stromkosten tatsächlich dramatisch stiegen – aber das taten auch die Gewinne aufgrund der gestiegenen realen Produktivität der Farmen. Die rasche Anwendung technischer Anlagen erwies sich als vordringlich, so daß die REA anfing, sogenannte „Zirkusse“ zu veranstalten (offiziell als „landwirtschaftliche Demonstrationstouren“ bezeichnet), in denen die Vielfalt der möglichen Anwendungen elektrischen Stroms im Leben auf den Farmen vorge führt wurde – von Kochen, Waschen und Beleuchtung bis zum Mahlen des Futters, Brüten der Küken und Trocknen des Heus.
Am wichtigsten war jedoch die Schaffung freier Energie dadurch, daß mehr Zeit zur Verfügung stand. So erzeute zum Beispiel die Einführung eines elektrischen Pumpensystems, das das Füllen und Schleppen der Wassereimer von Hand ersetzte, faktisch 30 zusätzliche Achtstundentage eines einzelnen Arbeiters pro Jahr. Das heißt: Vor der Elektrifizierung wurden 240 Stunden pro Jahr für das Pumpen und Heranschaffen des Wassers von der Quelle aufgewandt. Ebensoviel Zeit wurde für das Trennen der Sahne per Hand aufgewandt, und noch einmal soviel für das Reinigen und Instandhalten der mit Kerosin betriebenen Lampen.9
So gewann der Landwirt allein durch diese drei neu eingeführten Technologien drei Monate hinzu – Monate, die zur Erhöhung der realen Produktion und als neu entdeckte Freizeit für verschiedene Formen der geistigen Entwicklung genutzt wurden.10 Insbesondere zeigte sich mit der elektrischen Beleuchtung und der dazugehörigen Befreiung von der Abhängigkeit vom Tageslicht (wodurch auch Zeit für nächtliche Tätigkeiten wie das Lesen, die es sonst nicht gab, gewonnen wurde), die tiefere Bedeutung des Ausdrucks transformiertes Potential bei Betrachtung des Farmlebens.
Transformation des Potentials
In mehreren neueren Aufsätzen10 erklärte der Ökonom Lyndon LaRouche, am geeignetsten für die gegenwärtige Diskussion sei die Idee des Potentials, wie sie Carl Gauß in seinem Aufsatz über die anziehenden und abstoßenden Kräfte, die im umgekehrten Verhältnis der Quadrate der Entfernungen wirken,11 darlegt, sowie Gauß’ Arbeit über den Erdmagnetismus.12 Um das dort vorgebrachte Argument zu verstehen, mache man folgenden Versuch: Man nehme zwei starke Magnete und versuche, sie näher und näher zu bringen, ohne sie sich berühren zu lassen. Was spürt man? Es scheint, als wirke irgendeine Kraft, diese zwei Magnete zueinander zu ziehen (oder sie auseinander zu halten, je nachdem, in welcher Richtung man sie hält). Die weitere Untersuchung der Stärke dieser offenbaren Kraft zeigt, daß sie mit der Entfernung abnimmt. Die gleiche Abhängigkeit von der Entfernung existiert auch bei Gravitations- und elektrischen Kräften. Genauer gesagt ist es so, daß sie sich proportional zum umgekehrten Quadrat der jeweiligen Entfernungen verändert (1/r2, wenn die Entfernung gleich r ist). Spielen Sie noch eine Weile mit den beiden Magneten weiter, und denken Sie dann darüber nach, was Sie sicher auf der Erde festhält.
Um den erforderlichen Begriff des Potentials zu begreifen, muß man nur die folgende simple Feststellung von Gauß verstehen: Es gibt keine Kraft, die die beiden Magneten aneinander zieht, die Sie in der Hand halten. Tatsächlich ist da nichts, was einen der beiden Magneten anzieht. Keine Kraft. Die erlebte „Anziehung“ ist bloß eine von den Sinnen beobachtete Wirkung, und die „Kraft“ zwischen den beiden Magneten hat daher keine eigene Existenz, sondern sie ist bloß der Schatten eines anderen, wirklichen Phänomens.
Denken Sie weiter darüber nach: Was ist es, was im Falle der Gravitation eine Anziehung zweier Massen (z. B. Sie und die Erde) verursacht? Die Gravitation? Was ist das? Die meisten würden mit der Tautologie antworten, es sei die Kraft, welche eine gegenseitige Beschleunigung zweier Massen verursacht. Woher wissen wir, daß diese Kraft existiert? Weil die jeweiligen Massen eine Beschleunigung erfahren, und die gefeierte Formel Newtons besagt F = ma (Kraft ist gleich Masse mal Beschleunigung). Was ist also die Kraft, die eine Anziehung zweier Körper verursacht? Die bei der Anziehung zweier Körper wirkende Kraft…
Diese sich im Kreis bewegende Überlegung ist kein Spiel, sondern das Resultat des Versuchs, die Eigenschaften der Schatten durch die Schatten selbst zu erklären (wie der Physiker, der versucht, die deutlich zu sehende Auswirkung des Schattens eines Schlägers auf den Schatten eines Balls zu erklären).13
Anstatt in diese Falle zu geraten, nahm Gauß die Entdeckungen, die er bei der Transformation des sinnlichen Begriffs der Krümmung in ein wirkliches Prinzip14 der Transformation einer Reihe von Beziehungen, das ein Wirkungspotential definiert, gemacht hatte, und wandte sie auf die Phänomene der Gravitation, der Elektrizität und des Magnetismus an, um damit den Begriff eines Potentialfelds zu entwickeln.15 Um die Wirkung der Transformation eines solchen Potentialfeldes zu beschreiben, führte Gauß’ Student Riemann Arbeiten von Gauß über die Funktionen einer komplexen Variablen weiter aus. Gauß hatte erkannt, daß die Zweidimensionalität der komplexen Zahlen – Zahlen, in denen die Größe √–1 vorkommt – ihre vollständige Darstellung auf jeder Oberfläche erlaubten. Der einzige Unterschied wäre die jeweilige relative Lage der komplexen Zahlen. Jede Änderung der relativen Lage dieser Zahlen entspricht, wie bei einer mathematischen Umformung, der Verwandlung der Linien der geringsten Wirkung (geodätische Linien) auf einer Fläche in die auf einer anderen.
Nehmen wir nun die Idee des Potentials als diejenige „Krümmung“ oder Reihe von Beziehungen, welche die Möglichkeit der Wirkung definiert, und wenden es auf unsere Ausgangsdiskussion an. Was genau verursacht die Veränderung der skalaren Größen der Zeit und der Produktivität und die noch kompliziertere, aber oberflächlich skalare Größe des Lebensstandards? Könnten diese sichtbaren Wirkungen lediglich die Schatten einer zugrundeliegenden, veränderten Reihe von Beziehungen sein? Oder, für unsere heutige Zwecke viel interessanter: Welche Formen der Wirkung auf das zugrundeliegende Feld könnte die erwünschte Auswirkung auf Größen wie die oben genannte potentielle relative Bevölkerungsdichte der Menschheit haben? Wir werden diese Frage, die schon den heutigen an Universitäten ausgebildeten „Ökonomen“ – eigentlich nur glorifizierte Buchhalter, und noch dazu schlechte – wie Alan Greenspan fremd ist, auf unsere frühere Diskussion des Programms zur Elektrifizierung der ländlichen Gebiete aus der Roosevelt-Ära anwenden.
Dirichlets Prinzip und das physikalisch-wirtschaftliche Potential
Um zu erkennen, was das wirtschaftliche Feld definiert, das im Falle des Produktivitätsanstiegs der FDR-Wirtschaft zu spüren war, folgen wir dem Beispiel des „Dirichlet-Prinzips“ von Riemann und finden heraus, welche Singularitäten und Grenzbedingungen in diesem Fall das Wirkungspotential bestimmen. Dazu muß daran erinnert werden, daß vor allem die realwirtschaftliche Infrastruktur und die Werkzeugmaschinen als physische Medien dienen, durch welche ein neues wissenschaftliches Prinzip in die menschliche Tätigkeit eingeführt wird. Diese Dinge definieren die Grenzbedingungen eines völlig neuen Phasenraums, in dem sogar die Wirtschaftstätigkeit in den nicht-ländlichen Gebieten verändert wird, weil sie relativ zur Gesamtwirtschaft einen anderen Stellenwert erhält (analysis situs).
Die auf den REA-Vorführungen sowie auf den Treffen der „co-ops“ gezeigten Geräte waren allesamt Produkte privater Unternehmen. Entgegen der simplistischen Phantasien des Shultz-Günstlings Arnold Schwarzenegger, die er unmittelbar aus seinen Filmen auf die Wirtschaft übertragen möchte, hat die Regierung also einen Boom der privaten Produktion ausgelöst, während diese, auf sich allein gestellt, sich selbst erstickt hätte.
Die zum Zweck der ländlichen Stromversorgung neu entwickelten Technologien erzeugten (besonders wenn diese in Verbindung mit der vollen Wirkung der weiteren Projekte der Infrastrukturentwicklung Roosevelts betrachtet werden) ein explosionsartiges Wachstum der produzierenden Sektoren der Wirtschaft, die ansonsten von den dramatischen Veränderungen im ländlichen Amerika weit entfernt waren. Als die Mobilisierung für den Zweiten Weltkrieg anstand, sahen sich die Nazis, zum Glück für die Menschheit, als Ergebnis dieses umgeformten Potentials den verwandelten Vereinigten Staaten gegenüber. Roosevelt hatte die Möglichkeit geschaffen, daß die Vereinigten Staaten mehr als die Hälfte der Produktionslast des Krieges auf sich nehmen konnten.16
Roosevelts Landwirtschaftsminister Henry A. Wallace rief zu einer Steigerung der Produktion von Ackerbau und Viehzucht um 25 Prozent auf: 5,9 Mio. t Schweinefleisch, 58,1 Mio. t Milch, 1,8 Mio. t Hähnchenfleisch, 21 Mio. ha Getreide, 35,6 Mio. ha Mais, 9,3 Mio. ha Baumwolle.17 Diese schon an sich eindrucksvolle Aufgabe wurde durch den Umstand erschwert, daß die Landwirte in den meisten Fällen schon viele ihrer kriegstauglichen Arbeiter für den Krieg abgegeben hatten. Nur aufgrund der vorherigen inneren Transformation unter Roosevelts REA wurde diese Steigerung des meßbaren Produktionsausstoßes möglich. Ebenso ist es die innere (geometrische) Reorganisation einer Maschine, die eine höhere Dichte ihres Ausstoßes in der Form der Energieflußdichte ermöglicht, ohne daß dazu notwendigerweise ein Anstieg der tatsächlich angewandten Energie nötig ist.
Genau diese Methode der gesteuerten Kreditschöpfung und massiver Investitionen in die Schaffung einer hochtechnologischen Infrastruktur ist heute für die Vereinigten Staaten notwendig. Um ein Modell der gewünschten Prozesse zu erhalten, müssen wir die Weiterentwicklung des Gaußschen Begriffs des Potentialfeldes durch Bernhard Riemanns Arbeiten über mehrfach ausgedehnte Größen sowie seine Arbeiten über die Abelschen Funktionen betrachten.18 Die Möglichkeit, diese Art von Prozessen unter Benutzung realer Wirtschaftsdaten in Echtzeit zu modellieren, ist ein charakteristischer Phasenwechsel in der Wissenschaft der physischen Ökonomie. Dies umfaßt die Projektion und Analyse scheinbarer Unendlichkeiten, um eine transfinite Veränderung im Ausdruck verschiedener skalarer Größen der Wirtschaft zu erreichen, indem man auf die vielfältig verknüpften Beziehungen einwirkt, die ein wirtschaftliches „Feld“ ausmachen.
Zusammen mit einem sehr nötigen Politikwechsel hätten wir hiermit sogar die Möglichkeit geschaffen, ein Phänomen zu beherrschen, das in der Geschichte der Menschheit bisher nur vorübergehend erlebt wurde – die Fähigkeit, physische Grenzen der menschlichen Entwicklung zu überschreiten –, und es in ein einheitliches, bewußt gesteuertes Element der menschlichen Wirtschaft zu verwandeln. Diese Rückkehr zu einer Wirtschaftspraxis als einer wahren Wissenschaft, im Gegensatz zu der verrückten Kasinowirtschaft heute, ist etwas, was die LaRouche-Jugendbewegung in der unmittelbaren Zukunft erreichen muß. Deshalb ist es unerläßlich, daß wir diesem Arbeitsgebiet unsere Aufmerksamkeit zuwenden.
Sky Shields ist ein führendes Mitglied der LaRouche-Jugendbewegung aus Los Angeles.
Fußnote(n)
- Lyndon H. LaRouche jr., „Cauchys Infamous Fraud“, und „How Most Economists Became Illiterate“, EIR, 1. April 2005.[↩]
- Eine gründlichere Diskussion dieser Periode kann in dem Bericht „Economics: End of a Delusion“ gefunden werden, der einen gleichnamigen theoretischen Aufsatz von Lyndon LaRouche enthält, sowie eine Studie der Aufbaumaßnahmen Franklin Roosevelts von Richard Freeman. Exemplare dieser Studie (in englischer Sprache) können Sie von Executive Intelligence Review über die Webseite http://www.larouchepub.com beziehen.[↩]
- Deward Clayton Brown, „Electricity for Rural America: The Fight for the REA“ (Greenwood Publishing Group, Westport, Conn., 1980).[↩]
- Dieses Phänomen kann man heute in verarmten Teilen der Welt (inklusive der USA) beobachten, und es wird oft von Ignoranten oder anderen, die in einer traumhaften Realitätsverleugnung verharren, der „Faulheit“, oder schlimmer, nach Art der Nazi-Eugenik einer rassischen Minderwertigkeit zugeschrieben.[↩]
- Dies sollte dem Leser an Argumente erinnern, die heute gegen die Entwicklung der sogenannten „Dritten Welt“ vorgebracht werden.[↩]
- Dem Lesern wird auch empfohlen, das Werk des Nikolaus von Kues (1401–1464) zu studieren, um einen strengen, nicht-fundamentalistischen Begriff eines unendlichen Gottes zu erlangen.[↩]
- Diese Erkenntnis legte den Grundstein für Nikolaus’ Entdeckung des transzendenten Wesens der Zahl π.[↩]
- Bernhard Riemann, „Über die Fortpflanzung ebener Luftwellen von endlicher Schwingungsweite“, Gesammelte Werke.[↩]
- Auf ähnliche Weise könnte man durch die Einführung eines integrierten Massentransportsystems für Gegenden wie Los Angeles die Auswirkungen „freier Energie“ erleben. Es ist jedoch eine entgegengesetzte, verheerende wirtschaftliche Bremswirkung zu erwarten, welche die derzeit von der Regierung Bush geplante Eliminierung des nationalen Bahnsystems Amtrak hätte.[↩]
- Siehe „Cauchy’s Infamous Fraud“ (EIR, 1. April 2005), „The Power to Prosper“ (EIR, 29. April 2005), sowie „The Revolutionary Aspect of LaRouche’s Method“ (EIR, 13. Mai 2005).[↩]
- Carl Gauß, „Allgemeine Lehrsätze in Beziehung auf die im verkehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Abstoßungs-Kräfte“, zu finden auf der Webseite des Digitalisierungszentrums der Göttinger Universität.[↩]
- Carl Gauß, „Die Intensität der magnetischen Kräfte der Erde reduziert auf absolute Messungen“.[↩]
- Die skalare Menge an Energie ist eine weitere solche Schattengröße. Obwohl dies für alle Felder der Naturwissenschaft gilt, wird diese Tatsache im Feld der physischen Ökonomie am offensichtlichsten. Der Versuch, eine Wirtschaft durch einfache Buchhaltungsgrößen des input und output von Energie zu steuern, wird einen fast gar nichts über die wirkliche Wirtschaft lehren. Eher wird sich der wahre Ökonom (im Gegensatz zum bloßen Buchhalter) mit den geometrischen Eigenschaften einer Maschine (oder einer ganzen Wirtschaft) befassen, die die Menge der verwendeten Energie pro Flächeneinheit verändert. Aus diesem Grund entwickelte Lyndon LaRouche den geometrischen Begriff der Energieflußdichte als Maß, das im Gegensatz zur Energie, die schlicht eine beobachtete Wirkung ist, wahre ontologische Bedeutung hat. Weitere solche Effekte sind die Schattengrößen, die man „Masse“, „Geschwindigkeit“, „Beschleunigung“ sowie „Impuls“ nennt.[↩]
- Siehe Anmerkung 11.[↩]
- Nicht zu verwechseln mit Maxwells Begriff eines Feldes, wie er heute an Universitäten gelehrt wird.[↩]
- Entgegen dem verbreiteten Mythos war es also die zuerst von Roosevelt geschaffene Wirtschaft, die den Krieg gewann, und nicht umgekehrt.[↩]
- Marquis Childs, „The Farmer Takes a Hand: The Electric Power Revolution in Rural America“ (Doubleday, Garden City, N.Y., 1952).[↩]
- Weitere Überlegungen zum Werk von Gauß und Riemann werden in der fortlaufenden pädagogischen Reihe „Riemann for Anti-Dummies“ aufgenommen, die von LaRouche-Mitarbeiter Bruce Director verfaßt wird.[↩]