Nach seinen Büchern „Das Urknall Experiment“, „Die Harmonie des Universums“ und „Himmelskunde“, hat Prof. Dieter B. Herrmann ein weiteres Buch im Kosmos Verlag vorgelegt: „Atlas Astronomischer Traumorte“. In seinem „ganz persönlichen Vorwort“ erklärt Herrmann, wie er als Bürger der DDR zwar zahlreiche Publikationen über die Astronomie und ihre Geschichte veröffentlichen konnte, jedoch erst seit der Öffnung der Mauer die Möglichkeit bekommen habe, die damit verbundenen historischen Stätten zu besuchen. Als langjähriger Leiter der Archenhold-Sternwarte, Gründungsdirektor des Zeiss-Großplanetariums in Berlin und als Mitglied zahlreicher astronomischer anderer wissenschaftlicher Vereinigungen gehört Herrmann mit 37 Büchern, 150 wissenschaftlichen und etwa 2000 populärwissenschaftlichen Publikationen zu den prominentesten Autoren zu dem Thema.
Dieser nun vorliegende Atlas stellt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist eine Sammlung von subjektiv ausgewählten und erzählten Begegnungen mit der Geschichte der Himmelskunde auf fünf Kontinenten. Die meisten der von Prof. Herrmann aufgesuchten Orte, nämlich 27, befinden sich in Europa, 12 in Nordamerika, 6 in Asien, 5 in Mittel- und Südamerika, und jeweils 4 in Afrika und Australien. Das Buch enthält einerseits bebilderte Kurzbeschreibungen von Teleskopen, Volkssternwarten, Sonnenuhren, aber auch Bibliotheken, Museen und Galerien. Andererseits kann man durch die Lektüre diverser Reiseberichte tiefer in die persönlichen Erlebnisse und Forschungsergebnisse des Autoren eintauchen, so z.B. wenn man das Wirken Johannes Keplers am Kaiserhof in Prag und Galileis in der Toskana oder auch die Geschichte des Maharadscha Jai-Singh II. und seiner Riesensonnenuhr „Samrat Yantra“ im indischen Jaipur literarisch miterlebt.
„Man kann eigentlich hinkommen, wo man will. Da, wo es eine gewisse Zivilisation gab, da gab es auch immer Bemühungen, die Vorgänge da oben am Himmel irgendwie zu verstehen“, sagt Prof. Herrmann im Gespräch, und zwar auch in der Zeit vor der modernen Optik und Mathematik. „Deswegen haben wir viele solcher Anfänge, die natürlich zu unterschiedlichen Zeiten zu verorten sind, aber das haben Sie bei den nordamerikanischen Indianern, in Südamerika, bei den Aborigines, wo man hinkommt. Man könnte sogar behaupten – denken Sie an die Himmelscheibe von Nebra –, daß die Anfänge auch der europäischen Astronomie ganz ähnlich ausgesehen haben dürften.“
„Die geheimnisvollsten Orte sind die, über die wir heute immer noch am wenigsten wissen, oder die wir am wenigsten verstehen,“ fügt Prof. Herrmann hinzu. „Es gibt sehr viele Portraits von berühmten Sternwarten in dem Buch. Wir wissen natürlich genau Bescheid, wo der Hubble seine Entdeckungen gemacht hat oder der Einstein dies mit ihm diskutiert hat.“ Anders sähe es aus bei der Inka-Festung von Machu Picchu, wo die Forscher, die sich damit beschäftigten, noch nicht einmal wüßten, „warum das Ding überhaupt gebaut wurde.“ Deswegen sind die dort entstandenen Berichte des Autoren über die Bestimmung der Tag- und Nachtgleiche durch die Beobachtungen des Schattens an einem großen geneigten Stein, oder das in der ehemaligen Inka-Hauptstadt Cusco ausgestellte Goldrelief mit eingravierten Himmelskörpern besonders faszinierende Portraits.
Natürlich kommen auch die an modernster Technik interessierten Leser auf ihre Kosten, wenn eines der größten Teleskope in der südlichen Hemisphäre, das SALT-Teleskop in Südafrika, im Zentrum einer Reportage steht. Auch das im chinesischen Guizhou neu errichtete Radioteleskop mit einer Empfängerfläche von 500 Metern taucht in den Kurzportraits auf. Es ist lange her, daß ein großes Radioteleskop gebaut worden ist, wenn man bedenkt, daß das ebenfalls im Buch erwähnte, mit 305 Metern Durchmesser einst größte Teleskop seiner Art im amerikanischen Puerto Rico bereits 1963 entstand – nach heutigen Maßstäben fast schon eine Ewigkeit.
Die knapp 200 Seiten des „Atlas astronomischer Traumorte“ sind eine abwechslungsreiche Fundgrube, um persönlich erlebte Geschichten und Entwicklungen und eine der ältesten und prägendsten Wissenschaftsbereiche der menschlichen Zivilisation in kurzweiligen Abschnitten zu studieren. Die Emanzipation des menschlichen Geistes ist mit dieser Wissenschaftskultur untrennbar verbunden. Selbst zu einer Zeit, als es noch keine Schriftsprachen gegeben hat und wir heute indirekt erschließen müssen, wie die Menschen einst gedacht haben, zeigt sich, daß jede Kultur von Bedeutung versucht hat, die Geheimnisse des Universums zu entziffern, um daraus Rückschlüsse zu ziehen, wie wir das Leben in unserer Gesellschaft ordnen und mit Sinn anfüllen können. Prof. Dieter Herrmann weist in seinem Vorwort darauf hin, daß die Beschäftigung mit der Astronomie nicht nur ein rein wissenschaftliches Thema sei, sondern auch den „Respekt vor den Kulturen anderer Völker und die Bewahrung der Vielfalt […] in unserer Zeit rasanter Globalisierung mit ihren Gefahren der Nivellierung von Unterschieden“ befördere. In diesem Sinne ist mit dieser Publikation auch dem Dialog zwischen den Zivilisationen auf allen Erdteilen und zu allen Zeitaltern Rechnung getragen.