Es ist viel darüber philosophiert worden, daß es „absolute Wahrheit“ für den Menschen nicht gebe. Auch weiß jeder Wissenschaftler, daß das, was er gerade als neue Wahrheit erkannt zu haben glaubt, früher oder später durch neue, weiterreichende Erkenntnisse überholt werden wird. Soll das aber heißen, daß das, was wir zu erkennen glauben, nichts mit der Realität zu tun hat? Radikaler erkenntnistheoretischer Skeptizismus war schon immer die Mutter aller fundamentalistischen Sekten und absurden Glaubenssysteme religiöser oder politischer Art.
Inzwischen zersetzt der pragmatische erkenntnistheoretische Skeptizismus allmählich selbst die Wissenschaft. Sie liefert zwar keine „absolute Wahrheit“, aber doch eine verläßlichere als die Willens- und Absichtsbekundungen der jeweiligen politischen Machthaber von Volkes, des Geldes oder sonstiger Gnaden.
Paradoxerweise scheint es gerade dieser Rückbezug der verunsicherten Menschen auf die Wissenschaft zu sein, die zu ihrer Zerstörung beiträgt. Denn die „Wissenschaftlichkeit“ einer Aussage, scheint – wie früher vielleicht die Feststellung: „Der Pfarrer hat es auch gesagt“ – das einzige Argument zu sein, mit dem man bei sogenannten Meinungsführern und über sie in einem breiteren Kreis der Bevölkerung Zustimmung für seine Aussagen finden kann. Und eine solche Fähigkeit kann einen Preis fordern.
Inzwischen verschlingen wissenschaftliche Gutachten für dieses und jenes „Problem“ beachtliche Brocken in den öffentlichen Haushalten. Grund hierfür ist nicht nur, daß Politiker auf diesem Weg Freunde und Wegbereiter für allerlei nicht haushaltsfähige Dienste finanziell entschädigen können. Die öffentliche Hand nutzt auf diese Weise ihre relative Neutralität ebenso wie frühere Regierungen ihre damals noch akzeptierten religiösen Weihen. Denn von Regierungsgutachten können gerade die ganz Schlauen nicht so leicht ablesen, wohin sie der Wind treibt.
Geld zieht Korruption an. Als man zum Beispiel vor einigen Jahren wissenschaftliche Belege für die Behauptung benötigte, sogenannte FCKWs fräßen in die Ozonschicht über dem Südpol ein Loch, durften Wissenschaftler zum Südpol reisen. Mit aller in ihren Kreisen üblichen Akribie maßen sie den hohen Chlorgehalt unter dem Ozonloch und werteten ihn als Hinweis auf die gängige Ozonlochhypothese. Das klang „wissenschaftlich“ stichhaltig, überzeugend und wurde mit einem deftigen Umweltpreis bedacht. Was aber wird aus der „wissenschaftlichen“ Wahrheit, wenn man bedenkt, daß die Wissenschafter, ohne es zu erwähnen, durch die Fahne des nur 15 km entfernten Vulkans Erebus hindurchgemessen haben, von dem man seit langem weiß, daß er täglich zwischen 1000 und 3000 t Chlorgas in die Atmosphäre bläst? Idealisten sprechen von einer plumpen Lüge, Pragmatiker zeigen Verständnis und belächeln, wenn sie die Medienmacht und das Erinnerungsvermögen der Öffentlichkeit für begrenzt halten, nur die Dummheit.
Inzwischen hat sich Professor „Ozonloch“ Crutzen eines Besseren besonnen. Zwar hat er seinen Nobelpreis nicht zurückgegeben, aber in Le Monde vom 27. Januar 1997 lesen wir, daß er im fernen Costa Rica seine Ozonlochwarnungen als „zu apokalyptisch“ widerrufen hat. Idealisten mögen ihm das als Mut und wissenschaftliche Redlichkeit auslegen. Pragmatiker sehen es nüchterner: Die UNO hatte ihr FCKW-Verbot inzwischen durchgesetzt, die Kühlmittelindustrie genießt das Milliardengeschäft, die Medien haben andere Themen und die Politik ist dabei, uns vor der noch bedrohlicheren Klimakatastrophe zu retten. Die Zeit für eine Richtigstellung war also günstig.
Im Unterschied zu Ozonloch-Crutzen wurde Klimakatastrophen-Hasselmann tätig, noch bevor die UNO in Kyoto den Planet Erde mit verbindlichen CO2-Quoten belasten wollte. Professor Hasselmann vom MPI in Hamburg schrieb in Science vom 9.5.1997 auf Seite 914 unter der Überschrift „Erkennen wir globale Erwärmung?“ (man beachte die breiige Frageform), daß sich eine Klimaerwärmung „noch nicht“ erkennen lasse und fuhr wörtlich fort: „Jedenfalls ist zu erwarten, daß die inhärenten, statistischen Unsicherheiten beim Nachweis der anthropogenen Klimaänderung nur langsam in den nächsten Jahren zurückgehen, während das vorhergesagte Signal (daß der Mensch über CO2 das Klima beeinflußt) sich allmählich von der natürlichen Klimavariabilität abhebt“. Da das noch nicht geschehen ist, fehlt der Nachweis bisher.
Das klang im Februar 1995 noch ganz anders, als der gleiche Professor behauptete, die Erwärmung der Erdatmosphäre um 0,7 Grad gehe mit 95%iger Wahrscheinlichkeit auf das vom Menschen freigesetztes CO2 zurück. Damals beschimpfte er im Zweiten Deutschen Fernsehen Leute, die ihm darin widersprachen, als „Idioten“. Auch bei der 100. Anhörung der Enquetekommission des Deutschen Bundestags zum Schutz der Erdatmosphäre am 29. April 1994 (Mitschrift S. 80), hatte er Kritikern entgegengehalten: „Es ist bewiesen. Wir haben wissenschaftlich bewiesen, daß sie (die Klimaerwärmung) kommt.“ Bei dieser Gelegenheit wettete er (allerdings unverbindlich) sein ganzes Vermögen, daß wir in zwanzig Jahren eine Klimaerwärmung um 1 Grad Celsius nachweisen könnten, und fuhr dann fort: „Außer ein paar Idioten wie Lindzen (gemeint ist Professor R. Lindzen vom MIT) sagen die Wissenschaftler mit 100% Sicherheit, daß der Klimawandel kommt…“
Zwar hatte US-Staatssekretär Timothey E. Wirth schon im Wall Street Journal vom 20. Januar 1997 im Hinblick auf die UNO-Konferenz in Kyoto festgelegt: „Die Debatte ist vorbei… Nur die Frage gilt noch, wie und wie schnell man den Ausstoß unter das Niveau des vereinbarten Ausgangsjahres 1990 drückt“, trotzdem steht die Entscheidung der Regierungen noch aus.
Als 1996 ein zu offensichtlicher der Betrug des Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC) aufflog, änderte sich einiges. Aus dem verbindlichen UNO-Papier waren unerwünschte Einschränkungen der Wissenschaftler wie „Keine der o. a. Studien hat klare Beweise geliefert, daß wir die beobachteten (Klima)-Änderungen einer spezifischen Verursachung durch Treibhausgase zuordnen können“ oder „Bis heute hat keine Studie eindeutig (die beobachtete Klimaänderung) ganz oder zum Teil anthropogenen Ursachen zuordnen können“ u. ä. redaktionell entfernt worden, was den Protest einer wachsenden Zahl von Wissenschaftlern auslöste. So platzte die Illusion, die Mehrheit der Wissenschaftler stehe hinter der Klimahypothese. Galt es nun einen Ruf zu verlieren?
Wieder sehen es die Pragmatiker nüchterner. Natürlich waren die wissenschaftlichen „Unsicherheiten“ 1994 nicht geringer als heute. Nur galten sie damals als nicht „politisch korrekt“. Die Regierenden hatten nicht mit so heftigen Auswirkungen der Wirtschaftskrise gerechnet und daher am Umbau bzw. Ausstieg aus der Industriegesellschaft festhalten wollen. Inzwischen ist man sich da nicht mehr so sicher.
Wissenschaftler sind Menschen und können irren. Was aber, wenn die „Menschlichkeit“ der Wissenschaft soweit geht, daß sie käuflich wird? Davor wird uns keine Regierung oder Institution – und wäre sie so ehrenwert wie die Bürokratie der „Völkergemeinschaft“ – schützen. Wir müssen selbst nachdenken. Gewißheit gibt uns dabei neben umfassender Information vor allem die Ehrlichkeit, die wir uns selbst gegenüber aufbringen. Beides wollen wir mit den Beiträgen in diesem FUSION erneut versuchen.