Igor Kurtschatow war Leiter des sowjetischen Atomprogramms. Aus strategischer Notwendigkeit entwickelte er die Atombombe wie auch die Wasserstoffbombe mit – und drängte gleichzeitig darauf, sie niemals einzusetzen. Sein Hauptanliegen galt der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Das erste Kernkraftwerk der Sowjetunion wurde parallel mit der ersten sowjetischen Atombombe entwickelt und ging 1954 als allererster Kernreaktor der Welt in Betrieb. Schon 1950 sagte Kurtschatow seinem Team, daß es sich im nächsten Jahr auf den magnetischen Fusionsreaktor konzentrieren würde, eine Idee von Andrej Sacharow, die später als Tokamak bekannt wurde.
Am 20. Februar 1956 hielt Kurtschatow eine Rede auf dem 20. Parteitag der KPdSU (auf dem auch Chruschtschow seine historische Rede gegen Stalins Politik hielt) und forderte eine internationale Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Kernfusion, auch mit den Vereinigten Staaten. Später in dem Jahr reiste er mit Chruschtschow nach Großbritannien und erläuterte in einer Rede an der Kernforschungsanlage Harwell ausführlich das sowjetische Programm. Daraufhin wurde kurz danach die bis dahin weitgehend geheime Fusionsforschung in allen Ländern größtenteils freigegeben, und es begann die bis heute andauernde internationale Zusammenarbeit bei der Kernfusion.
Es folgt ein Auszug aus Kurtschatows Rede vom 20. Februar 1956:
„Die theoretischen Arbeiten zur Atom- und Kernphysik haben die Möglichkeit eröffnet, nach einer neuen Art der Energienutzung für friedliche Zwecke zu suchen; sie haben die Möglichkeit des experimentellen Einsatzes kontrollierter thermonuklearer Reaktionen – der Fusion oder Fusionsreaktionen – eröffnet, was die wichtigste allgemeine Aufgabe der Wissenschaft ist.
Eine kontrollierte thermonukleare Reaktion sollte es ermöglichen, Energie nicht auf Kosten ihrer Reserven zu gewinnen, die in den Atomkernen seltener Elemente – Uran und Thorium – konzentriert sind, sondern durch die Bildung von Helium aus der in der Natur weit verbreiteten Substanz: Wasserstoff. Die Lösung dieser höchst schwierigen und majestätischen Aufgabe würde die Menschheit für immer von der Sorge um die notwendigen Reserven für ihre Existenz auf der Erde befreien.
Wir haben jetzt die Wasserstoffbombe, um die Bedingungen für eine Wasserstoff-Helium-Fusionsreaktion zu schaffen. Aber sie muß jetzt kontrolliert werden, um eine Explosion zu vermeiden.
Wir, die sowjetischen Wissenschaftler, möchten mit Wissenschaftlern aus allen Ländern der Welt zusammenarbeiten, auch mit Wissenschaftlern aus Amerika, deren wissenschaftliche und technische Leistungen wir sehr schätzen, um dieses wichtigste wissenschaftliche Problem für die Menschheit zu lösen. Damit dies möglich ist, muß die US-Regierung nur den Vorschlag der Sowjetunion zum Verbot von Atom- und Wasserstoffwaffen akzeptieren, für den unsere Partei so unermüdlich kämpft.“