Seuchenbekämpfung: eine Frage von Leben und Tod

Ein Vierteljahrhundert nach den eindringlichen Warnungen Lyndon LaRouches vor der Gefahr einer weltweiten Ausbreitung neuer und alter Seuchen hat jetzt der Nationale Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten zumindest ansatzweise verstanden, was LaRouche damals meinte. 1974 hatte der Ökonom LaRouche erklärt, daß die drakonischen Sparauflagen, die der IWF und andere internationale Finanzinstitutionen vor allem gegenüber den Entwicklungsländern verhängte, den Boden für eine Explosion „klassischer“ Seuchen wie auch für das Entstehen ganz neuer Seuchen bereiten würde. Diese These wurde begleitet von einer Sonderstudie, die eine Gruppe medizinischer und biologischer Fachleute aus dem Umkreis der damals gegründeten Fusion Energy Foundation – aus der auch das Fusions-Energie-Forum hervorgegangen ist – erstellt hatte. In dieser Studie wurde erstmals der Begriff „biologischer Holocaust“ geprägt, um die Wechselwirkung zwischen dem Zusammenbruch des Lebensstandards weltweit und der beschleunigten Verbreitung neuer und alter Seuchen zu beschreiben.

Eine methodische Besonderheit dieser Studie lag in der Überlegung, daß sich die Beziehung zwischen wirtschaftlichen und biologischen Prozessen (wie der Seuchenausbreitung) weder durch gewöhnliche mathematische Modelle noch durch sogenannte „nichtlineare“ Gleichungen darstellen lassen. Der Grund hierfür liegt, wie bereits der große russische Wissenschaftler Wladimir Wernadskij erkannt hatte, in den besonderen Eigenschaften „lebender Prozesse“. Die Wechselwirkung zwischen wirtschaftlichem Zusammenbruch und Krankheitsausbreitung drückt sich in plötzlichen qualitativen Veränderungen oder „Phasenwechseln“ aus, wie sie für die biologische Evolution insgesamt charakteristisch sind. Jeder Versuch, derzeit festgestellte Infektionsraten einfach zu extrapolieren, um die globale Bedrohung durch Infektionskrankheiten zu errechnen, muß zu einer gefährlichen Unterschätzung des Problems führen.

AIDS als nationale Bedrohung

Eigentlich 25 Jahre zu spät und lediglich in statistischer Aufmachung ist im Januar ein Bericht der Central Intelligence Agency (CIA) zur weltweiten Seuchenlage („The Global Infectious Disease Threat and Its Implications for the United States“) erschienen, und kurze Zeit später hat der Sicherheitsrat der USA die globale AIDS-Pandemie im Zusammenhang mit der explosiven Verbreitung anderer Infektionskrankheiten in der ganzen Welt zur „nationalen Sicherheitsbedrohung“ erklärt. Besonders die Lage im südlichen Afrika sei besorgniserregend, wo bis zu 25 % der jungen Erwachsenen der HIV-Infektion zum Opfer fallen könnte. In neun Ländern des südlichen Afrika liege die HIV-Ansteckungsrate bereits zwischen 12 und 26 %. Die Leiterin des Office of National AIDS Policy meinte dazu: „Was am auffallendsten ist und viele Leute erst jetzt zu begreifen beginnen, ist, daß Afrika nur die Spitze des Eisberges ist. Wir sind erst am Anfang einer Pandemie, wie wir sie in diesem Jahrhundert noch nicht gesehen haben und wie wir sie am Ende wahrscheinlich noch nie in der Geschichte gesehen haben.“

Neben einer ausführlichen Bestandsaufnahme der HIV/AIDS-Ausbreitung wird in dem CIA-Bericht darauf hingewiesen, daß „20 bekannte Krankheiten, darunter Tuberkulose, Malaria und Cholera, seit 1973 wieder aufgetaucht sind oder sich geographisch ausgebreitet haben, und das oft in virulenteren und behandlungsresistenten Formen. Mindestens 30 bisher unbekannte Krankheitserreger sind seit 1973 identifiziert worden, darunter HIV, Ebola, Hepatitis C und das Nipah-Virus, für die keine Heilverfahren verfügbar sind.“ Die USA seien von der steigenden Infektionsrate keineswegs ausgeschlossen. Dort hätte sich die Zahl von Todesfällen durch Infektionskrankheiten seit 1980 verdoppelt.

Trügerische Sicherheit

Bis vor kurzem haben die Eliten der USA und Westeuropas die Augen vor der Seuchenbedrohung aus den Krisengebieten Afrikas, Lateinamerikas und Asiens verschlossen, denn man war der Meinung, das Problem werde sich auf die ärmeren Länder beschränken lassen und die reichen Länder nicht ernsthaft tangieren. Schließlich sei man hier durch bessere Hygiene und ein besseres Gesundheitswesen geschützt, und man habe genug Geld, um Antibiotika und andere kostspielige Therapien bezahlen zu können. Außerdem sei die Biotechnik inzwischen soweit fortgeschritten, daß man in kürzester Zeit neue Medikamente entwickeln könne – und haben wir nicht sogar schon das gesamte menschliche Erbgut entschlüsselt? Uns in den reichen Ländern kann niemand etwas anhaben, schon gar nicht irgend so ein kleiner Erreger. Oder?

An dieser Einstellung wird deutlich, wohin es führt, wenn man sich weigert, den grundlegenden Unterschied zwischen lebenden und nichtlebenden Prozessen zu begreifen, was sich u. a. in der erdrückenden Übermacht des molekularbiologischen Denkens in Biologie und Medizin ausdrückt. Regierungen unterschätzen sträflich die Gefahr eines „biologischen Holocaust“ und überschätzen gleichzeitig die Möglichkeiten der Molekularbiologie und „Biotechnik“, mit den Problemen umzugehen, die sich aus einem biologischen Holocaust ergeben.

Man betrachte nur die rapide Entwicklung behandlungsresistenter Keime bei Tuberkulose, Malaria und den sogenannten Krankenhausinfektionen. Mit gentechnischen Methoden läßt sich zwar die Entwicklung neuer antibiotischer Substanzen beschleunigen, doch was geschieht, wenn jedes neue Antibiotikum durch seinen Einsatz zu weiteren 3, 10 oder gar Tausenden neuen resistenten Stämme führt? Im schlimmsten Fall könnten die mechanistischen Verfahren der Molekularbiologie sogar zu einer katastrophalen Beschleunigung im Entstehen neuer Krankheiten und Erreger führen.

Wenn wir uns nicht auf ganz andere – altbewährte und neue – wissenschaftliche Methoden in der Seuchenbekämpfung besinnen, werden möglicherweise nicht nur die ärmeren Entwicklungsländer durch Seuchen massiv entvölkert, sondern auch die scheinbar sicheren Industrieländer einen unvorstellbaren biologischen Holocaust erleben.

Zwar hat der oben erwähnte CIA-Bericht aufgezeigt, daß HIV/AIDS und andere Seuchen eine unmittelbare Bedrohung darstellen, doch an keiner Stelle wird die entscheidende Schlußfolgerung gezogen, wie sie LaRouche schon vor langer Zeit angemahnt hat. Die Seuchenausbreitung wird man nur eindämmen können, wenn ein radikaler wirtschaftspolitischer Kurswechsel vollzogen wird. Die verheerende IWF-Wirtschafts- und Finanzpolitik der letzten Jahrzehnte mit ihrem erzwungenen Verfall von Infrastruktur und Gesundheitswesen hat uns das Seuchenproblem überhaupt erst beschert. Was wir brauchen, ist nicht Spekulation an den Börsen, sondern Aufbauprojekte, ein funktionierendes Gesundheitswesen und medizinische Grundlagenforschung – und das weltweit!