Die Wurzeln der bisher vorbildlichen und bewährten deutschen Berufsausbildung reichen in das Zunftwesen im deutschsprachigen Raum des Mittelalters zurück. Dazu zählten im wesentlichen Österreich- Habsburg, die Schweiz und das ehemalige Deutsche Reich. Auf der Ausbildung aufbauend, haben sich der Handwerksmeister, in der Industrie im 20. Jahrhundert zusätzlich der Industriemeister, entwickelt. Ihre schöpferischen praktischen Begabungen hatten die Pforten aufgestoßen zu den Gewerbeschulen im 19. Jahrhundert.
Als es James Watt (1736–1819) in England 1765 gelungen war, aus einer Newcomenschen Dampfmaschine eine leistungsfähige, rationell und sicher arbeitende Dampfmaschine zu entwickeln, war der Weg zu unserem heutigen Industriezeitalter geebnet. Der Mensch konnte seine Muskelenergie durch andere Energien ersetzen und vervielfachen. Die industrielle Revolution begann. Das Handwerk erfuhr eine Technisierung. Die Anforderungen an Gesellen und Meister wurden in den technischen Fertigungsmethoden immer anspruchsvoller. In dieser Zeit entstanden eine ganze Reihe von Gewerbeschulen, Bauschulen, Maschinenbauschulen und Polytechnika, aus denen im letzten Jahrhundert viele bekannte Technische Hochschulen und Ingenieurschulen hervorgegangen sind. Ein großer Bildungsbereich waren fast 150 Jahre lang die deutschen Ingenieurschulen. Die Studienzeit war mit 3 Jahren bzw. 6 Semestern festgelegt und endete mit einer Ingenieurprüfung zum Ing. (VDI), später zum Ing. (grad.).
Die Ingenieurschulen entwickelten sich mit der rasanten Industrialisierung. Voraussetzung zum Studium an diesen Ingenieurschulen war neben einem Realschulabschluß (mittlere Reife) eine abgeschlossene Berufsausbildung oder mindestens ein zweijähriges Praktikum in einem Handwerks- oder Industriebetrieb. Vorsemester gaben auch begabten Volksschülern mit abgeschlossener Berufsausbildung die Möglichkeit, ein Ingenieurstudium aufzunehmen. Die meisten Ingenieurschüler hatten eine Berufsausbildung durchlaufen. Damit verfügten sie über solide handwerkliche Fertigkeiten und Erfahrungen in der Bearbeitung von z. B. Werkstoffen und deren Verarbeitung zu Maschinenteilen. Auch in der Schweiz und Österreich wurden nach diesem Konzept Ingenieure ausgebildet. Die Ingenieurschulabsolventen erfreuten sich über die Ländergrenzen hinaus eines hohen internationalen Rufes. Sie vereinigten in sich ausgeprägte praktische Fähigkeiten mit dem notwendigen theoretischen Hintergrundwissen. Sie waren anerkannte Gesprächspartner für die Meister und Techniker in den Produktions- und Fertigungsbetrieben und für wissenschaftlich ausgebildete Diplom-Ingenieure von den Technischen Hochschulen bzw. Universitäten.
Die unterschiedlichen, aber gleichwertigen Begabungsschwerpunkte von Seiten der Facharbeiter, Meister und Techniker einerseits, der von Ingenieuren andererseits boten eine hervorragende Ergänzung zu den mehr theoretisch und abstrakt arbeitenden Diplom-Ingenieuren der Technischen Hochschulen bzw. Universitäten.
Die Technischen Hochschulen gingen häufig aus den Polytechnika hervor. Die Polytechnischen Vereine und Gesellschaften versuchten, die Ergebnisse der Wissenschaft für die Praxis direkt nutzbar zu machen. Die älteste Anstalt war die polytechnische Schule in Paris, „ecôle polytechnique”. Sie wurde 1794 gegründet. Nach ihrem Vorbild entstanden die polytechnischen Institute in Prag, 1806, und Wien, 1815. Die Technische Universität München, TUM, wurde 1868 gegründet. Im WS 2012/13 waren an der TU München 31 023 Studierende, davon 5 114 aus dem Ausland.
In Preußen war bereits 1799 die königliche Bauakademie in Berlin errichtet worden. Unter dem Einfluß des preußischen Staatsbeamten Ch. W. Beuth (1781–1853) wurden 1827 das Gewerbeinstitut und 1866 die Gewerbeakademie gegründet. 1879 erfolgte die Vereinigung der Bauakademie und Gewerbeakademie zu einer Technischen Hochschule.
Der Zerfall der Wissenschaft in fast unüberschaubare Spezialgebiete hat zu einer Expertenbetriebsamkeit geführt, die das Typische des wissenschaftlichen Arbeitens und Denkens aus den Augen verloren hat, nämlich Grundlagenforschung, fachübergreifendes Denken und Förderung der universalen Humanitas. Letztere dienen dazu, die allen Teilwissenschaften gemeinsamen Grundlagen sichtbar und bewußt zu machen. Die einseitigen Fortschritte von Spezialwissenschaften haben sie zu Instrumenten der Ausbeutung der Natur werden lassen, ohne dabei die Regeneration der Natur zu berücksichtigen und die Grundbedürfnisse der Menschen nach Nahrung, Süßwasser, Gesundheit, Wohnung und Kleidung zu befrieden. Die Humanitas im weitesten Sinne ist auf der Strecke geblieben.
In einer Schrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen”, forderte W. v. Humboldt: die Aufgabe des Staates auf den „äußeren Schutz” und die „innere Rechtssicherheit” einzuschränken und der „Selbstentfaltung des Individuums” freien Raum zu lassen. Das sind Forderungen, die noch heute hochaktuell sind. Sie sind verloren gegangen und erfahren durch staatliche Reglementierung, durch bestimmte politische Gruppierungen und eine zunehmende Ideologisierung aller Lebensbereiche eine gefährliche Aushöhlung.
Es wird höchste Zeit, wieder an die Tradition der Einheit von Lehre und Forschung anzuknüpfen, wie sie von Wilhelm von Humboldt (1767–1835) gefordert wurde. Nach seiner Bildungskonzeption wurde 1810 die Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität gegründet, die am 29.01.1946 in Humboldt-Universität umbenannt wurde.
Die Bologna- Empfehlungen
Die Bologna-Beschlüsse der Staaten der Europäischen Union vom 19. Juni 1999 sahen vor, daß bis zum Jahre 2010 die Studiengänge auf eine Bachelor- und Mastergliederung umzustellen sind. (Joint Declaration of the European Ministers of Education Convened in Bologna on the 19th of June 1999).
„Im Rahmen dieses Reformprozesses soll die Qualität der Studienangebote besser abgesichert, die Mobilität der Studierenden in allen Phasen des Studiums erweitert, die Interdisziplinarität der Studiengänge ausgebaut und die Chancengleichheit durch die Ermöglichung von Teilzeitstudien sowie ausreichende Stipendien oder Studiendarlehen gewährleistet werden.”
Das sind hehre Ziele, aber keine neuen. Seit Jahrzehnten sind sie in der deutschen Studienlandschaft Wirklichkeit. In jedem lebendigen Hochschulsystem sind inhaltliche und organisatorische Abwandlungen ein alltäglicher Prozeß. Dazu bedarf es keiner Anordnung von außen oder oben.
Beim Bologna-Prozeß handelt es sich um eine rechtlich unverbindliche Absprache zwischen den Bildungsministern von inzwischen 45 „europäischen” Staaten. Auf den alle zwei Jahre stattfindenden Ministertreffen (2001 in Prag, 2003 in Berlin, 2005 in Bergen, 2007 in London) legen sie offiziell fest, welche Ziele im Bologna-Prozess erreicht werden sollen (z. B. höhere Mobilität, Einführung von BA/MA oder die Einrichtung von Qualitätssicherungssystemen).
Die nationale Bologna-Gruppe besteht in Deutschland aus Vertretern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), der Kultusministerkonferenz (KMK), des freien Zusammenschlusses von Studentinnenschaften (fzs), der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und des Akkreditierungsrates. Gemeinsam erarbeitet sie Lösungen zur Umsetzung der Bologna- Ziele auf Bundesebene, berichtet an die Bologna Follow Up Group (BFUG) und führt Seminare zu den verschiedenen Inhalten des Bologna-Prozesses durch.
Von den Empfehlungen zu Beschlüssen – ihre Folgen
Die Bologna-Beschlüsse bedeuten für das deutsche Universitäts-, Hochschul- und Fachhochschulsystem einen Todesschuß, der gleichbedeutend ist mit dem Abwürgen eines bedeutenden Kulturzweiges. Sie kommen einem Ausverkauf deutscher Bildungskultur gleich. Das letzte Fundament deutscher Bildungseinrichtungen wird eingerissen. Noch vor 20 Jahren hatten deutsche Schulen, Berufs- und Hochschulen in aller Welt Vorbildcharakter.
Der Bachelor entspricht formal dem deutschen Vordiplom in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen der Universitäten und Technischen Hochschulen. Zukünftig soll er dem „Diplom” derzeitiger Fachhochschulen bzw. Hochschulen gleichgestellt sein. Die Fachhochschulen waren damit nicht einverstanden, wohl mit Recht! Aber ebenso vermessen ist es, in die Nähe der Universitäten rücken zu wollen, um vergleichbare Abschlüsse zu erreichen. Deshalb sind sie auch die treibenden Kräfte für das Bachelor-Mastersystem. Sie wechseln ihre offiziellen Namen aus. Fast alle bezeichnen sich als Hochschulen mit dem Zusatz Universities of Applied Science. Warum müssen deutsche Bildungseinrichtungen sich mit englischen Bezeichnungen ausweisen?
Fachhochschulen, die sich auf diesen Weg begeben haben, verlieren ihre Identität und das Selbstverständnis für Studium und Berufsqualität wie die früheren Ingenieurschulen es hatten.
Der „Bachelor” soll zugleich als berufsqualifizierter Abschluß gelten, entsprechend müssen die Studieninhalte anders aufgeteilt, erweitert oder reduziert werden [1].
Den Bachelor mit einem berufsqualifizierten Abschluß gleichzusetzen ist aufgrund des deutschen dualen Berufsbildungskonzeptes lächerlich. Jeder Facharbeiter, Laborant, Meister, Techniker, Industrie- und Bürokaufmann ist qualifizierter als die Bachelor- Absolventen. Wer sich ein solches Bachelor-Masterkonzept ausgedacht hat, hat weder Ahnung von der Vielfalt des deutschen Berufsbildungsprogramms noch von der Praxis in Industrie, im Handwerk und in der Wirtschaft allgemein. Es sind Bildungsfunktionäre aus den Kultusministerien und Professoren, die mehr mit Verbänden korrespondieren als anständige Vorlesungen zu halten und sich um ihre anvertrauten Studierenden zu kümmern.
Seit der Überführung der Ingenieurschulen in Fachhochschulen sind letztere um ingenieurfremde Fachbereiche erweitert worden, wie z. B. Betriebs- und Volkswirtschaft, Soziologie, Ökologie, Medizintechnik, Erziehungswissenschaft, Informationsrecht, Berufe der sozialen Arbeit, Journalismus u. a. Damit ist versucht worden, diesen Fachhochschulen einen universitätsähnlichen Charakter zu verleihen, aber der ingenieurdominierende Charakter ist ihnen verloren gegangen.
Parallel mit der Überführung der Ingenieurschulen in Fachhochschulen ist der Praxisverbund bzw. der Anteil der praktischen Fertigkeiten zurückgegangen. Die eingeplanten 2 Praxissemester, von denen eines für die Diplomarbeit bzw. Bachelorarbeit vorgesehen ist, sind ein magerer Ersatz gegenüber der früher geforderten Berufsausbildung oder einem 2jährigen Praktikum. Dagegen wird in der Schweiz von einem Bewerber für ein Fachhochschulstudium immer noch eine erfolgreich abgeschlossene praktische Ausbildung in einem einschlägigen Beruf verlangt [2; 3].
Den Bologna-Beschlüssen liegt ein Konzept der Gleichmacherei zugrunde. Sie kümmern sich nicht um die Vielfalt der europäischen Kultur der einzelnen Länder und Landschaften. Universitäten und Bildungseinrichtungen sind das Ergebnis langer bewährter Traditionen und völkischer Eigenheiten. Das macht ihre Qualität und kulturelle Lebendigkeit aus. Wer diese Lebendigkeit einebnet, tötet zugleich die Kreativität und Innovationsfähigkeit ganzer europäischer Bevölkerungsgruppen. In Deutschland arbeitet das Bachelor-Masterprogramm der sozialistischen Gleichmacherei in die Hände.
Wer die Fundamente eines Bildungssystems in einem Lande einreißt, will die Gesellschaftsordnung ändern. Dieser Prozeß ist in Deutschland ein Selbstläufer geworden. Werden Parteien, Gewerkschaften oder auch die Verbände der Wirtschaft etwas dagegen tun? Nein, sie werden es nicht, sie lassen es laufen und verstecken sich hinter einer Europäisierung, die es aber nach augenblicklichen politischen Vorstellungen nicht geben wird.
In der Umsetzung des sog. Bologna-Prozesses wird an den Hochschulen die zweistufige Ausbildung eingeführt, die nach 6 bis 8 Semestern zum „Bachelor”, nach weiteren 2–4 Semestern zum „Master” führt.
Damit soll der „Diplom-Ingenieur” als Abschlußtitel des akademischen Vollstudiums entfallen.
Der Diplom-Ingenieur war in aller Welt ein hochgeschätztes deutsches Markenzeichen. Kein Unternehmen würde daran denken, seine bewährte Marke aufzugeben, nur weil es eine neue Produktserie auflegt. Das aber erwartet die Kultusminister-Konferenz, wenn man die Bachelor- und Master-Studiengänge mit den neuen Titeln abschließt. „Bachelors und Masters gibt es rund um den Globus in massenhafter Vielfalt, den deutschen Diplom-Ingenieur gab es nur einmal – verbunden mit dem weltweit geachteten Qualitätsstandard deutscher Ingenieurausbildung.” Es war töricht, diesen Wettbewerbsvorteil künftig nicht mehr auszuspielen, gerade im Zeitalter der rasanten Globalisierung.
Die Bologna-Erklärung von 1999 eröffnete den Mitgliedsstaaten ausdrücklich die Möglichkeit, kulturelle Besonderheiten bei der Schaffung des gemeinsamen europäischen Hochschulraums geltend zu machen. Dies trifft auf den Diplom-Ingenieur exakt zu und steht auch nicht im Widerspruch zum zweistufigen, modular aufgebauten Universitätsstudium. Auch andere Universitäten bekennen sich noch zur angesehenen Tradition des Titels „Diplom-Ingenieur”. An der Universität Rostock kann er weiterhin als Studienabschluß neben dem Master erworben werden. Die Fakultät für Maschinenbau der TU Dresden hat ab dem Wintersemester 2012/13 einen Studiengang „Verfahrenstechnik und Naturstofftechnik” eingerichtet. Auch die DECHEMA setzt sich in ihrer Aachener Erklärung1 ebenfalls für die Beibehaltung der Berufsbezeichnung „Diplom-Ingenieur” ein.
Der akademische Abschlußgrad „Dipl.-Ing.” wurde erstmals im Jahre 1899 durch Erlaß von Kaiser Wilhelm II. den Technischen Hochschulen zuerkannt. Das Promotionsrecht zum „Dr.-Ing.” folgte kurz darauf 1901. An den Universitäten sind im WS 2012/13 499 087 Studierende der Ingenieurwissenschaften eingeschrieben, jährlich schließen ca. 12.000 Absolventen das Ingenieurstudium erfolgreich ab.
Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen in Europa
Die Qualifikationen von Hochschulabsolventen aus den einzelnen europäischen Ländern miteinander zu vergleichen ist schwer. Man befindet sich sehr schnell in der Gefahr, Vorurteile festzuschreiben. Die Berufsbezeichnungen, die Studien- bzw. Ausbildungsdauer, auch die Auflistung von Fächerkatalogen können nur die ersten Anhaltspunkte für eine Vergleichbarkeit sein. Unbedingt müssen die Eingangsvoraussetzungen mit berücksichtigt werden und die Anzahl der technischen Praktika in den Laboratorien, Werkstätten und Technika während des Studiums. Aber auch das reicht für eine Spezifizierung nicht aus. Es müssen die Lehrinhalte der einzelnen Studienfächer verglichen werden. Das geschieht leider viel zu wenig. Ebenso wichtig ist es, nach der Funktion und dem Aufgabengebiet nach einer drei- bis fünfjährigen Berufstätigkeit zu fragen.
Auf einen Punkt könnten die europäischen Länder sich allerdings verbindlich verständigen. Nämlich, daß jeder Absolvent über gute Kenntnisse in den mathematischen und physikalischen sowie chemischen und biologischen Grundlagen in seiner jeweiligen Fachrichtung verfügen muß, die in der ersten Hälfte eines Studiums zu vermitteln sind.
Schwierig und kritisch allerdings wird es, wenn es darum geht, fachlich gebundene Hoheitsrechte, Gutachtertätigkeit im Auftrage des Staates oder Niederlassungsrechte zu erteilen. Hier müßten von deutscher Seite in der Europäischen Union die Interessen der Ingenieure noch vehementer vertreten werden. Auch der Wirtschaft sollte das ein wichtiges Anliegen sein.
Seit 1899, also seit mehr als 120 Jahren, ist das deutsche Diplom als akademischer Grad und Berufsbezeichnung international zu großem Ansehen gelangt. Nicht wegen seines Titels, sondern wegen des hohen Niveaus der Studieninhalte und Lehrmethoden an den Universitäten und Technischen Hochschulen, die sich nach dem Humboldtschen Prinzip der Einheit von Lehre und Forschung ausrichten. Das belegen die vielen ausgewanderten Wissenschaftler und Ingenieure, die in den dreißiger Jahren während der Nazizeit Deutschland verlassen mußten. Auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges, 1945, wurden die Absolventen deutscher Hochschulen im Ausland gern aufgenommen. Ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten stellten sie unter Beweis.
Einige wenige Namen seien beispielhaft aufgeführt:
- Hans Albrecht Bethe (1906–2005), Physiker, USA,
- Carl Friedrich Braun (1875–1939), Physiker, USA,
- Wernher von Braun (1912–1977), Raketenkonstrukteur, USA,
- Erwin Chargaff (1905–2002), Chemiker, USA,
- Albert Einstein (1879–1955), Physiker, USA,
- Fritz Haber (1868–1934), Chemiker, Schweiz,
- Hans Adolf Krebs (1900–1981), Biochemiker, England,
- Ernst Mayr (1904–2005), Biologe, USA,
- Lise Meitner (1878–1980), Physikerin, Schweden und
- Erwin Schrödinger (1887–1961), Physiker, England.
Diese Liste läßt sich mit Hunderten weiterer berühmter Namen verlängern. Mit der Einführung der Bologna-Richtlinien [1] und den damit verbundenen Empfehlungen, die Bachelor- und Mastergrade als Studienabschlüsse einzuführen, wird ein wichtiger Teil der deutschen Kultur und bewährter Tradition weggebrochen. Das Ergebnis wird ein akademisches Pisa sein. Mit dem Verfall eines Bildungssystems ist mit Verzögerung auch der Niedergang des bisher stabilen Wirtschafts- und Sozialsystems verbunden. Das letzte Jahrzehnt belegt dieses insbesondere durch einen Fachkräftemangel im technischen Bereich.
Der Bachelor soll einem berufsqualifizierten Abschluß entsprechen. Welche Qualität wird ein Theologiebachelor besitzen? Wird er der spätere Kirchendiener sein? Wie steht es mit dem Jura-Bachelor? Nimmt er die Rolle eines Gerichtsdieners ein? Wird er Akten ordnen? Welche Aufgaben übernimmt ein Medizin-Bachelor? Für Krankenpflege ist er ungeeignet. Darf ein Pädagogik-Bachelor schon unterrichten oder wird er in der Schulverwaltung als Lehrmittelverwalter tätig sein? Doch die Studiengänge Jura, Medizin und alle mit Staatsexamenabschlüssen haben sich vom Bachelor- und Masterstudium schon verabschiedet. Doppelbödiger kann eine Studienreform nicht durchgeführt werden. Eine Anerkennung des deutschen Bachelor in den USA läßt noch immer auf sich warten.
Ein Zitat „Nicht nur mit Bachelor” aus der FAZ Nr. 222 vom 23. September 2005 beleuchtet mit wenigen Worten die Unausgegorenheit des Bachelor-Masterkonzeptes (siehe nebenstehendes Faksimile) [4].
Der Verfall der deutschen Berufsbildung
100 Jahre lang galt der deutsche Diplomabschluß einer Hochschule als ein Markenzeichen eines anspruchsvollen Studiums, welches sich international eines guten Rufes erfreute. Seit den Bologna- Empfehlungen soll das alles nicht mehr gelten? Einige Bundesländer und Hochschulen überboten sich in ihrer Beflissenheit, Bachelor- und Masterstudiengänge nicht nur einzuführen und die Diplomstudiengänge parallel dazu zu erhalten, sondern sie untersagten auch die Einrichtung von Diplomstudiengängen.
In ihrer Entfremdung folgten die Hochschulen ohne Zwang oder anderer Notwendigkeiten den deutschen Konzernen und Aktiengesellschaften, die zum großen Teil von ausländischem Kapital ganz übernommen oder mehrheitlich von diesen bestimmt werden und damit eine Entwurzelung der Belegschaften zu ihren Firmen eingeleitet haben. Ein Land, das im Bildungssektor seine eigene bewährte Tradition über Bord wirft und sich nach ausländischen Normen, die nicht einmal eindeutig vom Niveau und Inhalt her definiert sind, orientiert, gibt sich selbst auf. Bildung, Kultur und Wirtschaft sind drei Ebenen, die sich gegenseitig bedingen, befruchten und ergänzen.
Eine analoge Auflösungstendenz ist im Sektor der Dualen Berufsbildung auszumachen. Seit dem 01.01.2004 ist es in 53 von 93 in der Handwerksordnung aufgelisteten Vollhandwerksberufen nicht mehr erforderlich, eine Meisterprüfung vor den Handwerkskammern abzulegen, wenn der Handwerker beabsichtigt, einen eigenen Betrieb zu eröffnen [6]. Der Handwerksverband verweist darauf, daß in den zulassungsfreien Berufen mehr als 81 % der Neuzugänge ohne fachliche Qualifikation der Gründer erfolgten. Nur 12 % konnten einen Gesellen- und nur 6,6 % einen Meisterbrief vorzeigen [5; 6]. Dieses war das Ergebnis eines Beschlusses der rot-grünen Regierungskoalition in der Legislaturperiode 1998–2005. Der Qualitätsverlust wird sich erst nach einigen Jahren offenbaren.
Doch wenn beabsichtigt ist, dem Bachelor berufsqualifizierende Fähigkeiten zu bescheinigen, dann kann man den über Jahrhunderte bewährten Deutschen Meister getrost abschaffen! Der Bankrott einer praxisbezogenen auf manuellen Fertigkeiten beruhenden Berufsbildung wäre dann komplett! Die Folge ist dann eine politisch anpassungswillige manipulierbare Gesellschaft. Mit der Einführung des Bachelor und Master an Universitäten und Fachhochschulen ist die Berufsbezeichnung eines Deutschen Ingenieurs weg reformiert worden.
Zusammenfassung
Bildungsprozesse sind Langzeitvorgänge. Ihre Mängel werden erst nach einer Bildungsgeneration, die mit ca. 10 Jahren angesetzt werden kann, spürbar. Eine Analyse des gegenwärtigen Bildungs- und Ausbildungszustandes gibt Aufschluß darüber, wie unser Gesellschaftszustand in ca. 10 Jahren sein wird.
Eine Wende des deutschen Bildungssystems mit Niveauverbesserung ist sobald nicht zu erwarten. Dem stehen folgende politische und wirtschaftliche Trends entgegen. Ein großer Teil der deutschen Industrie ist inzwischen mehrheitlich fremdkapitalisiert. Diese sind einer soliden Berufsausbildung von Nachwuchskräften wenig aufgeschlossen. Fachkräfte heuert man auf dem Arbeitsmarkt an. Für die fremdkapitalisierten Unternehmen steht der gegenwärtige jährliche maximale Profit im Vordergrund, weniger eine langfristige stabile Volkswirtschaft Deutschlands, zu der nun einmal eine solide alle Jugendliche umfassende Berufsausbildung zählt.
Die Spezialisierung der Bachelor- und Masterstudiengänge an den Universitäten und ehemaligen Fachhochschulen, die sich inzwischen „Universities of Applied Sciences” nennen, hat zu einem allgemeinen Niveauabfall geführt. Von Ausnahmen abgesehen haben sich Universitäten und Fachhochschulen zu höheren Berufsfachschulen degradiert.
Deutschland ist nach den (4+2)-Beschlüssen im Juni 1991 zwischen den ehemaligen Besatzungsmächten Sowjetunion, USA, United Kingdom, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland West und der ehemaligen DDR, mit denen die Alliierten Kontrollratsrechte aufgehoben worden sind, noch kein Souveräner Staat. Einige westliche Alliierte Kontrollratsgesetze sind immer noch in Kraft. Darüber wird offiziell geschwiegen.
Den deutschen Führungsfunktionären in den Parteien und den Vorstandsmitgliedern der großen Aktiengesellschaften sowie in den der Wirtschaftsverbände fehlt der Mut, vorhandenen Handlungsfreiraum zugunsten deutscher Kulturtradition auszuschöpfen.
Der deutsche Bachelor und Master wird in den USA immer noch nicht anerkannt, obwohl das eines der Ziele der Bologna-Empfehlungen sein sollte.
Ein Blick in die deutschen Firmenschriften und wissenschaftlichen Zeitschriften zeugen vom weiteren Bildungsverfall und devoter Verbeugung vor der westlichen Industriewelt. Viele Artikel und auch Werbeschriften sind in einem deutsch-englischen Kauderwelsch geschrieben. Englische und deutsche Begriffe werden vermischt und neu kombiniert. Möchte man beide Sprachgruppen, z. B. deutsche und englische, ansprechen, dann sollten auch beide in ihren Sprachen mit jeweiliger Übersetzung für die andere angesprochen werden. Die Verlage, die Wirtschaft und die wissenschaftlichen Gesellschaften tragen ebenfalls eine hohe Verantwortung und Pflicht gegenüber einem niveauvollen intaktem Bildungssystem. Der Neuanfang zu einem hohen allgemeinen Bildungssystem beginnt mit einer gepflegten Sprachkultur. Wer seine eigene Heimatsprache nicht beherrscht, wird auch die Feinheiten einer Fremdsprache nicht nachvollziehen können.
Literaturhinweise:
[1] Bologna Richtlinien SUK (Schweizerische Universitätskonferenz) Nr. 104, Januar 2004.
[2] Herrmann, W. A. (2002), Der Deutsche Diplom- Ingenieur hat Weltstandards gesetzt, Technische Universität München, Presse und Information, 80290 München, 30.12.2004.
[3] Herrmann, W. A. (2005), Pfiffige junge Leute wählen Qualität, nicht Gebührenfreiheit, VDI Nachrichten, 11.02.2005.
[4] Edel, K. O. (2006), Ein deutscher Baccalaureus, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 46 vom 23.02.2006.
[5] Gründerfieber nach Abschaffung des Meisterzwangs, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.03.2005.
[6] Heyne, J. (1005), Ich sitze hier nicht für das Pfuschertum Europas, Frankfurter Allgemeine Presse vom 28.02.2005.
[7] Hopp, V. (2002), The biological principles – how can these be formulated? 4th International Conference on Quality Reliability and Maintenance, QRM 2002, University of Oxford, 21st-22nd March 2002, ISBN 1860 583695
Weitere ergänzende Literaturhinweise:
Philipp Eckardt: Der Bologna-Prozess. Entstehung, Strukturen und Ziele der europäischen Hochschulreformpolitik. Norderstedt 2005, ISBN 3-8334-4031-7
Werner Fiedler, Eike Hebecker: Promovieren in Europa. Strukturen, Status und Perspektiven im Bologna-Prozess. Budrich 2006, ISBN 3-8664-9026-7
Frauke Gützkow, Gunter Quaißer (Hrsg.): Jahrbuch Hochschule gestalten 2005. Denkanstöße zum Bologna-Prozess. Bielefeld 2005, ISBN 3-937026-41-x
Anke Hanft, lsabel Müskens (Hrsg.): Bologna und die Folgen für die Hochschule. Wiesbaden 2005, ISBN 3-9370-2633-9
Michael Leszczensky, Andrä Wolter (Hrsg.): Der Bologna-Prozess im Spiegel der HIS- Hochschulforschung. Hannover 2005, Kostenloser Download
Franziska Muche: Opening up to the Wider World. Bonn 2005
Das deutsche Bildungssystem – in Zahlen
Im Jahre 2012 gab es in Deutschland 11,253 Mio. Schüler. Von diesen befanden sich 8,557 Mio. auf allgemeinbildenden Schulen, wie z. B. Grundschulen, Realschulen, Gymnasien bzw. Oberschulen. 2,562 Mio. Schüler besuchten berufliche Schulen und 135 000 Schüler Schulen des Gesundheitswesen.
Zur selben Zeit, d. h. im WS 2012/13 gab es an den Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen 2,498 Mio. Studierende, davon waren 493.469 Studienanfänger im 1. Semester.
Dagegen gab es 2012 nur 1,43 Mio. Berufsauszubildende. 549.000 Ausbildungsverträge wurden neu abgeschlossen.
Nahezu jeder vierte Auszubildende brach in Deutschland seine Lehre vorzeitig ab. 2011 waren es 24,4 Prozent. Das geht aus einer Auswertung des BiBB, Bundesinstitut für Berufsbildung der Bundesregierung, hervor.
Im Jahre 2011 erhielten 319.200 Schülerinnen und Schüler ein Stipendium nach Bafög und 643.578 Studierende.
Alle diese Zahlen deuten die Schieflage des deutschen Bildungssystems an. Der Weg in ein akademisches Proletariat bestimmter Fachrichtungen ist vorgezeichnet, ebenso wie der Fachkräftemangel in den Handwerksberufen und an technischen Facharbeitern und Meistern in der Industrie.
Es gibt akademische Fachbereiche dort beenden nur 50 % der Studienanfänger ihr Studium mit Erfolg, wie z. B. in natur- und ingenieurwissenschaftlich, mathematisch und philosophisch geprägten Fachbereichen. In anderen Fakultäten liegt die Mißerfolgsquote bei ca. 25 %.
Fußnote(n)
- Lit.: Chem. Ing. Techn. 2011, 83 (1–2).9.[↩]