Anmerkung der Redaktion: LaRouches ursprüngliches Papier Über die Grundsätze der Erstellung von Machbarkeitsstudien für große Infrastrukturprogramme, das dem vorliegenden Artikel zugrundeliegt, entstand am 10. August 1986 als Dokument zur privaten Verbreitung und erscheint jetzt zum ersten Mal leicht gekürzt in deutscher Übersetzung.
Die heute weithin akzeptierten Bilanzierungsmethoden zur Berechnung der Rentabilität von Großprojekten der wirtschaftlichen Basisinfrastruktur sind grundsätzlich irreführend. Auf den ersten Blick sind die verwendeten Methoden aufgrund von zwei fatalen Annahmen fehlerhaft: 1. Die grundfalsche Annahme, daß nationale Infrastrukturprojekte in allen wesentlichen Aspekten durch internationale Finanzkonsortien finanziert werden müssen, und zwar auf der Grundlage der vorherrschenden Handelsbedingungen und Kreditvergabepraktiken. 2. Die grundfalsche Annahme, daß die Rentabilität solcher Projekte auf den erwarteten Einnahmen aus dem Projekt selbst beruhen muß. Jede buchhalterische Projektion, die explizit oder auch nur implizit auf solchen falschen Annahmen beruht, ergibt ein völlig falsches Bild der Investition.
Die offensichtlichsten Fehler, die mit solchen falschen Annahmen einhergehen, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Bei jedem gut durchdachten Infrastrukturprogramm stellen ausländische Lieferanten bestenfalls eine bedeutende Minderheit der insgesamt eingesetzten Materialien, Lieferungen, Ausrüstungen und Ingenieurleistungen dar. Der überwiegende Teil der Baukosten entfällt auf inländische Arbeitskräfte und Materialien. Es werden inländische Ressourcen mobilisiert, deren Potential sonst ungenutzt bliebe. Der inländische Beitrag sollte niemals durch ausländische Konsortien finanziert werden. Die ausländische Beteiligung an großen Infrastrukturprogrammen sollte in Form eines bewußten „Technologietransfers“ erfolgen. Ein Element dieses „Technologietransfers“ ist, daß das Land zunehmend die Verantwortung für den Bau übernehmen muß. Ausländische Finanzierungen müssen während der Betriebsdauer des fertiggestellten Bauwerks schrittweise abgebaut werden; ausländische Beteiligungen sollten auf Minderheitsbeteiligungen oder Anleihen mit fester Laufzeit reduziert werden.
Die Prognose der „Rentabilität“ eines Infrastrukturprojekts ist vergleichbar mit der Rentabilitätsprognose für das Fundament eines noch nicht fertiggestellten Gebäudes. Der Beitrag des Fundaments zur Rentabilität besteht ausschließlich in der Rentabilität des fertiggestellten und genutzten Gebäudes. Ist das genutzte Gebäude insgesamt rentabel, so ist auch der Bau des Fundaments rentabel. Wenn dies nicht der Fall ist, ist der Versuch, die Rentabilität des Fundaments zu schätzen, nicht nur sinnlos, sondern auch falsch. Dieses Memorandum untersucht, wie der berechenbare Beitrag von Infrastruktur zur Ökonomie wirtschaftswissenschaftlich analysiert wird, und definiert die Buchhaltungsmethoden, die in kompetenten Machbarkeitsstudien angewendet werden sollten.
1. Wie „Wirtschaftswissenschaft“ definiert wird
Um die relevanten Grundfehler der modernen Buchhaltungspraxis in dem Maße zu verstehen, wie es das Thema dieses Memorandums erfordert, ist es unerläßlich, eine strenge Definition der korrekten Bedeutung von „Wirtschaftswissenschaft“ zu geben. Die Fehler in der heutigen professionellen Rechnungslegung und Wirtschaftswissenschaft sind in erster Linie darauf zurückzuführen, daß es während der letzten hundert Jahre an den führenden Universitäten Europas und Nordamerikas keinen regulären Studiengang in Wirtschaftswissenschaften mehr gegeben hat, obgleich die Wirtschaftswissenschaft eigentlich in Westeuropa und in den Vereinigten Staaten von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde.
Die daraus resultierende Unkenntnis der Fachleute selbst vom „ABC“ der Wirtschaftswissenschaften führt dazu, daß die heute übliche Praxis voller schwerwiegender Fehler ist, die auf der schlichten Unkenntnis elementarer Grundsätze beruhen. Die beiden erwähnten Fehler in den Machbarkeitsstudien für Infrastrukturprogramme sind typisch für diese stümperhafte Inkompetenz, die heute unter Fachleuten weit verbreitet ist.
Die Wirtschaftswissenschaft beginnt mit der elementarsten Tatsache der geschichtlichen Existenz des Menschen. Der „primitive Mensch“, der von dem lebte, was die Ethnologen „Jagen und Sammeln“ nennen, benötigte im Durchschnitt etwa zehn Quadratkilometer der Erdoberfläche, um sich zu ernähren. Die Existenzbedingungen waren äußerst prekär, und die Menschheit lebte in einem erbärmlichen Zustand, mit einer Lebenserwartung von deutlich unter zwanzig Jahren.
Heute leben schätzungsweise fünf Milliarden Menschen auf der Erde; bei voller Nutzung der vorhandenen Technologien könnte unser Planet zwei- bis dreimal so viele Menschen ernähren, und zwar auf einem Lebensstandard, der mit dem der entwickelten Länder Westeuropas und Nordamerikas Anfang der 1970er Jahre vergleichbar wäre. Diese Vertausendfachung der potentiellen Bevölkerungsdichte der Menschheit ist ausschließlich das Ergebnis einer Kombination voneinander abhängiger kultureller Fortschritte, deren auffälligstes Merkmal das ist, was wir als „energie- und kapitalintensiven technologischen Fortschritt“ bezeichnen. Die Wirtschaftswissenschaft ist ein Zweig der modernen Naturwissenschaft, mit der sich bestimmen läßt, mit welcher Politik die Nationen die potentielle Bevölkerungsdichte der Menschheit erhalten und erhöhen können.
Grundlage der Wirtschaftswissenschaft ist ein Zweig der Naturwissenschaften, den die Ökonomen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts als „physische Ökonomie“ oder im Französischen als „polytechnique“ bezeichneten. In der Wirtschaftswissenschaft werden Fragen der Kredit-, Schulden-, Steuer- und Bankenpolitik als Nebenaspekte der „physischen Ökonomie“ behandelt. Die Verbindung der physischen Ökonomie mit Fragen der Kredit-, Schulden-, Steuer- und Bankenpolitik wird als „politische Ökonomie“ bezeichnet.
Die europäische Wirtschaftswissenschaft entstand aus der Zusammenarbeit zwischen dem großen Cosimo de Medici von Florenz und seinem Berater Georgios Gemistos (Plethon) in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Leonardo da Vinci war es vor allem, der die Grundlagen der Technik entwickelte. Ausgehend von den Arbeiten da Vincis wurde das Studium der politischen Ökonomie bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts unter dem Begriff „Kameralistik“ weitergeführt, womit man die Kunst und Wissenschaft der Staatsführung bezeichnet.
Die Umwandlung der Kameralistik in eine Wirtschaftswissenschaft wurde von Gottfried Wilhelm Leibniz in seinen Arbeiten zwischen 1672 und 1716 vollzogen. Leibniz konzipierte die „industrielle Revolution“ (die Entwicklung von Wärmekraftmaschinen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität) und gab dem Begriff „Technologie“ erstmals eine physikalisch-naturwissenschaftliche Bedeutung.
Leibniz war nicht nur der führende Wissenschaftler des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts. In den letzten Jahrzehnten seines Lebens war er die zentrale Figur eines internationalen konspirativen Netzwerks mit Zentren in Deutschland, Frankreich und Italien und Ablegern bis zu den Gegnern Marlboroughs (Churchills) in Großbritannien und den englischen Kolonien in Nordamerika. Durch diese politischen Verbindungen zu Verbündeten wie den Amerikanern Cotton Mather und Benjamin Franklin wurde Leibniz‘ Wirtschaftswissenschaft zu einem zentralen Bestandteil dessen, was Finanzminister Alexander Hamilton als erster „das Amerikanische System der politischen Ökonomie“ nannte. Nach dem zweiten Sieg der USA über Großbritannien im Krieg von 1812–1815 flossen die Arbeiten französischer Ökonomen wie [Jean] Chaptal [1756–1832], [François Louis Auguste] Ferrier [1777–1861] und [Charles] Dupin [1784–1873] in die Arbeiten der führenden amerikanischen Ökonomen um Mathew Carey ein.
Die entscheidenden Personen bei der Verschmelzung dieser beiden Zweige der Leibnizschen Wirtschaftswissenschaft waren Gilbert Marquis de Lafayette und der von ihm geförderte deutsche Ökonom Friedrich List. Im 19. Jahrhundert war die Wirtschaftswissenschaft international vor allem unter dem Namen „Das Amerikanische System von Hamilton, Carey und List“ bekannt.
Eine Gruppierung, die sich in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Venedig gegen die Amerikanische Revolution stellte, entwickelte eine Gegenlehre der politischen Ökonomie, die vor allem aus den Kreisen der adeligen Rentier-Finanziers von Venedig und den Schweizer Bankinteressen kam, die sich in Genf und Lausanne konzentrierten. Schweizer Bankkreise führten die physiokratische Lehre in Frankreich ein. Dieselben Schweizer Kreise verbreiteten die gegen Leibniz gerichteten Dogmen auch unter den führenden Mitgliedern der britischen Ostindienkompanie wie David Hume und Adam Smith. Daraus entstand die sogenannte „Britische Politische Ökonomie“, die ihren Ursprung in dem Schulungszentrum der Britischen Ostindienkompanie in Haileybury hatte. Adam Smith, Jeremy Bentham, Thomas Malthus, David Ricardo, James Mill, John Stuart Mill, [William Stanley] Jevons und [Alfred] Marshall sind beispielhafte Produkte der Haileybury-Fraktion der Britischen Ostindienkompanie in der politischen Ökonomie.
Mit den Ereignissen der 1870er Jahre, in deren Mittelpunkt der Berliner Vertrag von 1878 stand, erlangte ein Konsortium von Rentier-Finanzinteressen, in dessen Zentrum das venezianische, das schweizerische und das britische Finanzkartell standen, die Weltherrschaft in internationalen Währungsfragen. Der britische Goldstandard vor 1919, die Währungsordnung von Versailles und das Währungssystem von Bretton Woods sind eine Fortsetzung dieser Vorherrschaft von Rentier-Finanzierkartellen im Umkreis des venezianisch-triestrischen und schweizerischen Rückversicherungskartells.
In den letzten hundert Jahren haben diese Rentier-Finanziers nicht nur das Weltfinanzwesen und den Welthandel beherrscht, sondern auch die ideologische Kontrolle über die führenden Elemente der politischen Parteien, Universitäten usw. erlangt. Ein Ergebnis dieses anhaltenden Einflusses ist die Verdrängung aller wichtigen Merkmale der Wirtschaftswissenschaft aus den Berufen des Rechnungswesens und der Ökonomie.
Nahezu die gesamte professionelle Wirtschafts- und Buchhaltungspraxis beruht auf bestimmten axiomatischen Annahmen. In der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre sind diese Annahmen explizit. In der Praxis der Rechnungslegung werden dieselben Annahmen weniger offen diskutiert, sind aber implizit und wirksam. Diese Annahmen basieren auf der axiomatischen Annahme, daß die Vorherrschaft des internationalen Finanz- und Handelssystems durch das Kartell des „anti-amerikanischen Systems“ von Venedig und der Schweiz, das sich auf die Interessen der Rentiers und Finanziers konzentriert, fortbesteht.
Diese axiomatischen Annahmen spiegeln den Umstand wider, daß die nationalen Bankensysteme der Nationen den Interessen der privaten Rentier-Finanziers untergeordnet sind und durch internationale Währungs- und Bankenabkommen reguliert werden. Die internen Mechanismen von Kredit, Verschuldung, Geldemission, Steuern und Banken der einzelnen Nationen werden Regeln unterworfen, die mit den besonderen Interessen der internationalen Rentier-Finanziers übereinstimmen.
Daraus folgt auch, daß eine Wiederbelebung sogenannter „merkantilistischer“ Formen nationaler Geld- und Bankpolitik nicht geduldet wird. Eine Wirtschaft kann nicht so funktionieren, wie es die Wirtschaftswissenschaft fordert, wenn die Kredit-, Schulden-, Steuer- und Bankenpolitik der Nation nicht dem Erfordernis untergeordnet wird, die „merkantilistischen“ Ziele des technischen Fortschritts zu fördern.
Solange renditeorientierte und geldorientierte Institutionen die Austauschprozesse innerhalb und zwischen den Nationen beherrschen, ist eine gesunde Wirtschaftspolitik in der Praxis mehr oder weniger verboten. Für den professionellen Ökonomen oder Buchhalter ist eine solide Wirtschaftspolitik daher ein großes Ärgernis, um das man einen großen Bogen machen sollte.
Dieses Arrangement ist äußerst unpraktisch. Für jeden Patrioten in den sogenannten „Entwicklungsländern“ sind die Regeln, die durch den Berliner Vertrag von 1878 international in Kraft gesetzt wurden, unerträglich. Sie werden oft als „Kolonialismus“ oder „Neokolonialismus“ bezeichnet oder einfach als eine mehr oder weniger mörderische Politik der Ausplünderung der Schwächeren durch die Stärkeren. Auch für die stärkeren Nationen sind sie eine Katastrophe, auch wenn dies nur periodisch deutlich wird, wenn neue Währungskrisen wie die von 1931–1932 oder die gegenwärtige diese Konsequenz auf die unangenehmste Weise demonstrieren.
Die Untersuchung der internationalen Währungspolitik seit 1946 aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ermöglicht es, sowohl die verheerenden Auswirkungen von Bretton Woods auf die sich entwickelnden Volkswirtschaften als auch den endgültigen Ausbruch eines erneuten Zusammenbruchs der internationalen Währungsordnung selbst vorherzusagen. Aus Sicht des typischen professionellen Ökonomen oder Buchhalters von heute ist die Wahrheit nicht so leicht vorherzusagen. Solche Fachleute „sehen“ das unvermeidliche Scheitern einer solchen Währungsordnung erst dann, wenn der Zusammenbruch bereits eingetreten ist. Da sich der Zusammenbruch einer solchen Geldordnung über eine oder zwei Generationen hinzieht, haben solche Experten etwa zwei Generationen Zeit, um ihr absolutes Vertrauen in die ewigen Wahrheiten ihrer Rentier-Dogmen zu kultivieren; der Moment, in dem sie selbst arbeitslos werden, wäre der Zeitpunkt, wo sie anfangen könnten, einen kleinen Fehler in dem Monetarismus zu vermuten, den sie so lange bewundert haben.
Es gibt also zwei Fragen, die den Fachmann davon abhalten sollten, sofort seinen Bleistift zu zücken, um die Machbarkeit eines vorgeschlagenen Infrastrukturprogramms zu beurteilen. Er sollte zuerst die finanziellen Ergebnisse für die nächsten zehn Jahre prognostizieren: Wird das Finanzsystem, das seinen Berechnungen zugrunde liegt, tatsächlich noch zehn Jahre Bestand haben? Er sollte die Auswirkungen des Projekts auf das betroffene Land prognostizieren: Wird es dieses Land in seiner jetzigen Form noch in zehn Jahre geben? Aber der Experte schiebt solche beunruhigenden Fragen beiseite: „Ich gehe davon aus, daß die bestehende Ordnung auf mehr oder weniger unbestimmte Zeit bestehen bleibt“, sagt er zu sich selbst und setzt den Bleistift an, um ihn über das Papier gleiten zu lassen. Seine Kreise ziehen es vor, die Tatsache zu ignorieren, daß das gegenwärtige internationale Währungssystem wahrscheinlich früher als später in den nächsten zwölf Monaten zusammenbrechen wird, in einer Krise, die der von 1931–1932 ähnelt, aber viel schlimmer ist.
Solche Experten handeln wie ein Architekt, der am Vorabend eines großen Erdbebens ein Gebäude baut und bei der Planung davon ausgeht, daß es kein Erdbeben geben wird. Das finanzielle „Erdbeben“ steht unmittelbar bevor, mit einer Stärke zwischen 8 und 10 auf der Richterskala. Professionelle Machbarkeitsstudien, die auf den heute allgemein akzeptierten fachlichen Annahmen beruhen, sind die Mühe nicht wert.
Die Tatsache, daß das gegenwärtige internationale Finanzsystem dazu verdammt ist, in naher Zukunft zu verschwinden, sollte der wichtigste Umstand sein, der in jeder Machbarkeitsstudie berücksichtigt werden muß. Projekte müssen im Hinblick auf die Bedingungen bewertet werden, die ein solcher Zusammenbruch des bestehenden Finanzsystems mit sich bringen würde. Die Durchführbarkeit eines Projekts ist sein Wert unter den Bedingungen, wenn die bestehende Finanzordnung zusammenbricht. Was sind diese Bedingungen? Alle möglichen Ergebnisse sind denkbar. Wir sollten uns jedoch auf die Bedingungen beschränken, die vernünftige Regierungen schaffen werden, um ihre Nationen vor den Auswirkungen eines allgemeinen Währungszusammenbruchs zu schützen. Wir müssen diese vernünftigen Alternativen definieren und das Projekt danach beurteilen, wie es zum Erfolg dieser Alternativen beitragen kann. Wird das Projekt unter diesen Bedingungen einen wesentlichen Nutzen für die Nation bringen? Welchen wichtigen Beitrag wird es unter diesen Bedingungen leisten? Keine andere Art der Machbarkeitsbewertung wäre vernünftig.
In den letzten vierzig Jahren und darüber hinaus hätte die Wirtschaftspolitik der Regierungen immer von den wirtschaftswissenschaftlichen Prinzipien bestimmt werden sollen, die mit den Arbeiten von Leibniz und dem Amerikanischen System verbunden sind. In der Vergangenheit haben die Nationen einen hohen Preis für die Vernachlässigung dieser Prinzipien in Form einer schlechteren Wirtschaftsleistung bezahlt, aber die meisten dieser Nationen haben überlebt, obwohl sie sich nicht an diese Prinzipien gehalten haben. Jetzt, am Rande einer Krise, die schlimmer ist als die von 1931–1932, müssen die Nationen zwischen einem absoluten Desaster und der Orientierung an den Prinzipien des Amerikanischen Systems wählen. Der wesentliche Unterschied zwischen den vergangenen vierzig Jahren und heute besteht darin, daß die Weltwirtschaft von der Realität der politischen Fehler der Vergangenheit eingeholt wurde. Heute sind die einzigen Wirtschaftsprogramme, die es wert sind, in Betracht gezogen zu werden, Programme, deren mittelfristige Funktion in erster Linie darin besteht, die zerrüttete Weltwirtschaft wieder aufzubauen. Jede Machbarkeitsstudie, die nicht von diesem Gesichtspunkt ausgeht, ist völlig nutzlos oder noch schlimmer.
Bedingungen der Machbarkeit
Die internationale Verschuldung beträgt heute mehr als 10 Billionen US-Dollar. Davon entfallen mindestens 3 Billionen US-Dollar auf „außerbilanzielle Kredite“; seit 1982 haben sich etwa 1,2 Billionen US-Dollar dieser außerbilanziellen Kredite im amerikanischen Bankensystem angesammelt. Die nominalen Vermögenswerte des Bankensystems werden durch den Zusammenbruch der Produktion, der Landwirtschaft und der Immobilienwerte aufgezehrt. Die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer ist schon seit 1982 notleidend, aber die Maßnahmen des IWF haben die Situation so verschärft, daß die fragwürdigen Methoden zur Refinanzierung der ausstehenden Salden nicht mehr fortgesetzt werden können. Aus diesen und ähnlichen Gründen ist das internationale Finanzsystem als Ganzes bankrott, und die privaten Finanzinstitute sind nicht mehr in der Lage, den sich abzeichnenden Währungskollaps zu bewältigen. Die Banken werden keine andere Wahl haben, als ihr Schicksal, ihre Politik, in die Hände der Regierungen zu legen. Die Zeit, in der private Finanzinteressen die Angelegenheiten der Nationen regeln konnten, ist auf mittlere Sicht nach dem Zusammenbruch, vielleicht auch noch länger danach, zu Ende.
Die einzigen erfolgreichen Optionen, die den Regierungen zur Verfügung stehen, sind die des Amerikanischen Systems („Merkantilismus“). Die implizite Befugnis der Regierungen, große Kreditmengen durch die Ausgabe nationaler Schatzanweisungen als Zahlungsmittel zu schaffen, ist der Kern aller denkbaren Optionen. Die einzige vernünftige Wahl der Mechanismen, durch die solche Zahlungsmittel ausgegeben werden können, ist das staatliche („Hamiltonische“) Nationalbankensystem: die Beleihung von Emissionen zu nominalen Kreditgebühren für ausgewählte Kategorien staatlicher und privater Investitionen und für die Zwecke internationaler Exportkredite für „harte Rohstoffe“ an inländische Produzenten. Die Regierungen und ihre Nationalbanken sind verpflichtet, durch Devisenkontrollen, Kapitalausfuhr- und -einfuhrkontrollen sowie Zölle stabile Werte für ihre Währungen durchzusetzen, um die Preise sowohl im Inland als auch im Welthandel auf einem „Paritätsniveau“ zu stabilisieren.
Diese und ähnliche Maßnahmen werden die Geldpolitik und verwandte Politiken den Erfordernissen der physischen Wirtschaft unterwerfen. Unter diesen Umständen werden alle wichtigen Werte der Wirtschaftstätigkeit vom Standpunkt der physischen Ökonomie aus bestimmt und nicht von der Art der monetären Gleichungen, die in den letzten Jahrzehnten vorherrschten. Die Wiederaufbaupolitik der Regierungen wird sich zunächst auf die Mobilisierung ungenutzter Arbeitskräfte und Kapazitäten für vorrangige Formen des Beschäftigungswachstums konzentrieren. Unter diesen Umständen müssen die derzeit üblichen Methoden zur Berechnung des Nationaleinkommens (also BSP/BIP-Methoden) aufgegeben werden. Statistische Leistungsmessungen beruhen in erster Linie auf der physischen Produktion von Gütern pro Kopf der Bevölkerung und der Arbeitskräfte insgesamt. Diese statistischen Messungen müssen bei allen Durchführbarkeitsstudien von Infrastrukturprogrammen und anderen Investitionskategorien verwendet werden.
Statistische Standards
Unter diesen Umständen werden alle statistischen Daten nach zwei einfachen Maßstäben erstellt: 1. Pro-Kopf-Warenkörbe für Produktion und Verbrauch, Güter der Haushalte und Produzenten, hauptsächlich Sachgüter, plus eine begrenzte kurze Liste spezieller Dienstleistungskategorien. 2. Demografische Daten über Beschäftigung, Produktion und Konsum. Die statistische Erfassung definiert demografisch den Familienhaushalt und nicht die Einzelperson als primäre Bezugseinheit. Einzelpersonen werden den Haushalten auf Grundlage der internen Demografie verschiedener Haushaltskohorten zugeordnet. Die gesamte Erwerbsbevölkerung wird anhand der Haushaltsmitglieder definiert, die sich als solche qualifizieren, also anhand der Altersgruppe, des körperlichen Zustands, des Bildungsniveaus und wesentlicher Funktionen, die in dem Haushalt ausgeübt werden. Die Beschäftigung der Erwerbsbevölkerung wird unterteilt in „produktive“ bzw. „Gemeinkosten“-Arbeit, wobei Arbeitslosigkeit als Teil der Gemeinkosten behandelt wird. Zu diesem Zweck wird die gesamte Volkswirtschaft als ein einheitliches agroindustrielles Unternehmen betrachtet, und die Unterscheidung zwischen produktiver Beschäftigung und Beschäftigung zu Gemeinkosten wird auf diese Weise vorgenommen.
Die wichtigsten Unterteilungen der Beschäftigung sind in:
1. Ländliche Arbeitskräfte
2. Städtische Arbeitskräfte
a) Güterproduktion für die Erzeuger
b) Wirtschaftliche Basisinfrastruktur
c) Güterproduktion für die privaten Haushalte
Die wichtigsten Untersektoren bei der Gemeinkosten-Beschäftigung sind:
1. Verwaltungs- und Produktionsdienstleistungen
a) Überwachung der Produktion
b) Wissenschaft, Technik und verwandte Bereiche
c) Bildung von Medizin und Gesundheitswesen
2. Institutionelle Aufwendungen (Ausgaben, die als notwendige Funktionen von Unternehmen oder staatlichen Einrichtungen anfallen, einschließlich der Vertriebskosten von Unternehmen)
3. Vergeudung
Die Produktion wird anhand von Mengenäquivalenten der Pro-Kopf-Warenkörbe für Güter aus Haushalten oder Produzenten gemessen. Der Verbrauch wird anhand des jeweiligen Pro-Kopf-Verbrauchs der Haushalte bzw. der Produzenten ermittelt.
Diese Messungen werden zunächst mit Daten der Landnutzung korreliert. Die wichtigsten Kategorien sind zum Beispiel:
1. Öd- und Reserveflächen
2. Landwirtschaftliche Nutzflächen
3. Allgemeine Verkehrsflächen (mit Ausnahme innerstädtischer Flächen, die auf diese Weise genutzt werden)
4. Stadtflächen
a) Verarbeitendes Gewerbe
b) Wohnen
c) Gewerbe
d) Stadtverkehr
e) Sonstige
Die Messungen der Warenkorb-, Bevölkerungs-, Arbeitskräfte- und Landnutzungsdaten werden mit den Energiedaten korreliert. Der Energieverbrauch wird in erster Näherung in Form von Kilowatt-Äquivalenten pro Kopf und auch pro Hektar (oder Quadratkilometer) Landnutzung gemessen. Diese beiden Messungen werden dann mit dem Energieverbrauch pro Kopf der Bevölkerungsdichte kombiniert.
Zu den wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen, die bei solchen Statistiken angestellt werden, gehören vor allem die folgenden.
Die allgemeine wirtschaftliche Funktion, die statistisch untersucht werden soll, ist die funktionale Korrelation zwischen der Zunahme der potentiellen Bevölkerungsdichte und dem technischen Fortschritt in einer energie- und kapitalintensiven Wirtschaft, in der der Produktionsgewinn wieder reinvestiert wird, und der sich ändernden Zusammensetzung der Beschäftigung. Dies erfordert, daß die Korrelation zwischen einer bestimmten relativen Höhe der technologischen Entwicklung und des Energiedurchsatzes, gemessen pro Einheit der Bevölkerungsdichte, bestimmt werden muß.
Für eine solche Funktion gibt es sechs wichtige, voneinander abhängige Bedingungen:
1. Die Qualität und Quantität des Inhalts der Warenkörbe pro Kopf, sowohl für die Güter der Haushalte als auch für die Güter der Produzenten, müssen mit einem bestimmten Technologieniveau korrelieren und mit dem technischen Fortschritt zunehmen. (Der unterschiedliche Bildungsbedarf der Gesellschaft auf verschiedenen technologischen Niveaus veranschaulicht diesen Punkt.)
2. Mit dem technischen Fortschritt muß das Verhältnis zwischen den Arbeitskräften auf dem Land und in der Stadt abnehmen, unter der Bedingung, daß die landwirtschaftliche Produktion pro Kopf der Gesamtbevölkerung zunimmt. Dies ist Kapitalintensität in erster Näherung.
3. Das Verhältnis zwischen den Beschäftigten in der Produktion von Industriegütern und den Beschäftigten in der Produktion von Haushaltsgütern muß steigen, unter der Bedingung, daß der Warenkorb der Haushalte pro Kopf zunimmt. Dies ist Kapitalintensität in zweiter Näherung.
4. Der Durchsatz an nutzbarer Energie pro Kopf muß steigen. Dies ist Energieintensität in erster Näherung.
5. Die durchschnittliche Energiedichte im Querschnitt der Energievorräte muß zunehmen. Das ist Energieintensität in zweiter Näherung.
6. Die Technologie muß sich weiterentwickeln, wie es Leibniz im Sinne seines Prinzips der geringsten Wirkung definiert hat.
Die wirtschaftliche Ertragskraft läßt sich auf folgende allgemeine Weise messen: Die Kosten des Warenkorbs, die mit der Beschäftigung von Arbeitskräften für Infrastruktur, Landwirtschaft und Produktion verbunden sind, sind die Produktionskosten. Die Gesamtproduktion abzüglich dieser Kosten ist der Bruttobetriebsgewinn der Volkswirtschaft. Die Gemeinkosten, die in ähnlicher Weise gemessen werden, werden addiert, und dieser Betrag wird vom Bruttobetriebsgewinn abgezogen. Der verbleibende Betrag ist der Nettobetriebsgewinn der Wirtschaft.
Der Wert einer Investition besteht also darin, wie sich diese Investition auf die gesamtwirtschaftliche Ertragskraft auswirkt. Man vergleiche dann die Folgen einer nicht getätigten Investition mit den Folgen einer getätigten Investition in diesem Sinne. Die Kosten der Nichtbeschäftigung von Arbeitskräften und ungenutzten Kapazitäten werden in diese Berechnungen einbezogen. In gleicher Weise läßt sich untersuchen, welchen Vorteil es hat, Arbeitsplätze aus den Gemeinkostenkategorien in den Bereich produktiver Beschäftigung zu verlagern. Die Senkung der Verwaltungs- und Vertriebskosten sowie der arbeitsintensiven un- und angelernten Dienstleistungen ist eine der wichtigsten Ressourcen für produktive Arbeit: Sie reduziert die parasitäre Komponente der Gemeinkosten und vergrößert gleichzeitig den produktiven Sektor.
Diesbezügliche Vergleiche zwischen verschiedenen Volkswirtschaften sind mit den heute verfügbaren Statistiken durchaus möglich. Auch wenn die verfügbaren Statistiken sehr ungenau sind, reichen die Daten aus, um sehr nützliche Verallgemeinerungen zu treffen. Es ist wichtig, unterschiedliche Volkswirtschaften im Hinblick auf die sechs oben angeführten Bedingungen zu vergleichen. Trotz der Unzulänglichkeiten der verfügbaren Daten ergeben sich daraus einige sehr wichtige Hinweise für die politischen Entscheidungsträger. Im Laufe der Zeit wird die Verwendung solcher Daten zu einer deutlichen Verbesserung der Datenerhebung führen.
2. Die Funktion der Infrastruktur
Zur „wirtschaftlichen Basisinfrastruktur“ gehören zwei unterschiedliche Bereiche: Infrastruktur, deren eigentlicher Beitrag in ihrer Natur als physisches Produkt liegt, sowie Dienstleistungen, die direkt die Fähigkeit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung insgesamt fördern, technologischen Fortschritt zu erzeugen und umzusetzen. Die physische Infrastruktur umfaßt insbesondere:
- Verkehr allgemein
- Wasserwirtschaft
- Allgemeine öffentliche Sanitärfunktionen
- Erzeugung und Verteilung von Primärenergie
- Allgemeine Kommunikation
- Städtische physische Infrastruktur.
Dienstleistungen, die für die Förderung und den Schutz des technologischen Potentials der Arbeitskräfte und der Bevölkerung unerläßlich sind:
- Naturwissenschaftliche Grundlagenforschung
- Ingenieurdienstleistungen für die physische Infrastruktur und die allgemeine Produktion
- Öffentliche Bildung und klassische Kultur
- Medizinische Versorgung und öffentliches Gesundheitswesen.
Bestimmte andere Kategorien von Dienstleistungen sind Teil der nationalen Infrastruktur, haben aber nur indirekten Einfluß auf die Produktivität der Arbeit. Dafür stehen Aufwendungen für das Militär und die Strafverfolgungsbehörden, die für den Schutz einer gesunden Wirtschaft notwendig sind. Jene Bereiche der sozialen Infrastruktur, die sich auf den technologischen Fortschritt und die Arbeitsproduktivität auswirken, werden den „wirtschaftlichen“ Funktionen der gesellschaftlichen Gemeinkosten zugeordnet. Das Militär und die Strafverfolgungsbehörden gehören zu den „institutionellen“ Funktionen der gesellschaftlichen Gemeinkosten.
Die Bedeutung der wirtschaftlichen Basisinfrastruktur wird an zwei Vergleichen deutlich. Zuerst vergleichen wir die wichtigsten Statistiken für Japan, die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten. Zweitens vergleichen wir die gleichen Daten für verschiedene Entwicklungsländer. Der Vergleich erfolgt am besten anhand der sechs von uns oben identifizierten Bedingungen. Die aussagekräftigsten Hinweise erhält man bereits, wenn man nur die Energiedichte mit der Bevölkerungsdichte vergleicht. Sehr verallgemeinernd kann man sagen, daß das technologische Niveau Japans, der Bundesrepublik Deutschland und der USA in etwa vergleichbar ist, wenn man die Durchschnittswerte für den Zeitraum der 1970er Jahre betrachtet. Diese ziemlich genaue, wenn auch grobe Schätzung erlaubt es uns, darzustellen, wie die Funktionen der Energiedichte und der Bevölkerungsdichte miteinander korrelieren. Zunächst stellen wir fest, daß die Energiedichte pro Kopf als Funktion zunehmender Bevölkerungsdichte abnimmt. Wir sehen auch, daß die Energiedichte pro Hektar als Funktion zunehmender Bevölkerungsdichte ansteigt. Wir sehen auch, daß die Energiedichte pro Pro-Kopf-Einheit der Bevölkerungsdichte in allen drei Ländern ungefähr gleich ist. In Bezug auf die Produktion stellen wir fest, daß die Erträge pro Kopf und pro Hektar bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung sowohl von der Bevölkerungsdichte als auch von der Energiedichte und der Kapitalintensität abhängen.
Die gleiche Art von Korrelationen finden wir bei der industriellen Landnutzung. Die Produktivität und das Technologieniveau bestimmter Industriebetriebe sind Funktionen der Energiedichte und der Kapitalintensität. Dies bedeutet, daß wettbewerbsfähige Industrien in den drei betrachteten OECD-Volkswirtschaften nahezu identische Funktionen für die Energiedichte aufweisen. Betrachtet man die landwirtschaftliche und industrielle Produktion auf diese Weise, kann man die Hauptursache für die unterschiedliche Energiedichte pro Kopf und pro Hektar in den drei betrachteten Beispielen besser begutachten: die grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur. Je höher die Bevölkerungsdichte, desto geringer ist die Energiedichte pro Kopf, die für ein vergleichbares Technologie- und Produktivitätsniveau erforderlich ist. Um jedoch eine höhere Bevölkerungsdichte zu erreichen, müssen pro Flächeneinheit mehr Investitionen in die wirtschaftliche Basisinfrastruktur fließen. Wie die groben Schätzungen des Vergleichs zeigen, scheint es sich dabei um einen „Kompromiß“ zu handeln, bis wir die Frage genauer untersuchen.
Die physischen Komponenten der wirtschaftlichen Basisinfrastruktur können mit dem Fundament eines Gebäudes verglichen werden. Der Entwicklungsstand dieser Infrastruktur bestimmt die Produktionsentwicklung, die auf diesem Fundament aufgebaut werden kann. Der Umfang der Infrastruktur, der pro Kopf der Bevölkerungsdichte erforderlich ist, steigt mit der Kapitalintensität und der Energieintensität. Da die Kapitalintensität von der Energieintensität und der Technologie abhängt, läßt sich dieses Verhältnis näherungsweise als Funktion der Energiedichte ausdrücken. Solche Näherungen sind besser als einfache Faustformel-Schätzungen. Seit Leibniz‘ Beiträgen zur Begründung der Wirtschaftswissenschaften war es praktisch immer möglich, „rein thermodynamische“ Funktionen für wirtschaftliche Prozesse aufzustellen. Indem man die „Inputs“ der Warenkörbe in Form des Energieverbrauchs ausdrückt, der für die Produktion dieser Warenkörbe erforderlich ist, lassen sich in erster Näherung die Arbeit und das Kapital der Produktion in Form der benötigten Energiekosten messen. Wenn man die Thermodynamik entsprechend der Riemannschen Elektrodynamik neu definiert, lassen sich auch „nichtlineare“ Funktionen der geringsten Wirkung konstruieren, in die die Form eingehen, in der der technologische Fortschritt in den Produktionsprozeß einfließt. Damit kann eine allgemeine physikalisch-ökonomische Funktion in Form der Riemannschen Elektro(hydro)dynamik umfassend ausgedrückt werden.
Die Messung von Infrastrukturfunktionen in Form von Energiedichtebedingungen kommt daher der Annäherung implizit sehr nahe. Solche Approximationen sind unter heutigen Bedingungen unvermeidlich. Die Fehlergrenzen der erhobenen Daten erlauben keine aussagekräftigen Berechnungen, die über grobe Schätzungen hinausgehen – Schätzungen ohne deduktive Annahmen, die durch die Fehlerquoten der verfügbaren Daten beeinflußt werden. Wenn man, wie bereits angedeutet, die sechs genannten Einschränkungen anwendet, um eine allgemeine Funktion für die Zunahme der potentiellen Bevölkerungsdichte aufzustellen, läßt sich eine verallgemeinerte mathematische Funktion für Wirtschaftsprozesse konstruieren. (Im Rahmen der linearen Systemanalyse ist eine solche Lösung nicht möglich.) Wenn man eine solche verallgemeinerte Funktion konstruiert hat, geht es noch darum, die richtigen Werte für die Koeffizienten und Exponenten der Funktionsterme anzugeben. Sind die verfügbaren Daten genau genug, lassen sich sehr gute Schätzungen für die Werte dieser Koeffizienten und Exponenten ableiten. Mit weniger genauen Daten lassen sich solche Schätzungen ebenfalls vornehmen, aber nur innerhalb der Genauigkeitsgrenzen, die durch die Qualität der verwendeten Daten vorgegeben sind.
Glücklicherweise sind wir nicht auf statistische Zählungsdaten beschränkt. Es ist möglich, Produktionsfunktionen für bestimmte landwirtschaftliche und industrielle Produktionszweige zu erstellen, um die Variabilität einzelner Unternehmen innerhalb der Bedingungen unserer allgemeinen Funktion zu isolieren. Diese enger gefaßten Untersuchungen kombinieren industrietechnische Methoden, um die Rahmenbedingungen für die Produktion des Warenkorbes auf verschiedenen Technologieniveaus zu bestimmen, mit Studien zur Thermodynamik der physikalischen Chemie der beteiligten Produktionsumwandlungen. Mit Hilfe guter Tabellen aus Physik- und Chemielehrbüchern oder mit Hilfe von Primärquellen für die Erstellung solcher Tabellen können wir die Auswirkungen neuer Technologien auf die Produktivitätssteigerung mit einer Genauigkeit von Bruchteilen einer Größenordnung der Produktivitätssteigerung abschätzen. Wir wären also in der Lage, die Produktivitätszuwächse über ganze Generationen oder über große Teile einer Generation hinweg zu prognostizieren, die sich aus den technologischen Fortschritten ergeben, die unter den sechs genannten Bedingungen angewendet werden.
Schätzung der Infrastrukturrentabilität
Einnahmen aus Infrastrukturprojekten sind vergleichbar mit den Einnahmen aus der Erschließung eines Bauplatzes. Die Einnahmen aus der Erschließung eines Bauplatzes stammen aus Aktivitäten, die ohne die Erschließung des Bauplatzes nicht möglich wären. Sie stammen nicht von dem Bauplatz selbst. Ökonomen, Buchhalter und andere lassen sich oft durch die Tatsache verwirren, daß Elektrizität verkauft wird, daß die Durchfahrt durch Kanäle normalerweise gebührenpflichtig ist, daß Fahrgäste im städtischen Nahverkehr normalerweise Fahrpreise bezahlen müssen und daß in einigen Ländern für die Benutzung von Brücken und öffentlichen Autobahnen Gebühren erhoben werden können. Diese Arten von Einnahmen, die sich direkt aus der Nutzung von Infrastruktur ergeben, bestärken viele in dem Irrglauben, daß die direkten Einnahmen aus dem Betrieb einer Infrastruktur die wirtschaftliche Machbarkeit des Projekts bestimmen.
So wurde beispielsweise vor einigen Jahrzehnten eine Studie über den Betrieb des New Yorker Schnellbahnsystems ohne Erhebung von Fahrpreisen durchgeführt. Eine wichtige Tatsache wurde in der Studie hervorgehoben, nämlich daß die Kosten für die Erhebung und Verwaltung der Fahrgeldeinnahmen alle anderen Betriebskosten des Systems überstiegen. Würde man auf die Erhebung von Fahrgeld verzichten, könnte man der Stadtbevölkerung ein gleichwertiges oder besseres Angebot zur Verfügung stellen – und zur Hälfte der Kosten für den Steuerzahler! Dieses Beispiel verweist auf ein allgemeines Prinzip. In Studien über die Machbarkeit eines Schnellbahnsystems wie in New York City kann keine fundierte Bewertung vorgenommen werden, ohne die Kosten alternativer Verkehrsmittel für die Fahrgäste zu berücksichtigen. Der Staat muß die höheren Kosten ihrer Gesamtausgaben für Autobahnen, Brücken, Parkeinrichtungen und Verkehrsmanagement berücksichtigen, wenn das Schnellbahnsystem nicht zur Verfügung stünde oder weniger genutzt würde. Der Staat muß auch den Zeitverlust für die Fahrgäste und die Auswirkungen auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung berücksichtigen. Es gibt noch weitere Überlegungen, aber diese beiden Punkte zur Veranschaulichung reichen für unsere Zwecke hier aus.
Im allgemeinen Verkehrswesen sind zwei Hauptfaktoren der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen: 1. Die Kosten pro Tonnen- oder Personenkilometer, und 2. die Kosten langsamerer Verkehrsträger, die den Transport von Personen oder Gütern mit relativ hohem Wert zu ihrem Bestimmungsort verzögern.
Gemessen an den Kosten pro Personenkilometer ist die Schnellbahn der kostengünstigste Verkehrsträger in, zu und aus städtischen Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte. Die kombinierten öffentlichen und privaten Kosten pro Fahrgast für alternative öffentliche oder private Verkehrsmittel sind deutlich höher. Erhöht sich die Reisezeit eines Fahrgastes von einer halben Stunde auf eine Stunde oder anderthalb Stunden oder einen vergleichbaren Wert, sinkt der Lebensstandard dieses Fahrgastes erheblich und die Qualität des Stadtzentrums als Arbeitsmarkt- und Geschäftszentrum verschlechtert sich. Es gibt keinen wichtigen Aspekt des persönlichen Lebens und der wirtschaftlichen Aktivitäten in einem städtischen Gebiet und seiner Umgebung, der nicht erheblich von der Existenz eines gut konzipierten und effizient funktionierenden Schnellbahnsystems in diesem Gebiet profitiert. In einigen Fällen ist der Nutzen direkt, in [anderen] Fällen indirekt, aber in der Regel nicht weniger bedeutsam, als wenn er direkt wäre. Infrastrukturelle Entwicklungen lediglich anhand direkter Fahrgeldeinnahmen zu bewerten, ist unverantwortliche Inkompetenz.
Nehmen wir als Beispiele den für die thailändische Landenge vorgeschlagenen Meeresspiegel-Kanal oder den ebenfalls vorgeschlagenen neuen Panamakanal. Beide Kanäle werden Mauteinnahmen generieren. Allerdings werden die Mauteinnahmen den kleinsten Teil der durch den Bau des Kanals erzielten Einnahmen ausmachen. Im Falle des Kra-Kanals ist es so, daß der Hauptabschnitt durch ein mineralienreiches Gebiet führt, so daß die Erdbewegungsarbeiten nicht einfach nur Kosten für die Erdbewegung sind, sondern tatsächlich Einnahmen aus dem Bergbau generieren. Bei beiden Kanälen schafft die Wasserstraße die Grundlage für industrielle Entwicklungszonen an seinen beiden Enden. Auf diese Weise lenkt der Kanal die verschiedensten Güterströme in diese Gebiete, ein breites Spektrum von Gütern, das auf keine andere Weise zustande kommen könnte. Die Entwicklung des Kanals wird zur infrastrukturellen Grundlage für zahlreiche hochprofitable Industrien in dieser Gegend.
Beide Kanäle ziehen einen großen Teil des Frachtaufkommens an, das von weit her kommt: aus Europa, Amerika, Indien, Japan. Ein großer Teil dieser Ladung ist eine Mischung aus Massengütern, Halbfertig- und Fertigprodukten. Ein großer Teil dieser Ladung muß nach der Passage des Kanals noch eine beträchtliche Strecke weiter transportiert werden. Hier kommt ein sehr interessanter wirtschaftlicher Faktor ins Spiel. In wirtschaftlichen Studien darf man nicht nur die Transportkosten pro Tonnenkilometer betrachten, sondern man muß die Transportkosten als Prozentsatz der Gesamtkosten für das transportierte Produkt berücksichtigen. Wenn statt einer Tonne minderwertiger Fracht eine Tonne höherwertiger Fracht transportiert werden kann, ergibt sich ein deutlicher wirtschaftlicher Vorteil. Mit anderen Worten: Wenn es etwa in der Mitte einer langen Fahrt eine günstige Möglichkeit für die Verarbeitung des transportierten Materials gibt, ergibt sich ein signifikanter wirtschaftlicher Gewinn durch die Verringerung des prozentualen Anteils der Transportkosten an den Gesamtkosten.
Der Ort in der Mitte des Transportweges, an dem eine solche Aufwertung des Produktes stattfinden könnte, muß bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Nahezu alle Elemente, die für die Verarbeitung eines dieser Produkte erforderlich sind, müssen an diesem Ort leicht verfügbar sein. Die Wartung der Verarbeitungsanlagen an diesem Ort muß wirtschaftlich sein, zum Beispiel durch das Vorhandensein von Werkstätten usw. Ein großer Kanal, der sowohl große Massengutschiffe als auch andere Schiffsklassen aufnehmen kann, wäre dafür der ideale Standort. Ein solcher Kanal muß zum Beispiel über Schiffsreparaturwerkstätten verfügen. Die Arbeitskräfte vor Ort müssen über ein breites Spektrum handwerklicher Fähigkeiten verfügen, die sich leicht diversifizieren lassen, um der lokalen Industrie entsprechende Dienstleistungen anbieten zu können. Ein solcher Kanal muß über große lokale Energiequellen verfügen; diese müssen nur in großem Maßstab erweitert werden, um eine Energieinfrastruktur für die allgemeine industrielle Entwicklung zu schaffen. Die Industrie benötigt relativ niedrige Kosten für eingehende Fracht und einen effizienten, kostengünstigen Umschlag dieser Fracht von und zu den Hafenanlagen. Und so weiter. Sowohl in Thailand als auch in Panama geht es also um einen Kanal, der viel mehr ist als nur ein Kanal. Solche Kanäle sind wichtige Impulsgeber für die gesamte Wirtschaft beider Länder und auch ein wichtiger Impuls für den wirtschaftlichen Fortschritt in den Nachbarländern. Für Panama würde der Kanal die Wirtschaft auf spektakuläre Weise verbessern. Der größte Nutzen käme den Nationen Mittel- und Südamerikas zugute, deren Handel untereinander und mit weiter entfernten Gebieten erheblich angekurbelt würde.
Im Falle des thailändischen Kanals würden die Industriegebiete entlang des Kanals den Bau eines Tiefseehafens in Thailand auf der anderen Seite des Golfs ermöglichen, der zum Ausgangspunkt einer konzentrischen wirtschaftlichen Entwicklung werden würde, die sich vom Hafen bis in die nordöstliche Mekong-Region erstrecken könnte. Er würde auch die Entwicklung des regionalen Seehandels fördern, der vor allem für Indonesien, aber auch für Malaysia und die Philippinen von großem Nutzen wäre. Bei der wirtschaftlichen Machbarkeit eines Infrastrukturprogramms muß die Kettenreaktionswirkung des Programms auf die Wirtschaft des Landes und seiner Nachbarn berücksichtigt werden.
Städtische Entwicklung
Besonders in den Entwicklungsländern ähnelt das Wachstum der Großstädte meist einem Krebsgeschwür. Dies ist ein Erbe von mehreren Faktoren: vorkoloniale kulturelle Faktoren, die Folgen des Kolonialismus und die monetäre und wirtschaftliche Entwicklung nach 1946. Die meisten dieser Städte sind übergroß, und ihre Strukturen verhindern einen effizienten Personen- und Warenverkehr innerhalb des Stadtgebiets.
Es sind drei allgemeine Maßnahmen zu ergreifen:
- Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den städtischen Zentren und dem ländlichen Raum müssen deutlich verbessert werden, so daß die städtischen Industrie- und Bildungszentren zur treibenden Kraft für die Förderung des technologischen Fortschritts und der Produktivität im ländlichen Raum werden;
- Das Bevölkerungswachstum muß in diesen Zentren unterbrochen und Umsiedlung großer Teile der Bevölkerung aus diesen Zentren in neue Städte ermöglicht werden, und
- Es bedarf der Entwicklung einer effizienten städtischen Infrastruktur sowohl in den neuen als auch in den alten Städten.
In allen Entwicklungsländern, aber auch in den meisten OECD-Ländern, sind umfangreiche Infrastrukturprogramme dringend erforderlich. Mit diesen Programmen müssen geeignete neue Zentren für urbane Standorte geschaffen werden, sowohl in wirtschaftsgeographischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die Tatsache, daß Infrastrukturprojekte Arbeitskräfte an diese Standorte ziehen und damit die Grundlage für eine organische Entwicklung dieser neuen urbanen Zentren schaffen.
Die wichtigsten Anforderungen an eine neue Stadt sind, daß sie 1. Knotenpunkt für wichtige Güter- und Personenverkehrsströme, 2. wasserwirtschaftliches Zentrum, und 3. Erzeugungs- und Verteilungsstelle von Primärenergie sein muß. Außerdem muß 4. ihre wirtschaftliche Lage günstig sein mit Blick auf die Versorgungsquellen und die positive wirtschaftliche Entwicklung in der Umgebung.
Da die sich entwickelnden Volkswirtschaften nur über ein begrenztes Sozialkapital verfügen, ergeben sich für die Entwicklung dieser neuen städtischen Zentren eine Reihe von Problemen. Nur sehr wenige Ökonomen befassen sich heute ernsthaft mit den realen wirtschaftlichen Effekten von Slumgebieten in städtischen Zentren. Einige politische Kreise in Ägypten haben das Problem recht gut untersucht. Der gleiche Anteil des nationalen Reichtums, der wenig Nutzen bringt, wenn er für die Verbesserung der Lebensbedingungen in großen Gebieten von Kairo und Alexandria ausgegeben wird, hat eine sehr positive Wirkung auf die gleiche Anzahl von Menschen und Haushalten, wenn er für die Entwicklung von bewässerten städtischen und landwirtschaftlichen „neuen Stadtgebieten“ verwendet wird. Es ist billiger, die Bevölkerung in den neuen Stadtgebieten mit qualitativ hochwertigem Wohnraum zu versorgen, als erfolglos zu versuchen, die schlechten Bedingungen in den heruntergekommenen und veralteten Gebieten der bestehenden Städte zu verbessern. Die Vorteile liegen nicht nur in den besseren Lebensbedingungen für die Bürger, die die billigste und beste verfügbare Qualität pro ausgegebener Einheit erhalten. Die Auswirkungen auf die potentielle Produktivität der Arbeitskräfte sind erheblich. Neue Städte sind effizient, während alte Städte in ihrer Gesamtstruktur wirtschaftlich ineffizient sind. Eine vernünftige Verteilung der städtischen Zentren verbessert die funktionalen Beziehungen zwischen städtischen und ländlichen Gebieten und trägt zu einer wesentlich größeren politischen und wirtschaftlichen Stabilität innerhalb der Nation als Ganzes bei.
3. Machbarkeit von Infrastruktur
Die wirtschaftliche Machbarkeit von Infrastrukturprojekten beruht im wesentlichen auf zwei Überlegungen: 1. Die direkten Auswirkungen des Programms auf die Verbesserung einiger der oben genannten sechs Bedingungen, und 2. die durch das Programm ermöglichten produktiven Investitionen, die ohne das Programm entweder überhaupt nicht oder nicht zu den gleichen Kosten verfügbar wären. Häufig sind diese beiden Überlegungen für eine richtige Bewertung der Machbarkeit am wichtigsten. Letztlich laufen beide Überlegungen auf den selben Punkt hinaus. Bei der ersten Überlegung geht es um den allgemeinen Nutzen, bei der zweiten um den spezifischen Nutzen. Bei der ersten Betrachtung stellen wir den Nutzen in Form einer Verbesserung des allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungspotentials der Volkswirtschaft dar. Bei der zweiten Betrachtungsweise betonen wir den Nutzen einiger spezifischer Investitionen, die durch das Programm ermöglicht werden.
Buchhalter und Finanzinstitute sind Liebhaber genauer Zahlen. Die Kosten eines Projekts können und sollten nach allgemein anerkannten Genauigkeitsstandards berechnet werden. Bei einer Investition in der Landwirtschaft oder im verarbeitenden Gewerbe lassen sich die erwarteten Betriebseinnahmen in der Regel mit einer angemessenen Fehlermarge hochrechnen. Bei einem großen Infrastrukturprojekt darf nicht versucht werden, die Machbarkeit der Investition anhand der voraussichtlichen Höhe der Betriebseinnahmen zu beurteilen. Die prinzipiellen Gründe für die Unterscheidung zwischen Infrastrukturprogrammen und gewöhnlichen Investitionen in der Landwirtschaft, im verarbeitenden Gewerbe oder in Handelsunternehmen wurden bereits genannt. Dies bedeutet nicht, daß die Einschätzungen der Machbarkeit nebulös sein sollten. Die volkswirtschaftlichen Ausgaben für Infrastrukturprogramme können und sollten mit einer entsprechenden Genauigkeit der Rechnungsführung geschätzt werden. Uns geht es hier darum, daß keine kompetente Schätzung der Machbarkeit mit den heute allgemein akzeptierten Standards der Buchhaltungspraxis möglich sind. Aus diesem Grund müssen wir im folgenden einen pädagogischen Ansatz wählen, um die richtigen Methoden einzuführen.
Ein Konsortium potentieller Investoren übergibt die Pläne für die Entwicklung einer neuen Produktions- oder Gewerbeeinrichtung einem Beratungsunternehmen, das darauf spezialisiert ist, unabhängig die finanzielle Machbarkeit des vorgeschlagenen Projekts zu bewerten. Sowohl erfahrene Investoren als auch solche Berater wissen sehr genau, welches Ergebnis sie erwarten können. Normalerweise würden wir selbst eine solche Vorgehensweise empfehlen und die gleichen Standards der Beratungspraxis anwenden, wenn wir mit einer solchen Aufgabe betraut würden. Der Punkt ist, daß die Anwendung desselben Ansatzes inkompetent ist, wenn es um die Bewertung der Durchführbarkeit eines Infrastrukturprogramms geht. Das bedeutet nicht, daß solche Beratungspraktiken nicht in begrenztem Umfang im Zusammenhang mit Infrastrukturprogrammen angewendet werden können. Das erklären wir.
Bei jedem Infrastrukturprogramm gibt es zwei allgemeine Kategorien, die man berücksichtigen muß, um den wirtschaftlichen Nutzen des Programms zu beurteilen. Zum einen muß man natürlich den wirtschaftlichen Nutzen prognostizieren und einen geschätzten Preis für diesen Nutzen festlegen. Darüber hinaus muß eine Reihe weiterer Berechnungen angestellt werden. Diese beziehen sich auf die Herkunft und die Verwendung der Mittel. Die Verwendungen sind: Baukosten, Betriebskosten und Schuldendienst. Für den Fall, daß das Projekt direkte Einnahmen aus einem Teil seiner Gesamtaktivitäten generiert, können diese Einnahmen mit herkömmlichen Buchhaltungsmethoden projiziert werden, und diese Beträge bilden einen Teil der Mittelherkunft. Konventionelle Buchhaltungsmethoden sind für die Projektion der Mittelherkunft und -verwendung gut geeignet. Für die Berechnung des Nutzens, der durch das Programm entsteht, dürfen konventionelle Buchhaltungsmethoden nicht verwendet werden. Stattdessen müssen wirtschaftswissenschaftliche Methoden zum Einsatz kommen.
Eine Veranschaulichung hilft, den Punkt zu verdeutlichen. In der Geschichte der amerikanischen Wirtschaft der Nachkriegszeit findet man eine sehr präzise Korrelation zwischen dem Anstieg der Investitionen in die wirtschaftliche Basisinfrastruktur und dem Anstieg der Arbeitsproduktivität. Beide Kurven sind mit einer Verzögerung von zwölf bis achtzehn Monaten eng miteinander verknüpft. Der entscheidende Parameter zur Messung des Nutzens von Infrastrukturprogrammen ist ihr Einfluß auf die durchschnittliche Produktivität der nationalen oder regionalen Wirtschaft. Jeder andere Ansatz zur Bestimmung wirtschaftlicher Machbarkeit ist grundsätzlich falsch.
Der erste Schritt zur Erstellung von Machbarkeitsstudien für Infrastrukturprogramme besteht darin, ein Wirtschaftsmodell für die gesamte Volkswirtschaft zu erstellen (oder, im Falle eines Programms mit multinationalen Auswirkungen, ein Wirtschaftsmodell für die Region). Ein Infrastrukturprogramm wird als eine Veränderung in der Struktur dieses Wirtschaftsmodells behandelt, und die Auswirkungen auf die Wirtschaft als Ganzes bilden die Grundlage für die Bewertung der meßbaren Faktoren der Machbarkeit. Das zu verwendende Wirtschaftsmodell ist dasjenige, das den sechs oben genannten Randbedingungen entspricht. Die ökonomischen Modelle, die auf der „LaRouche-Riemann-Methode“ basieren, sind dort aufgeführt. Vom Konzept her ist dieses „Modell“ eine „nichtlineare Funktion“. Die Schwierigkeit besteht darin, daß digitale Computersysteme axiomatisch nicht in der Lage sind, eine nichtlineare Funktion explizit darzustellen. Daher verwendet man in der Praxis den Trick der „Kurvenanpassung“, um Computersysteme so zu programmieren, daß sie eine Reihe linearer Annäherungen an unsere Funktion simulieren. Solange wir uns der Art des Fehlers bewußt sind, der durch solche Näherungsmethoden entsteht, sind die Ergebnisse nützlich und haben den Vorteil, daß sie viel genauer sind als lineare Modelle, die unter anderen Gesichtspunkten erstellt wurden.
Die ersten Schritte bei der Durchführung von Machbarkeitsstudien für Infrastrukturprogramme bestehen also darin, ein Computersystem mit großem Speicher mit allen wichtigen Daten über die Volkswirtschaft zu füttern und die Rechenoperationen entsprechend der Abfolge der linearen Näherungen zu programmieren, die unsere nichtlineare Funktion simulieren. Bei der Frage nach der Machbarkeit eines Infrastrukturprogramms konzentrieren wir uns auf drei Merkmale des Wirtschaftsprozesses: Infrastruktur, Landwirtschaft und Produktion. Unser Ansatz entspricht in etwa dem, was wir in unserer früheren Diskussion über den Vergleich zwischen den USA, der Bundesrepublik Deutschland und Japan angesprochen haben. Wir haben gesagt, daß bestimmte Werte für die ersten fünf unserer sechs Randbedingungen dem Potential entsprechen, das für ein bestimmtes Niveau technologischer Entwicklung erforderlich ist. Wir haben auch erklärt, daß das Niveau der technologischen Entwicklung mit dem Niveau der Arbeitsproduktivität korreliert. Um also ein potentielles Produktivitätsniveau zu erreichen, muß ein technologisches Niveau erreicht werden, und auch die Werte für die ersten fünf Randbedingungen, die mit diesem technologischen Niveau übereinstimmen, müssen erreicht werden. Wir haben gezeigt, wie eine allgemeine Unterfunktion für die Infrastrukturentwicklung in diesen fünf Randbedingungen enthalten sind.
Um das Problem der Bewertung eines bestimmten Infrastrukturprogramms zu erkennen, müssen die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Aspekten der physischen Basisinfrastruktur verstanden werden. Wie steht es um die verschiedenen Bereiche dieser Infrastruktur, die einer ausgewogenen Kombination für das betrachtete Technologieniveau entsprechen? Natürlich sind die meisten Infrastrukturprogramme, insbesondere die großen, eine Mischung aus verschiedenen Arten von physischer Infrastruktur. Zum Beispiel enthält ein großes Wasserwirtschaftsprogramm normalerweise Elemente der Energieerzeugung und -verteilung, Elemente des allgemeinen Verkehrs und so weiter. Was wir brauchen, ist keine Ansammlung von Einzelprojekten, die losgelöst von der Gesamtwirtschaft betrachtet werden. Was wir brauchen, ist ein Infrastrukturprogramm oder eine koordinierte Reihe solcher Programme, die jeweils eine Reihe von „Projekten“ enthalten. Dieses kombinierte Programm muß die schrittweise Entwicklung der nationalen Infrastruktur als Ganzes ausgleichen.
Die Machbarkeit wird in erster Linie für das Infrastrukturprogramm als Ganzes bestimmt. Die Durchführbarkeit der einzelnen Projekte innerhalb des Programms wird durch die inkrementelle Wirkung des Projekts in Bezug auf die Anforderungen des Programms als Ganzes bestimmt. Aus den bisherigen Überlegungen sollte deutlich geworden sein, daß der Erfolg von Infrastrukturprogrammen davon abhängt, daß ein tragfähiger nationaler Konsens über die Ziele der Privatsektorentwicklung, insbesondere der Landwirtschaft und des verarbeitenden Gewerbes, besteht. Der größte Nutzen einer Infrastrukturentwicklung wird aus den positiven Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Landwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe resultieren. Diese Effekte werden hauptsächlich durch neue Investitionen in der Landwirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe vermittelt. Diese neuen Investitionen müssen natürlich mit der Entwicklung und dem Betrieb des Infrastrukturprogramms einhergehen. Daher setzt ein Infrastrukturprogramm voraus, daß zwischen Regierung und Wirtschaft ein Konsens über die Integration des Infrastrukturprogramms in die nationale Wirtschaftsentwicklung erzielt wird. Dies setzt in der Regel voraus, daß Regierung und Wirtschaft gemeinsam Kredite für Investitionen in der Landwirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe sowie für die Projekte selbst mobilisieren. Auf diese Weise lassen sich mit Hilfe des ökonomischen Modells die genauen Auswirkungen des Infrastrukturprogramms auf die Volkswirtschaft (bzw. die regionalen Volkswirtschaften) mit relativ hoher Genauigkeit prognostizieren. Wir können zum Beispiel abschätzen, wie viele Haushalte in welchen Regionen durch welche Landnutzungskategorien unterschiedlich stark von den Auswirkungen des Programms betroffen sein werden. Wir können die daraus resultierenden Produktivitätsverschiebungen vorhersagen. Wir können auch die Gesamtwirkung des Programms im Hinblick auf die sechs Randbedingungen und die Steigerung der nationalen Produktivität abschätzen.
Deutsche Erstübersetzung: Dr. Wolfgang Lillge