Wie „animiert“ man zu schöpferischem Denken?

Delante Bess, Brian McAndrews, Will Mederski und Jason Ross von der amerikanischen LaRouche-Jugendbewegung (LYM) haben sich seit Anfang dieses Jahres intensiv mit Keplers „Neuer Astronomie“ beschäftigt, worin Kepler selbst tiefe Einsichten in den schöpferischen Gang seiner Entdeckung gibt. In diesem Artikel berichten sie über ihre Arbeit, die andere zum Mitdenken anregen soll.


Im März 2006 arbeitete unsere vierköpfige Arbeitsgruppe anderthalb Wochen lang in der Washingtoner Kongreßbibliothek und im Büro der LaRouche-Bewegung in Leesburg/Virginia an Computeranimationen, die Lyndon LaRouche im Dezember 2005 in seinem Aufsatz Travel Among Cities (Reisen zwischen Städten) angefordert hatte. Das Resultat findet man auf www.wlym.com/~animations/travel/index.html

Im Juli erfuhren wir, daß wir erneut nach Leesburg kommen sollten, um weitere Computeranimationen über Wirtschaft zu erstellen, diesmal unter LaRouches persönlicher Leitung. Wir dachten gleich fieberhaft darüber nach, wie wir die im März begonnene Arbeit am besten fortsetzen könnten. Wir ahnten nicht, daß aus unserer „Arbeitsgruppe Ende Juli“ eine „Arbeitsgruppe Juli-August-September“ werden sollte und daß wir uns in das Jahr 1609 zurückversetzen würden, um die Volkswirtschaft der Gegenwart zu verstehen. Im Mittelpunkt unserer Arbeit standen nicht belebte Computergrafiken zur Verkehrsinfrastruktur, sondern die Belebung der Kreativität.

Die „Juli-August-September-Gruppe“ der LYM arbeitet an Computeranimationen für das Kepler-Projekt. Von links nach rechts: Jason Ross, Delante Bess, Will Mederski und Brian McAndrews. Foto: EIRNS/Brian McAndrews

Zu unserem ersten Treffen brachte LaRouche einen Vorabdruck seines Aufsatzes „Eine wirkliche Wirtschaft reanimieren“ mit und wünschte uns viel Spaß bei der Arbeit. Wir fingen an zu lesen und erkannten schnell, daß wir unsere Benutzerausweise für die Kongreßbibliothek gegen ein Teleskop eintauschen mußten. Unter der Zwischenüberschrift „Wirtschaftszyklen verstehen“ schreibt LaRouche:

„Da alle kompetente physikalische Mathematik der Neuzeit auf den Pionierleistungen Johannes Keplers beruht, verwendet man bei der Erläuterung, warum die statistische Mechanik für die Volkswirtschaft unbrauchbar ist, am besten das Bild der Umlaufbahn eines Planeten nach Keplers ureigenster Entdeckung, um zu definieren, wie langfristige Wirtschaftszyklen vorhersagbar sind. Mit dieser Lehre aus Kepler für die heutige Volkswirtschaft kann den Fehlern der immer wieder gescheiterten Methoden, die unsere Wirtschaftsstatistiker in den letzten Jahrzehnten im allgemeinen verwendet haben, am besten abgeholfen werden …

Lyndon LaRouche bespricht mit Brian McAndrews Einzelheiten einer pädagogischen Demonstration von Keplers Neuer Astronomie. Foto: EIRNS/Dan Sturman

Ich arbeite gegenwärtig mit einer Auswahl talentierter junger Leute, von denen man sich außerordentliche Beiträge für dieses Projekt versprechen kann. Die Absicht bei diesem Projekt ist u. a., intelligenten Fachleuten und anderen den richtigen methodischen Ansatz zu demonstrieren, um ausgehend von Wirtschaftsdaten der letzten zwei bis drei Generationen aus den einzelnen Landkreisen der USA, in Form von Computeranimationen sichtbar zu machen, welche Faktoren über Ruin oder Aufschwung der (in diesem Fall amerikanischen) Volkswirtschaft entscheiden.

Diese Arbeit beruht anfangs auf derselben Methode, wie Johannes Kepler die Zyklen innerhalb des Sonnensystems bestimmte und wie er damit die Notwendigkeit der Infinitesimalrechnung im Leibnizschen Sinn und der elliptischen und höheren (hypergeometrischen) Funktionen von Gauß, Abel, Riemann u. a. definierte. Delante Bess, Brian McAndrews, Will Mederski und Jason Ross von der amerikanischen LaRouche-Jugendbewegung (LYM) haben sich seit Anfang dieses Jahres intensiv mit Keplers „Neuer Astronomie“ beschäftigt, worin Kepler selbst tiefe Einsichten in den schöpferischen Gang seiner Entdeckung gibt. In diesem Artikel berichten sie über ihre Arbeit, die andere zum Mitdenken anregen soll. Die von ihnen erstellten Computeranimationen (mit englischem Begleittext) finden Sie im Internet unter www.wlym.com/~animations/newastronomy.html.

Ein entscheidender Gegenstand, den man mit dieser Methode untersucht, ist das funktionell bestimmte Verhältnis zwischen der allgemeinen grundlegenden Infrastruktur ganzer Volkswirtschaften, der Produktivität von Landwirtschaft, Industrie und der Rate des realen, physischen Wachstums im sog. privaten Sektor einer Volkswirtschaft. Es geht eigentlich darum, herauszufinden, welche grundsätzlichen Faktoren über Nettowachstum, -schrumpfung oder -stagnation des fraglichen wirtschaftlichen Phasenraumes einer Volkswirtschaft oder übergeordneten Ökonomie entscheiden bzw. entscheiden könnten. Diese Aufgabe, den prinzipiell entscheidenden Faktor aufzudecken, ist das funktionell notwendige Element, das bei der Methode zur Definition von Computeranimationen bei Nordhaus fehlt.1

Die angemessenste Herangehensweise an diesen entscheidenden Teil der Untersuchung ist das Vorgehen nach dem Vorbild der wesentlichen Merkmale der genannten Entdeckung Keplers – der Entdeckung des Prinzips des ,Infinitesimalen’. Diese Besonderheit liegt offenbar jenseits des Verständnisses in den heute gewöhnlich anzutreffenden akademischen Lehrbüchern und vergleichbaren Produkten zu den Prinzipien naturwissenschaftlicher und vergleichbarer Forschungen.“

Uns war nicht sofort klar, welche ungeheure Arbeit vor uns lag: Wir sollten Johannes Keplers Entdeckung des infinitesimal wirkenden Prinzips der universellen Gravitation in Computeranimationen darstellen! Nachdem wir die Schrift gelesen hatten, traf sich LaRouche mit uns; er betonte vor allem die Bedeutung des „pythagoräischen Kommas“ in der Musik, und daß man nach Diskontinuitäten in statistischen Methoden suchen muß, um echte Naturgesetze zu finden. Mit Kepler beginne die neuzeitliche Wissenschaft, sagte er, und Keplers Werk habe zusammen mit Fermats Arbeiten über den zeitlich kürzesten Weg des Lichts Leibniz’ Entdeckung der Infinitesimalrechnung angestoßen. LaRouche verwies auch auf Napiers Arbeiten zu Logarithmen und Gauß’ Berechnung der Umlaufbahn des Asteroiden Ceres.

Als erstes besorgten wir uns Keplers Neue Astronomie2 und suchten nach Abschnitten in dem Buch, die unsere Aufgabe betreffen könnten, stellten aber bald fest, daß wir das Werk im ganzen lesen mußten. Da das Buch sehr lang ist, brauchten wir dafür etwa eine Woche. Uns wurde klar, daß wir eine ganze Weile hierbleiben mußten.

Während wir nun daran arbeiteten und uns bemühten, zu begreifen, was die Ekliptik vom Horizont unterscheidet, die Rektaszension von der Deklination, die mittlere Sonne von der sichtbaren Sonne und Wahrheit von Statistik, nahmen erste Teile des Buches Gestalt für uns an. Nach und nach waren Keplers „Stellvertretende Hypothese“ und das Versagen der Statistik, die Gleichwertigkeit von Hypothesen, die Entwicklung des physikalischen Prinzips, das den Maßstab für die moderne Naturwissenschaft setzte, die Natur der Sonne und das berühmte „Keplersche Problem“ für zukünftige Mathematiker nicht mehr bloß Worte oder Formeln. Sie nahmen wirklich als Ideen Gestalt an.

Die Professoren, die Astronomielehrpläne für die Hochschulen entwerfen, mögen anderer Meinung sein, aber man kann nicht ernsthaft an Astronomie arbeiten, ohne selbst Beobachtungen anzustellen. LaRouche stellte uns sein Teleskop zur Verfügung, und die Natur war uns gewogen: Der Himmel war klar, und wir konnten eine Zeitlang jede Nacht die Jupitermonde beobachten, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie das erste Mal die Lichtgeschwindigkeit gemessen wurde. Wir lernten, den Tierkreis zu erkennen, uns nachts am Himmel zurechtzufinden und die Bewegungen der Planeten, Sterne und des Mondes zu beobachten.

Eine Standaufnahme aus der Animation der „Lunarhypothese“. Zu Beginn der Neuen Astronomie zeigte Kepler, daß die scheinbar so unterschiedlichen Theorien über das Planetensystem von Ptolemaios, Kopernikus und Brahe sich hinsichtlich der empirischen Daten als gleichwertig erwiesen. Das heißt, welche Theorie die richtige ist, läßt sich auf empirischem Wege nicht nachprüfen. Die Abbildung zeigt eine erweiterte Form dieses Beweises von Kepler: Die LYM-Arbeitsgruppe konstruierte ein Planetensystem, bei dem der Mond im Zentrum steht und von Erde, Sonne und Mars umkreist wird. Auch diese Theorie ist mit den anderen gleichwertig. Ohne eine physische Ursache lassen sich Erklärungen von Bewegungen nie als wahr beweisen, und dennoch gibt es beweisbare Wahrheit.

Mit der Hilfe einiger Mitarbeiter LaRouches (von denen einige nicht nur gute Handwerker, sondern auch sehr gute Köche sind!) bauten wir aus alten Bodenbelägen und einer Küchenuhr das Modell eines auf Äquanten beruhenden Planetensystems und eines Ptolemäischen Weltsystems. Wir benutzten auch Seile, Lichtzeiger und viele Computerausdrucke des Tierkreises, um uns anhand der in der Neuen Astronomie abgedruckten Zahlen durch das Universum zu arbeiten.

Eine Gelegenheit, den Stand unserer Erkenntnisse zu überprüfen, bot sich während einer Aktionswoche Anfang September in Washington, an der die gesamte LaRouche-Jugendbewegung östlich des Mississippi (das kanadische Montreal eingeschlossen) teilnahm. Nach einer Woche mit Straßendemos, Gesang und Besuchen von Kongreßbüros sowie intensiven Vorbereitungen unsererseits konnten wir am Wochenende unsere Arbeit vorstellen. Diese Vorträge und auch schon ihre Vorbereitungen lösten eine Kepler-Renaissance rund um die Welt aus. Wir erhielten Anrufe von der LaRouche-Jugendbewegung in Deutschland, und die LYM in Argentinien verfolgte unseren Vortrag live über das Internet mit. Es wurde eine internationale Verschwörung für den Aufbau einer Bewegung daraus, die mit einer Waffe ausgestattet ist, die einer sterbenden Zivilisation völlig nutzlos erscheinen muß: mit Vernunft.

Wir können nicht nur die richtigen Paradoxa aufstellen, um den Menschen die Fehler in ihrem bisherigen Denken aufzuzeigen, wir entwickeln auch Hunderte von jungen Leuten, die die Herausforderung, wie man denken muß, mit aller Energie in Angriff nehmen.

Als sich unsere Arbeit für dieses Mal dem Ende näherte, traf eine weitere Gruppe vom LYM-Mitgliedern ein, um an dem nächsten Projekt zu arbeiten: Keplers Weltharmonik. Wir lasen mit ihnen zusammen die Neue Astronomie und erklärten ihnen, wie man Computeranimationen erstellt, bevor wir in unsere jeweiligen Heimatorte zurückkehrten. Wir freuen uns schon auf die Resultate ihrer Arbeit, und wir ändern nun die Ausrichtung unserer Bewegung, wie es LaRouche fordert und wie es diesem Augenblick der Weltgeschichte angemessen ist: hin zur Schaffung von Kreativität und dem politischen Kampf für eine Regierungsweise, die jedem Menschen auf der Welt eine solche kreative Identität ermöglicht.

Ein Standbild aus einer Animation von Keplers „Stellvertretenden Hypothese“ in der Neuen Astronomie. Kepler beweist schlüssig, daß Statistiken keine beobachteten Wirkungen, geschweige denn ihre Ursachen erklären können.

Rat an Denker: Wenn Sie diesen Artikel lesen, denken Sie nicht: „Wie schön, daß junge Leute an etwas Nützlichem arbeiten.“ Denken Sie aber auch nicht (wie es viele Gegner der Raumfahrt tun): „Was für eine Verschwendung von Zeit und Geld, sich angesichts der existentiellen Gefahren auf der Erde mit so etwas zu beschäftigen.“ Die meisten Leser haben wahrscheinlich gar keinen Bezugspunkt für wahre wissenschaftliche Erkenntnis – und das gilt erst recht für diejenigen, die Naturwissenschaften studiert haben. Sie müssen sich unbedingt Keplers Neue Astronomie besorgen oder in der Bibliothek ausleihen (schnell, bevor es Ihr Nachbar tut) und mit Hilfe unserer Computeranimationen durcharbeiten. Dann wird man erst richtig Mensch! Rat an Nichtdenker: Wenn Sie lieber in bunten Blättern das Horoskop oder Geschichten über „Stars“ lesen wollen, sollte ein solcher Unfug Sie nicht davon abhalten, denjenigen zu helfen, die sich für die Zivilisation einsetzen.

Fußnote(n)

  1. William Nordhaus, Geography and macroeconomics: New Data and New Findings, www.pnas.org/cgi/reprint/103/10/3510.[]
  2. Johannes Kepler, Astronomia Nova (Neue Astronomie), dt. Neuausgabe Wiesbaden 2006.[]